
Wirklich Glück hatte Schubert zu Lebzeiten mit keiner seiner elf Opernkompositionen, obwohl alle reich an musikalischen Kostbarkeiten sind. Selbst längst als Meisterwerke anerkannte Titel wie «Fierrabras», sein Oratorium «Lazarus» oder seine «Rosamunde-Musik» hatten und haben es bis heuteschwer, auf den grossen Opernbühnen der Welt anzukommen und Fuss zu fassen.
Wir beschäftigen uns heute mit der 2-aktigen Oper «Sakontala», die es erst im 21. Jahrhundert in einer mustergültigen Aufnahme gibt. Unter der Leitung von Frieder Bernius mit dem Kammerchor Stuttgart, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und einer Gruppe von herausragenden Gesangssolisten kann man das Werk inzwischen so hören, dass echte Entdeckungsfreude aufkommt. Die Rekonstruktion des fragmentarisch gebliebenen Werkes verdanken wir dem Musikwissenschaftler Karl Aage Rasmussen.
Nach der Ouvertüre beginnt ein Chor das Licht des Tages zu preisen, Kanna, der Bassist, im Wechselgesang mit dem Chor, verkündet: «Der Seele schönstes einziges Opfer ist unser Herz, mit seinen Freuden, mit seinem Schmerz.» Ein Eremitenchor und ein weiblicher Chor besingen die Gaben, die sie den Göttern darbringen wollen. «O nehmt dies Opfer, nehmt unser Herz, mit seinen Freuden, mit seinem Schmerz.»
Jetzt folgt die erste grosse Arie der Sakontala, gefolgt von einem Quintett, in welchem Dämonen eine verstörende Rolle spielen. Dieser orientalische Kampf zwischen guten und schlechten Geistern muss Schubert enorm fasziniert haben, glaubte er doch selbst, dass sein Leben nicht nur von Freunden und Gönnern umgeben sei, sondern auch von Neidern und Missgünstigen.
Man kann heute gar nicht mehr anders, als von Schubert aufgegriffene Themen in seinem Werk auch als Spiegel seiner eigenen Reflexionen über das Leben zu verstehen. Da kann etwas noch so orientalisch verkleidet und verklausuliert sein, letztlich dient jede von ihm geschriebene Note der Erhellung seines eigenen Daseins. Damit war er unter den grossen Komponisten wahrhaftig nicht der einzige!
An Schluss des ersten Aktes erleben wir so etwas wie eine Himmelfahrt Sakontalas. Stimmen vom Himmel verkünden: «Lieblos verstossen ohne Erbarmen, bist du von frommen liebenden Augen gern aufgenommen, Sakontala.»
Der 2. Akt beginnt im Vorhof eines königlichen Palastes. Ein Fischer und zwei Häscher streiten um einen Ring, den der Fischer in seinen Netzen gefunden haben soll. Wie im Märchen weilt Sakontala wieder unter den Lebenden und hat einen Geliebten. Sie singen ein Liebesduett. Sie beginnt: «Mit liebendem Verlangen sieht er dem Bild entgegen. Ich sehe in Blick und Augen sich Qual und Freude regen. O Himmel, welche Wonne! Er liebt, er liebet mich!»
Der Geliebte Duschmanta antwortet und singt über seine Angebetete: «Das sind die schönen Augen, aus denen Engel blicken; das sind die süssen Lippen, die schon im Bild entzücken. Ach, Paradiese öffnen bei ihrem Grusse sich.»
Sprachlicher Kitsch oder erlaubte romantische Imagination? Nur Schuberts himmlische Musik bleibt von jedem Makel und Mangel frei. Wir hören sie und kommen aus entzücktem Staunen nicht heraus.