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Kulturpolitik

Förderparadies für Funktionäre

1. Dezember 2010
Alex Bänninger
Die planwirtschaftliche Akribie erfasst nun auch die Musen. Dies jedenfalls ist der Eindruck, den die in der Vernehmlassung befindliche „Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2012-2015“ vermittelt. Auf 94 Seiten werden die kulturpolitischen Leitlinien, Ziele und Massnahmen formuliert und mit ihnen der Finanzbedarf von 632,7 Millionen Franken begründet.

Nimmt die Kulturbotschaft die Hürde der eidgenössischen Räte, können Bundesamt für Kultur (BAK) und Pro Helvetia loslegen, die im weitesten Sinn verstandene Kultur zu steuern und zu zahlen. Beides beseelt von der Absicht, in sämtlichen Disziplinen und Dimensionen Schübe der Kreativität auszulösen und damit sämtliche Bevölkerungsschichten in allen Altersklassen zu begeistern. Präzis umrissene Schwerpunkte fehlen genau so wie konkret überprüfbare Ziele. Die Botschaft ist ein Generalabonnement für Funktionäre, sich im Förderparadies als lenkende Mäzene zu betätigen. Ja, selbstverständlich: Kultur ist eine so notwendige wie vornehme Aufgabe des Staates. Wenn er nicht nur spitz rechnet, sondern auch liberal fördert, handelt er richtig. Der technokratische Vierjahresplan liegt allerdings ausserhalb der „good governance“.

Beispiel Filmförderung

Was beispielsweise für den Film vorgesehen ist, wird wie bisher scheitern. Seit Beginn der eidgenössischen Förderung vor bald fünfzig Jahren sind immer wieder gute bis exzellente Filme finanziert worden, daneben indessen beängstigend belanglose, missratene und selbst von den Cinéphilen verschmähte. Dieses Verhältnis – wenig Überzeugendes und viel Unbedeutendes –, hat sich krass verschlechtert. Obwohl der finanzielle Förderaufwand massiv von einer Million Franken in der Anfangszeit auf heute gegen 50 Millionen Franken gestiegen ist. Immer noch vorhanden sind die gleichen ungelösten Probleme. Das ist eine betrübliche Konstante.

Es wäre höchstes Gebot, kritisch die Ursachen zu erforschen, um eine Förderung zu entwickeln, die ein kontinuierliches und kulturell relevantes Schaffen sichert. Dazu vermeidet die Kulturbotschaft jede Antwort. Sie schreibt in die Zukunft fort, was in der Vergangenheit versagte. Die Ziele sind hehr wie eh und je, doch die entscheidenden zielführenden Massnahmen werden nicht fassbar definiert.

Inflation der Halb-Filme

Das Bemühen des BAK um eine „kohärente Förderungspolitik, die das Kriterium der hohen künstlerischen Qualität mit den Anforderungen des Marktes vereinbart“, ist fatal. Mit dieser schicksalhaften Verknüpfung von künstlerischem Rang und wirtschaftlicher Bewährung gräbt das BAK weiterhin das Grab des Schweizer Films.

Bei genügender Beurteilungskompetenz ist es zwar möglich, die bestechende kreative Potenz eines Projekts zu erkennen und zu fördern. Aber als objektiv unmöglich erweist es sich, die ökonomischen Chancen zu prognostizieren. Sie hängen von Faktoren ab, die das BAK nicht beeinflussen kann: es sei denn, es etabliere sich als Staatsfilmproduzent mit direktem Durchgriff auf den Verleih und die Kinos. Das freilich möge uns erspart bleiben. Bereits das Vorhaben des BAK, die Kinos für die Ausrüstung mit digitalen Projektoren zu entschädigen, ist ein zu befremdlicher Schritt.

Beharrt das BAK auf der gleichzeitigen Erfüllung von künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolgskriterien, werden zwangsläufig neue flaue Halb-Filme entstehen, halb in der Gestaltung gelungen, halb fürs Kassenklingeln brauchbar. Die von der Kulturbotschaft leider nicht gezogenen Konsequenz müsste heissen, einzig auf die Qualität der Filmkunst zu setzen.

Unbedacht und mundvoll

Es steht überdies zu befürchten, dass die Kulturbotschaft die Filmsituation noch verschlimmert, nämlich mit der Finanzierung der filmberuflichen Ausbildung. Sie führt geradewegs in die Arbeitslosigkeit und erhöht die ohnehin schon übergrosse Zahl jener, die für ihre Projekte verzweifelt die Gelder zusammenbetteln. Ein Engagement des BAK in der Ausbildung würde verlangen, zuerst seriös zu klären, wo und wie ein wachsendes Heer von Filmschaffenden ein Auskommen findet.

Ohne diesen Aufschluss weckt das eigentlich berechtigte Postulat der Kulturbotschaft enorme Skepsis, es seien die Rahmenbedingungen zu verbessern, „damit professionelle Filmschaffende regelmässig Filmprojekte realisieren und ihre beruflichen Erfahrungen vertiefen können“. Auch in diesem Punkt hält sich die Botschaft an ihre Regel, die schönen und mundvollen Verheissungen nicht um die unentbehrlichen Massnahmen zu ergänzen. So liest sich eine idealistische Charta, aber nicht ein realistischer Plan. Die Ziele funkeln wie Sterne unerreichbar am Himmel.

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