In seinem Podcast diskutiert Tim Guldimann diesmal mit mit der deutschen Literatur- und Kulturwissenschafterin Aleida Assmann und dem Schweizer Historiker Thomas Maissen.
Die Ausgangsthese des Gesprächs lautet, dass die nationale Identität von familiengeschichtlichen Erfahrungen stark beeinflusst ist. Die friedliche Kontinuität in den Familiengeschichten der Schweiz der letzten hundert Jahre, so Guldimann, unterscheidet sich stark von der Situation in Deutschland. Dort haben der Krieg, die Shoa, die Vertreibung aus dem Osten und das Ende der DDR im kollektiven Bewusstsein tiefe Spuren hinterlassen, die als oft unverarbeitete Traumata über Generationen vererbt werden.
Thomas Maissen stimmt dem nicht zu. Er relativiert den direkten Einfluss von Familiengeschichten auf die nationale Identität und damit auf die Politik. Es sei zu unterscheiden zwischen subjektiven Erinnerungen und geschichtlichem Bewusstsein. Das letzte ist – wenn auch ausgelöst durch individuelle Herkunftsinteressen – stärker von auf Quellen und Archive gestützten wissenschaftlichen Debatten geprägt.
Aleida Assmann erklärt, wie erst durch das Ende des Kalten Krieges die Erinnerungen, ausgelöst durch Familiengeschichten, in das gesellschaftliche Bewusstsein zurückgekehrt sind und in verschiedenen Ländern die nationalen Narrative korrigiert haben.
Eine neue Entwicklung zeigt sich in der Schweiz, wo die Familiengeschichten eines Drittels der Bevölkerung mit Migrationshintergrund langsam in das kollektive Bewusstsein eindringen. «Der Jugoslawienkrieg der 90er Jahre ist damit zu einem schweizerischen Erinnerungsort geworden, der die Selbsterzählung unseres Landes verändert.» (Maissen)
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Journal 21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.