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Finnland agiert anders als die Schweiz

Europa und die Solidarität mit Griechenland haben Vorrang

20. Juni 2011
Willy Schenk
Die Finnische Regierungsbildung muss Schweizer erstaunen. Die mit ihrer Europapolemik zur drittstärksten Partei aufgerückten „Wahren Finnen“ blieben draussen vor der Tür und die zwei innenpolitischen Hauptgegner, Konservative Sammlungspartei und Sozialdemokraten, bilden zusammen mit vier Kleinparteien die neue Regierung. Europa hat für Finnland Vorrang. Und Jyrki Katainen hat als designierter Regierungschef vor den Verhandlungen über eine Koalition im Parlament eine Mehrheit für die EU-Finanzhilfe an Portugal organisiert.

Bei den finnischen Parlamentswahlen im April haben die populistischen „Wahren Finnen“ mit ihrer Polemik gegen Europa und die Finanzhilfe an Griechenland, Irland und Portugal ihre Sitzzahl im Parlament mehr als versiebenfacht – von 5 auf 39. Sie sind zur drittgrössten Partei aufgerückt hinter der Konservativen Sammlung und den Sozialdemokraten, während die bisher mit Hilfe der Konservativen regierende Zentrumspartei ein Drittel ihrer Sitze verlor und in die Opposition ging. Weil Finnland für die Zustimmung zu einer EU-Finanzhilfe das Parlament braucht, drohte das Wahlergebnis das auf Einstimmigkeit angewiesene europäische Finanzpaket für Portugal zu torpedieren.

Katainen als künftiger konservativer Regierungschef beschaffte sich noch als Finanzminister der abtretenden Regierung die für das Portugalpaket nötige Mehrheit. Die „Wahren Finnen“, die mit ihrer Europakritik bei den Wahlen einen politischen Erdrutsch verursacht hatten, stiegen nach einigem Zögern aus. Sie verzichteten auf Regierungsverantwortung, obwohl ihnen der künftige Chef bei den Koalitionsverhandlungen anbot, sie könnten sich bei Europafragen jeweils der Stimme enthalten. Jetzt konnten nur noch die innenpolitischen Gegenspieler Konservative und Sozialdemokraten eine solide Mehrheit bilden. Sie einigten sich nach einem Konflikt über die Sozialpolitik auf einen Kompromiss, der eine geringfügige Steuererhöhung und einige Verbesserungen im Sozialbereich bringt.

Wenig Sympathie für Athen

Ein wichtiges Thema blieb auch nach der Zustimmung zum Portugalpaket die weitere Finanzhilfe an Griechenland. Dabei stellt sich die neue Regierung hinter Deutschland mit der Bedingung, dass private Gläubiger einbezogen werden und Athen alle Auflagen erfüllt. Diese Entscheidung hat politische Kosten und liefert Munition für die Polemik der „Wahren Finnen“. Aber auch in der finnischen Bevölkerung braucht es Erklärungen, denn bei einer Umfrage des Internet-Journals Uusi Suomi, ob Griechenland aus dem Euro austreten sollte, antworteten 83 Prozent mit Ja und nur 17 Prozent mit Nein. Die neue Regierung hat also in Finnland für die europäische Solidarität Überzeugungsarbeit zu leisten.

Allerdings weiss man in diesem Land am Rande Europas, dass man als Trittbrettfahrer weder zu Wohlstand noch zu Sicherheit kommt. Und weil die Aussenpolitik schon wegen dem grossen Nachbarn im Osten Professionalität und Beweglichkeit braucht, ist man auch eher bereit, dieses Feld der Regierung und dem Parlament zu überlassen. Daher bleibt Finnland trotz den „Wahren Finnen“ ein Musterschüler der EU. Den NATO-Beitritt lehnt zwar eine Mehrheit der Bevölkerung weiterhin ab. Aber die Finnen halten sich auch hier die Türe offen, indem sie pro Kopf mehr Geld zu NATO-Aktionen beitragen als die meisten Mitglieder dieser Organisation. Weil man der Aussenpolitik existenzielle Bedeutung zumisst, würde niemand eine Volksabstimmung über Detailfragen in diesem Bereich verlangen.

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