In Genf versuchen seit Sonntag Delegationen der USA, der Ukraine, der EU und mehrerer europäischer Staaten den 28-Punkte-Plan in einen tauglichen Friedensplan für die Ukraine umzuwandeln. Wie immer kommt Europa erst hinterher ins Spiel.
Vor drei Tagen schreckte Trump mit dem ominösen 28-Punkte-Plan die Verbündeten im Ukrainekrieg auf. Gerade mal bis kommenden Donnerstag wollte er Präsident Selenskyj Zeit lassen, sich dem Diktat zu beugen. Andernfalls würde er der Ukraine jegliche weitere Unterstützung entziehen.
Das ist, wie so vieles, was Trump mit grossartiger Geste raushaut, schon wieder kassiert. An die Stelle der nackten Drohung ist wieder die nebulöse Unsicherheit getreten. In Genf führen Amerikaner und Europäer eine hektische Verhandlungsdiplomatie. US-Aussenminister Rubio spricht von substanziellen Fortschritten; selbstverständlich ohne diese zu spezifizieren. Ebenso selbstverständlich verbreitet der ukrainische Verhandlungsführer Andrij Jermak tapfer den gebotenen Optimismus. Und aus dem Hintergrund schiesst Trump immer mal wieder seine Truth-Social-Tiraden gegen die Ukrainer und die Europäer. Nie gegen die Russen, wohlgemerkt.
Das alles kennt man nun schon länger: Trump redet unvermittelt wie ein best Buddy Putins und haut im Gegenzug die Ukraine und ihre europäischen Unterstützer in die Pfanne, worauf sich Letztere krummlegen, um den orangen Wüterich zu besänftigen und wieder in die Spur zu setzen – was für eine Weile für Ruhe sorgt, bis das Theater von vorne losgeht.
Trump hat freie Bahn für diese Spiele, weil die vom Ukrainekrieg eigentlich viel direkter betroffenen Europäer ihm das Feld überlassen. Nun sind die USA zwar die stärkste Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt. Doch in Europa leben doppelt so viele Menschen, und in der Summe liegt die Wirtschaftsleistung von EU, Efta-Ländern und Grossbritannien nur unwesentlich unter jener der USA.
Spannten die Europäer zusammen, so könnten sie dem launischen Trump durchaus Paroli bieten. Bisher tun sie das immer erst hinterher, wenn der Mann im Weissen Haus wieder eine seiner Ungeheuerlichkeiten begangen hat. Nachdem das allein schon im laufenden Jahr zweimal passiert ist, wird es Zeit, dass Gesamt-Europa aus dem machtpolitischen Tiefschlaf erwacht und dem US-Machthaber mit eigenen Plänen zuvorkommt: mit einem echten Friedensplan für die Ukraine, aber auch durch vereinte wirtschaftspolitische Schlagkraft, welche die Zoll-Willkür Trumps in die Schranken weisen würde.
Nur eben: Bisher fehlt ein solcher europäischer Zusammenschluss. So lange die Kosten der Alleingänge auf dem alten Kontinent diejenigen einer Einigung nicht deutlich übersteigen, wird es zu keiner gemeinsamen Politik gegenüber Trumps USA kommen. Aber vielleicht verrechnet sich ja der Mann im Weissen Haus und die Welt steuert auf den Kipppunkt zu, bei dem sich nationale Egoismen und Kurzsichtigkeiten nicht mehr rechnen.
Bis es so weit ist, werden die europäischen Leader sich weiter immer von neuem überrumpeln lassen und erst im Nachhinein zur Schadensminderung herbeieilen.