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Kommentar 21

Erfahrungen eines russischen Satirikers

26. Mai 2016
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Wer sich für eine fundierte Einschätzung der Zustände in Putins Russland interessiert, muss dem 83-jährigen Satiriker Wladimir Woinowitsch zuhören.

Der russischen Schriftsteller ist am vergangenen Sonntag in Köln mit dem Lew Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte ausgezeichnet worden. Kopelew war in seiner Jugend  ein glühender Kommunist, der dann zehn Jahre in den Stalninschen Gulag verbannt und später als sowjetischer Regimekritiker ausgebürgert wurde. 1997 ist er in Köln gestorben.

Sein zeitweiliger Moskauer Wohnungsnachbar und  Freund Woinowitsch, Jahrgang  1932,  erlitt ein ähnliches Schicksal. Sein erster grosser Bucherfolg war die russische Schwejkiade  „Die denkwürdigen Abenteuer des Soldaten Iwan Tschonkin“.  Das Werk konnte nicht in der UdSSR. erscheinen. Auch er wurde 1980 aus der damaligen Sowjetunion ausgebürgert und lebte dann in Deutschland, zeitweise auch in den USA. 1989  konnte er erstmals wieder in seine Heimat zurückkehren und wurde von Gorbatschow im Zeichen der Perestroika rehabilitiert.

Anfang des neuen Jahrtausends erhielt Woinowitsch sogar den russischen Staatspreis für Literatur, überreicht von keinem geringeren als dem damals frisch gekürten neuen Präsidenten Putin. Doch wer annimmt, der Schriftsteller habe nach der hohen staatlichen Ehrung fortan im postsowjetischen Russland seinen kritischen Geist altersmilde besänftigt und mit seiner satirischen Feder nur noch unpolitische Themen aufgespiesst, täuscht sich. Er scheut sich nicht, gegen den Strom des öffentlichen Mainstreams zu schwimmen.  Putins Annexion der Krim und die militärische Einmischung in der Ostukraine verurteilt er ohne Wenn und Aber.

Doch anders als viele Putin-Kritiker und Putin-Apologeten weiss Woinowitsch seine politischen Urteile auch zu differenzieren. Der Unterschied zwischen den früheren sowjetischen Zuständen und den heutigen Verhältnissen liege einerseits darin, dass die Leute damals der Kreml-Propaganda nicht geglaubt hätten, diese heute jedoch mehrheitlich für glaubwürdig hielten, stellt er fest. Gewiss sei Putins Russland keine Demokratie,  sagt er weiter im Gespräch, aber es sei auch keine durchgehende Diktatur. Immerhin kann auch der gewöhnliche Bürger ins Ausland reisen, sofern er über das nötige Geld verfügt.  Im Kommunismus konnte er nur davon träumen.

In diesem Jahr ist von Woinowitsch in Russland ein neues Buch mit dem Titel „Der  himbeerrote Pelikan“ erschienen, eine ätzende Satire auf den E.M.I.S., den „ersten Mann im Staat“.  In der alten UdSSR hätte so ein Buch nie publiziert werden können.  Auf dem heutigen russischen Markt  ist es ein Verkaufserfolg. In Sachen Zukunftsperspektive  ist der 83-jährige Autor ebenfalls kein rabenschwarzer Pessimist. Im Vergleich zur Sowjetunion sei die russische Gesellschaft ja doch einen Schritt vorangekommen, meint er. Und es werde eines Tages noch weitere Schritte vorwärts geben – so wie das in der Ukraine schon geschehen ist, fügt er hinzu.

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