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Israelischer Siedlungsbau

Ein Veto der USA, das Langzeitfolgen haben könnte

22. Februar 2011 , Genf
Pierre Simonitsch
Vierzehn zu eins ist ein klares Ergebnis. 14 Mitglieder des Weltsicherheitsrats – einschliesslich Frankreichs, Grossbritanniens und Deutschlands – haben am New Yorker UNO-Hauptsitz für einen Resolutionsentwurf gestimmt, der die israelischen Siedlungen in den 1967 besetzten palästinensischen Gebieten als „illegal“ und „grosse Hürde für einen gerechten, haltbaren und umfassenden Frieden“ bezeichnet. Nur ein Land stimmte dagegen, nämlich die USA.

Und damit sind die USA die Sieger im höchsten Organ der Vereinten Nationen, denn sie besitzen ein Vetorecht. Der vor einem Monat im Namen von rund 130 Staaten eingebrachte Resolutionsentwurf gilt damit als abgelehnt.

Selbst die israelische Regierung mag diesen Sieg nicht richtig geniessen. Oppositionsführerin Tzipi Livni meinte dazu, Israel erleide „einen politischen Kollaps“. Nach Ansicht des früheren israelischen UNO-Botschafters Dore Gold bildet die Kolonisierung palästinensischer Gebiete „ein Dossier, für das sehr schwer zu plädieren ist“. Israelische Medien werfen die Frage auf, welchen Preis Washington für die weitere Unterstützung des jüdischen Staates verlangen werde. Die USA seien jetzt als einziger Verteidiger Israels seien in die Ecke gedrängt und hätten die ganze Welt gegen sich.

Die USA haben im Weltsicherheitsrat bisher 51 Mal ihr Veto gegen israelkritische Resolutionsentwürfe eingelegt. Unter den Diplomaten zirkuliert seit Jahrzehnten der Spruch, das Verhältnis zwischen den USA und Israel sei „wie der Schwanz, der mit dem Hund wackelt“. Das letzte Mal, dass sich die USA bei einer Abstimmung im Sicherheitsrat über die israelischen Bedenken hinwegsetzten, war 1980 unter dem Präsidenten Jimmy Carter.

Erstes Veto von Obama

Barack Obama hat jetzt zu ersten Mal seit seinem Amtsantritt vom Vetorecht der USA Gebrauch gemacht. Die Entscheidung ist ihm sicher nicht leicht gefallen, denn der Resolutionsentwurf deckt sich weitgehend mit seinen persönlichen Ansichten. Obama hatte den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vergeblich beschworen, wenigstens einem zeitlich begrenzen Siedlungsstopp zuzustimmen, um Verhandlungen eine Chance zu geben.

Er hat die fortschreitende Kolonisierung der besetzten Gebiete mehrmals öffentlich kritisiert. In seiner berühmten Rede vom 9. Juni 2009 in Kairo versprach er eine ausgewogene Nahostpolitik. Wörtlich sagte Obama: „Die USA akzeptieren nicht die Rechtmässigkeit des unablässigen Baus neuer israelischer Siedlungen. Diese Konstruktionen sind ein Bruch früherer Abkommen und unterminieren die Friedensbemühungen.“

Starke Israel-Lobby

Warum riskiert der US-Präsident einen Bruch mit seinen wichtigsten europäischen Verbündeten und den Verlust seiner Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt? Die Erklärung liegt in der amerikanischen Innenpolitik. Die Mehrheit der Amerikaner empfindet eine starke Sympathie für Israel. Die Israel-Lobby ist äusserst wirkungsvoll und hat taktische Bündnisse mit evangelikalen Gruppen geschlossen. Eines der Ergebnisse dieser Allianzen ist, dass eine engagierte Israel-Aktivistin jüdischer Abstammung, die republikanische Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen aus Florida, dieser Tage zur Vorsitzenden des aussenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses gewählt wurde.

Wenn Obama seine erste Amtszeit halbwegs erfolgreich beenden und 2012 wiedergewählt werden will, muss er Kompromisse eingehen. Die Araber und die Dritte Welt sind dabei nicht ausschlaggebend. Umgekehrt haben die Palästinenser jetzt keinen Grund mehr, sich mit Beschwichtigungen zufrieden zu geben. Am Vortag der Abstimmung im Sicherheitsrat versuchte Obama den Vorsitzenden der Palästinensischen Behörde, Mahmud Abbas, in einem 50 Minuten dauernden Telefongespräch zu einem Rückzug des Resolutionsentwurfs zu überreden. Als Ersatz bot er eine vom Präsidenten des Sicherheitsrats verlesene gemeinsame Erklärung der 15 Ratsmitglieder an, die aber rechtlich unverbindlich gewesen wäre. Abbas lehnte ab.

Jetzt geht die Führung der Palästinenser in die Offensive. Im Sommer will sie einen souveränen Staat proklamieren und diesen im September durch die Generalversammlung der UNO absegnen lassen. Für kommenden Freitag haben Palästinensergruppen in der Westbank zu Protestmärschen gegen das US-Veto im Sicherheitsrat aufgerufen.

Natürlich weiss jeder, dass ein einseitig ausgerufener palästinensischer Staat nur auf dem Papier bestehen würde. Nachdem die Direktverhandlungen mit Israel nichts gebracht haben, haben aber die Palästinenser auch nichts zu verlieren. Sie möchten Druck auf die USA und Israel erzeugen. Derzeit hat Palästina nur einen Beobachterstatus bei der UNO. In den letzten Monaten hat eine Reihe einflussreicher Länder Palästina als souveränen Staat anerkannt, darunter Brasilien, Argentinien und Chile. Nicht nur der arabische Raum, sondern weite Gebiete der Welt befinden sich derzeit im Umbruch.

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