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Kommentar 21

«Ein Präsident, der weder schreiben noch denken kann»

23. Oktober 2025
Ignaz Staub
Ignaz Staub
Karoline Leavitt, Presseraum White House
Karoline Leavitt, Trumps Mediensprecherin im Presseraum des Weissen Hauses. Sie zählt zu den gelehrigen Mitarbeitern des Präsidenten wenn es darum geht, Medienvertreter einzuschüchtern und abzukanzeln. (Foto: Keystone/(AP Photo/Evan Vucci)

Amerikas traditionelle Medien geraten zunehmend unter Druck des Weissen Hauses. Für Donald Trump und seine MAGA-Bewegung sind sie «Volksfeinde» und Überbringer von Fake News. Einem aufgeschlosseneren Publikum dagegen gelten sie als Garanten der Redefreiheit und als unverzichtbare Stützen der Demokratie.

Was US-Präsident Donald Trump über Medien denkt, posaunt er gern unverblümt in alle Welt hinaus. Wenn er deren Vertreterinnen und Vertreter nicht direkt als dumm, korrupt oder unfähig beschimpft, dann attackiert er sie, zu jeder Tages- und Nachtzeit, über seine Plattform «Truth Social». 

Trump: «Sie berichten nie ehrlich über mich» 

Das liest sich, inklusive Grossbuchstaben und Ausrufezeichen, dann so: «Es ist unglaublich, wie die Fake News die WAHRHEIT gewalttätig verzerren, wenn es um mich geht. Es gibt NICHTS, was ich sagen oder tun kann, das sie dazu bringen würde, ehrlich über mich zu schreiben oder zu berichten. Ich hatte in Alaska ein tolles Treffen zu Bidens blödem Krieg (in der Ukraine), ein Krieg, der nie hätte ausbrechen dürfen!!!»

Und weiter im Text: «Wenn ich Russland dazu brächte, als Teil eines Deals Moskau aufzugeben, so würden die FAKE News und ihre Partner, die Radikalen Linken Demokraten, sagen, ich hätte einen schlimmen Fehler begangen und einen äusserst schlechten Deal abgeschlossen. Deshalb sind sie FAKE NEWS! Ferner sollten sie über die 6 Kriege reden (die Trump beendet zu haben behauptet) … ICH HABE EBEN AUFGEHÖRT!!! MAGA.»

Das Reale annullieren 

Worauf Bestseller-Autor Stephen King, ein für seine Horrorgeschichten bekannter Trump-Kritiker, Folgendes twitterte: «Kannst du einem Präsidenten trauen, der nicht buchstabieren kann, der Probleme mit der Grammatik hat und willkürlich Grossbuchstaben setzt? Ich glaube nicht. Ein Präsident, der nicht schreiben kann, kann nicht denken.» 

Donald Trumps Strategie zielt darauf ab, Zweifel über alles und jeden zu säen. «Mit diesem Zweifel gehen Reibung, Kontroverse, Aufregung, Emotionen, Rückschläge, Anklagen, Ekel, Momentum einher», sagt der amerikanische Journalismus-Professor Jay Rosen: «Und mit der Energie, die diese Reaktionen freisetzen, kannst du deine politische Bewegung antreiben.» Der Präsident, argumentiert Rosen, habe seine MAGA-Bewegung dazu erzogen, «die Realität in grossem Umfang zu leugnen und die ganze Idee zu diskreditieren, dass wir wissen können, was in unserer Welt vorgeht.» Die Absicht dahinter sei es, «das Reale zu annullieren».

Trumps willige Helfershelfer

Beim Vorhaben, die Presse öffentlich zu diskreditieren, hat Donald Trump willige Helfershelfer. Dazu zählt in erster Linie seine Pressesprecherin Karoline Leavitt, die sich bei Briefings im Weissen Haus nicht scheut, Medienschaffende auch direkt zu attackieren. So hat die 28-Jährige einen Korrespondenten der «Huffington Post» unlängst als jemanden beschimpft, der sich als richtiger Reporter ausgibt: «Sie sind ein linker Schreiberling, den niemand ernst nimmt, auch Ihre Kollegen in den Medien nicht, nur sagen sie Ihnen das nicht ins Gesicht. Hören Sie auf, mir Ihre verlogenen, voreingenommenen und beschissenen Fragen zu schicken.»

Nun sind Spannungen zwischen amerikanischen Präsidenten und der Presse nichts Neues. Richard Nixon führte seinerzeit eine «enemies list», eine Liste seiner politischen Feinde, auf der sich «Seattle Times»-Reporter Edwin O. Guthman, CBS-Journalist Daniel Schorr und «Washington Post»-Kolumnistin Marc McGrory befanden. 

Der offizielle Zweck der Liste, wie er von John Dean, Nixons Rechtsberater, beschrieben wurde, bestand darin, die politischen Feinde des Präsidenten durch Steuerprüfungen und Manipulationen bei der Vergabe von Zuschüssen, Bundesaufträgen, Rechtsstreitigkeiten oder Strafverfolgungen «fertigzumachen». In einem Memorandum erklärte Dean am 16. August 1971 das Ziel wie folgt: «Dieses Schreiben befasst sich mit der Frage, wie wir unsere Machtposition im Umgang mit Personen, die bekanntermassen aktiv gegen unsere Regierung opponieren, optimal nutzen können; etwas unverblümter ausgedrückt: wie wir die verfügbaren Bundesmittel einsetzen können, um unsere politischen Feinde zu schikanieren.»

Auch Biden und Obama schürten Konflikte mit Medien 

Später wandte Barack Obama das Spionagegesetz von 1917 mit beispielloser Härte an und verfolgte mehr Personen wegen Weitergabe sensibler Informationen an die Öffentlichkeit als alle früheren US-Regierungen zusammen. Im Rahmen dieser Bemühungen griff das Justizministerium auch auf vertrauliche Kommunikation zwischen Nachrichtenorganisationen und ihren Quellen zurück. 

2013 zum Beispiel beschaffte es sich die Aufzeichnungen von 20 Telefonleitungen der Associated Press (AP) sowie von Privat- und Mobiltelefonen von Reportern und beschlagnahmte sie ohne Vorankündigung im Rahmen einer Untersuchung zur Offenlegung von Informationen über einen vereitelten Terroranschlag der Al-Qaida. 

Derweil begrenzte Joe Biden zuletzt den direkten Zugang zum Präsidenten, indem er weniger Pressekonferenzen abhielt oder Interviews gewährte als sieben seiner Vorgänger. Bis Mitte 2024 hatte er in seiner Amtszeit lediglich 36 Pressekonferenzen abgehalten, allein und oder in Gegenwart ausländischer Staatschefs. Nur Ronald Reagan stellte sich seinerzeit mit 25 Auftritten weniger häufig den Medien. Donald Trump brachte es 2020 bis Mitte seines letzten Amtsjahres auf 468 Auftritte vor der Presse. Gleichzeitig stellte sich Joe Biden mit 125 Interviews auch weniger öffentlichen Befragungen als jeder andere Amtsinhaber seit Ronald Reagan. 

Pete Hegseths neue Richtlinien 

Ausser Pressesprecherin Karoline Leavitt ist auch Kriegsminister Pete Hegseth ein gelehriger und treuer Diener seines Herrn. Doch den direkten Kontakt mit den Medien scheut er. Das Pentagon hat neu Richtlinien erlassen, die Korrespondentinnen und Korrespondenten dazu verpflichten, in ihren Berichten nur noch Informationen, selbst wenn sie unverfänglich sind, zu verwenden, die zuvor von höherer Stelle abgesegnet worden sind. Wer das nicht tut, verliert seinen Zugang zum Ministerium.

Der Ukas hatte zur Folge, dass mit wenigen Ausnahmen fast alle Medienschaffenden, unter ihnen selbst solche konservativer Arbeitergeber, ihre Presseausweise zurückgegeben und das Gebäude verlassen haben. «Direkten Zugang zum Pentagon, zum Gebäude, zu sichern, ist es nicht wert, auf die Fähigkeit zu verzichten, mehr als nur über Pressecommuniqués und offizielle Verlautbarungen zu berichten», teilte ein Vertreter des rechten Fernsehsenders «Fox News» mit. Pete Hegseth selbst reagierte auf den Exodus der Presse mit einem Hände winkenden Emoji und postete ein Image, welches das Magazin «Atlantic» als plärrendes Baby zeigte. 

Pentagon-Sprecher Sean Parnell argumentierte, die neuen Richtlinien dienten der nationalen Sicherheit und würden «journalistische Aktivitäten nicht erschweren». Doch Seth Stern, Direktor der «Freedom of the Press Foundation», nennt das Vorgehen des Kriegsministeriums in Washington DC «einen klassischen Fall einer verfassungswidrigen superprovisorischen Verfügung», wie sie Amerikas Oberstes Gericht 1971 im Fall der Pentagon Papers ausdrücklich verboten hat. 

Gezielte Einschüchterungen 

Wie stark die neuen Richtlinien eine kritische Berichterstattung über die Aktivitäten des US-Militärs und seiner Führung erschweren, wird sich weisen müssen. Fakt ist, dass viele Aufsehen erregende Geschichten über das Pentagon von hartnäckigen Reportern ausserhalb seiner Mauern recherchiert worden sind: die Massaker in My Lai und Haditha, die Pentagon Papers (über den Krieg in Vietnam) oder der Gefangenenskandal im irakischen Abu Ghraib. «Es sind Storys gewesen, die von Reportern mit guten Quellen (…) und dank ihrer eigenen Unerschrockenheit von aussen aufgegriffen und veröffentlicht worden sind – sehr zum Ärger der Mächtigen im Innern des Pentagon», weiss Mark Thompson, ein langjähriger Korrespondent des Magazins «Time». 

Derweil gehen die Bemühungen Donald Trumps weiter, Amerikas Medien gezielt einzuschüchtern. Seit Anfang Jahr hat das Weisse Haus gemäss dem Poynter Institute  60 Beschlüsse verabschiedet, die der Presse das Arbeiten erschweren sollen. So haben im vergangenen Monat Agenten des Bundes in Chicago wiederholt Medienschaffende attackiert, die über das handfeste und teils brutale Vorgehen des Heimatschutzes (DHS), der Einwanderungsbehörde (ICE) und der Grenzpolizei in der «Windy City» berichtet haben. Ähnliches hat sich in New York abgespielt, wo drei Medienschaffende verletzt wurden.

Trumps Milliarden-Klage gegen die «New York Times» 

Donald Trump selbst hat inzwischen vor einem Bundesgericht in New York erneut eine Klage gegen die «New York Times» eingereicht, die wegen Ruf- und Geschäftsschädigung eine Entschädigung von 15 Milliarden Dollar fordert. Eine erste 80-seitige Klage hatte ein von George W. Bush ernannter Bundesrichter Mitte September als «entschieden unangebracht und unzulässig» zurückgewiesen. 

Jetzt liegt eine auf 40 Seiten verkürzte Klage vor, die drei «Times»-Mitarbeitenden vorwirft, Trump in zwei Artikeln und in einem Buch diffamiert zu haben: «Die fraglichen Textpassagen diffamieren und verunglimpfen Präsident Trumps ehrlich verdienten beruflichen Ruf, den er während Jahrzehnten als Privatmann sorgfältig aufgebaut hat, bevor er Präsident der Vereinigten Staaten wurde, einschliesslich (den Ruf) als erfolgreicher Geschäftsmann und als Star der erfolgreichsten Fernsehshow aller Zeiten – «The Apprentice».  

Die «New York Times» und der Verlag Penguin Random House haben sich hinter ihre Mitarbeitenden gestellt. Die Klage, sagen sie, sei «haltlos», der Zeitung zufolge allein ein Versuch, «unabhängige Berichterstattung zu ersticken und als PR Aufmerksamkeit zu generieren». Die «Times», so ihr Sprecher, lasse sich nicht von Einschüchterungstaktiken abschrecken. Das Weltblatt mutmasslich nicht, aber andere mächtige Medien wie die Fernsehgesellschaften ABC oder CBS sind eingeknickt, obwohl Experten die Klagen gegen sie als ebenfalls haltlos einstuften. Beide Sender haben sich verpflichtet, für Donald Trumps künftige Präsidentenbibliothek Millionen zu spenden – für die Bibliothek eines Mannes, der nicht buchstabieren kann.

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