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Brasilien

Ein paar Worte zu den Bolsonaros

29. Juli 2025
Heiner Hug
Michelle Bolsonaro
Michelle Bolsonaro (Foto: Keystone/AP/Eraldo Peres)

Michelle Bolsonaro betet für ihren Mann. Sie nennt ihn den brasilianischen Jesus Christus. Sie ist die Frau des früheren rechtsextremen brasilianischen Präsidenten. Und dieser, Jair Bolsonaro, weint in einer evangelikalen Kirche bittere Tränen. Er beklagt das Unrecht, das ihm angetan wird. 

Jair Bolsonaro
Jair Bolsonaro (Foto: Keystone/Eraldo Peres)

Doch es gibt Hoffnung. Und die Hoffnung heisst Donald Trump.

Der amerikanische Präsident erklärt, gegen den abgewählten Bolsonaro finde «eine Hexenjagd» statt. Deshalb – als Strafe – belege er Brasilien und seine linksgerichtete Regierung mit 50-prozentigen Zöllen. 

Bolsonaro hatte Trump schon immer verehrt. Das zahlt sich nun aus. 

Trump, Bolsonaro
Trump mit Bolsonaro am 7. März 2020 in Mar-a-Lago, Eduardo Bolsonaro im Hintergrund rechts (Keystone/Alan Santos/Brazil's Presidential Press Office via AP)

Und der Brasilianer wollte es dem Amerikaner gleichtun. Am 6. Januar 2021 hatte in Washington der Sturm auf das Kapitol stattgefunden. Viele politische Beobachter werteten dies als versuchten Staatsstreich des abgewählten Donald Trump. 

Zwei Jahre später dann, am 8. Januar 2023 durchbrachen in Brasilia Anhänger von Bolsonaro eine Polizeisperre. Sie stürmten das Gebäude des Nationalkongresses, drangen in den Präsidentenpalast und das Oberste Gericht ein und richteten schwere Schäden an. 

Brasilia
Brasilia, 8. Januar 2023 (Keystone/AP/Eraldo Peres)

Bolsonaros Schläger forderten eine Annullierung der Wahl des linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva und eine Wiedereinsetzung des unterlegenen früheren Präsidenten Jair Bolsonaro. Bei den Wahlen am 30. Oktober 2022 war Lula da Silva nach dem hässlichsten Wahlkampf in der brasilianischen Geschichte mit 50,9 Prozent erneut zum Staatspräsidenten gewählt worden. Jair Bolsonaro akzeptierte seine Niederlage nicht. So wie damals Trump.

Bolsonaro muss sich jetzt vor Gericht verantworten. Der Generalstaatsanwalt wirft ihm vor, nach seiner Abwahl einen Staatsstreich gegen Lula da Silva geplant zu haben. Ziel sei es gewesen, Lula zu vergiften und einen Richter am Obersten Gerichtshof zu töten. Alle fünf Richter der Ersten Kammer folgten dem Antrag des Generalstaatsanwalts. Es gebe starke Indizien, dass er zusammen mit rechtsextremen Ex-Militärs einen Putsch organisieren wollte.  

Kontraproduktiv

Da Fluchtgefahr besteht, verpflichtete der Oberste Bundesgerichtshof den früheren Präsidenten, eine elektronische Fussfessel zu tragen.

Dass er nun vor Gericht steht, akzeptiert Trump nicht. Der amerikanische Präsident fordert ultimativ, den Prozess gegen den Ex-Präsidenten einzustellen. Doch das könnte kontraproduktiv sein. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens ist ein sehr selbstbewusstes Organ. Vor allem wollen sich die Richter nicht vorwerfen lassen, Trump auf den Leim gekrochen zu sein. Eine Verurteilung Bolsonaros ist nach Trumps Attacken wahrscheinlicher geworden. 

«Die Arbeit der Militärdiktatoren beenden»

Bolsonaro hatte nie einen Hehl aus seinem rechtsextremen Weltbild gemacht. Schon als Abgeordneter hatte er erklärt, «mit Wahlen erreicht man nichts». Man komme nur voran, wenn man, die «Arbeit der Militärgeneräle vollendet und 30’000 Korrupte umbringt». 

Brasilien ist kein zimperliches Land, und die brasilianischen Politiker sind es schon gar nicht. Doch Bolsonaros Wahlkampf 2023 hatte alles in den Schatten gestellt. Er verleumdete, verbreitete Hassbotschaften und Lügen. Und seine 27 Jahre jüngere Frau Michelle mischte kräftig mit.

«Orgien mit jungen Mädchen» 

Das ging so: Die Bolsonaros warfen dem Sozialdemokraten Lula vor, mit jungen Mädchen Orgien zu feiern. Kindern würden die Zähne ausgerissen, damit sei beim Oralsex die Männer nicht verletzten. «Wir müssen unsere Kinder aus den kommunistischen Klauen befreien», hiess es. Lula habe mit dem Teufel einen Pakt geschlossen und diesen mit seinem Blut unterschrieben. Es gebe Beweise dafür.

Die brasilianische Militärdiktatur sieht Bolsonaro als Modell für Brasilien. Der Militärputsch 1964 habe «Brasilien gerettet», liess er seinen Verteidigungsminister sagen. Und wie Trump sagte er während des Wahlkampfs: «Wenn ich verliere, dann liegt Wahlbetrug vor.» 

Der brasilianische Jesus

Dann kam seine Niederlage. Die «Hölle» habe sich gegen ihn erhoben, erklärte er. Zu seinen Feinden gehört das oberste brasilianische Gericht, viele Parlamentarier, Menschenrechtsorganisationen – und natürlich die Medien. 

Bolsonaro selbst sieht sich von Gott gesandt. «Gott hat mir erklärt, dass ich das Land retten muss», liess er verlauten. Seine Frau Michelle sagte, die Brasilianerinnen und Brasilianer hätten die Wahl zwischen dem Teufel und Jesus. Wer Lula, den Teufel, wähle, werde das «in ewiger Verdammnis büssen». Immer wieder sei Lula bei «satanistischen Zeremonien» gesehen worden.

«Vielweiberei»

Lula wolle harte Drogen legalisieren und sie seinen Anhängern verteilen, hiess es. Er wolle Kirchen schliessen, LGBTQ-Kreise mit Millionen fördern und jede Abtreibung mit tausend Dollar vergüten. Sogar die «Vielweiberei» wolle er fördern. Evangelikale Pastoren warfen Lula vor, er wolle den Inzest zwischen Vätern und Töchtern legalisieren. Die starken brasilianischen Evangelikalen hatten in dem Wahlkampf jede Unschuld verloren. 

Lula wurde immer wieder vorgeworfen, dass während seiner achtjährigen Regierungszeit Korruption in grossem Stil betrieben worden sei. Stichwort: Odebrecht. Tatsächlich kam es damals zu massiven Verfehlungen. Doch Lula selbst konnte nichts Gravierendes nachgewiesen werden. Trotzdem gelang es seinen Gegnern, ihn für 580 Tage ins Gefängnis zu stecken. Deshalb durfte er 2018 bei den Präsidentschaftswahlen nicht als Gegenkandidat von Bolsonaro teilnehmen. Im November 2019 wurde Lula auf Geheiss von Richtern freigelassen – gegen den Willen Bolsonaros.

Das Covid-«Grippchen» 

Die Bilanz von Bolsonaros vierjähriger Amtszeit war eher kläglich. Die Armut im Land wuchs rasant, 30 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer hungern. Der Regenwald wurde unter Bolsonaro abgeholzt. Zwei Milliarden Bäume wurden im Amazonas-Becken gefällt. Indios, die sich dagegen wehrten, wurden getötet. 700’000 Menschen starben, weil er Covid als ein «Grippchen» abtat. 35 Millionen wurden infiziert. 

Trump scheint das alles nicht zu kümmern. Auch er hatte sich in den Schoss der Evangelikalen geworfen. Für ihn ist nur eines wichtig: Bolsonaro bezeichnet sich als feurigen Trumpisten. Kritiker werfen dem amerikanischen Präsidenten vor, dass er keine Ahnung hat, was in Brasilien geschieht. 

Bolsonaros Sohn, Eduardo, ein Mitglied des brasilianischen Parlaments, war kürzlich nach Washington gereist und hatte Steve Bannon und andere rechtsradikale Kreise gegen Lula aufgewiegelt. Diese wiederum bearbeiteten Trump und forderten ihn auf, sich für Jair Bolsonaro stark zu machen – was jetzt geschehen ist. 

Der Zoll-Hammer

Und die 50-prozentigen Zölle? Werden sie Brasilien in den Ruin treiben? Lula hatte sie als «unannehmbare Erpressung» bezeichnet. 72 Prozent der Brasilianer und Brasilianerinnen stimmen dem zu. Wirtschaftsfachleute glauben, die 50 Prozent würden das brasilianische Bruttoinlandprodukt um 0,3 bis 2,7 Prozent schmälern. Dies würde das Land, die grösste lateinamerikanische Volkswirtschaft neben Mexiko, schwer belasten. Lula reagiert auf zwei Schienen. Einerseits will er gegen die USA Retorsionsmassnahmen ergreifen. Laute Anti-«Gringo»-Töne kommen in Lateinamerika immer gut an. Anderseits jedoch versucht die brasilianische Diplomatie offenbar, Trump zu besänftigen. 

Trumps Zoll-Hammer hat etwas bewirkt, was weder im Sinne von Trump noch in jenem von Bolsonaro ist. Laut den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute «Genial» und «Quaest» stieg die Popularität von Lula da Silva plötzlich wieder, und zwar auf stolze 43 Prozent. Tendenz steigend. Das Institut «Atlas» gibt Lula zur Zeit sogar einen positiven Wert von fast 50 Prozent.

Lula, wie neugeboren

Im kommenden Jahr finden wieder Präsidentschaftswahlen statt, und wieder wird ein hässlicher Wahlkampf erwartet. Der Bolsonaro-Clan wird alles versuchen, an die Macht zurückzukehren. Der frühere Präsident Jair Bolsonaro darf zwar bis 2030 nicht für ein politisches Amt kandidieren, dafür aber sein Sohn Eduardo oder seine Frau Michelle.

Bei allen Szenarien würde Lula da Silva die Wiederwahl gewinnen. Gegen Bolsonaros Frau Michelle käme Lula auf 30 Prozent der Stimmen (Michelle Bolsonaro auf 19 Prozent). Eduardo Bolsonaro, der Sohn von Jair, würde laut jetziger Umfrage gegen Lula mit 51 zu 32 Prozent scheitern. Er war bereits als Nachfolger seines Vaters gehandelt worden, ist jetzt aber auch wegen Wirtschaftsdelikten in die Fänge der Justiz geraten. Auch Tarcísio de Freitas, der einflussreiche Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, ein einstiger enger Vertrauter von Bolsonaro, hätte gegen Lula keine Chance (51 zu 32 Prozent). 

Lula ist jetzt 76 Jahre alt. Er war in jüngster Zeit etwas müde. Doch jetzt plötzlich wirkt er wie neugeboren: frech, angriffig, entschlossen – und USA-kritisch. Das gefällt in Brasilien. 

Lula
Lula am 3. Juni 2025 (Keystone/EPA/Andre Borges)

Soll er im kommenden Jahr für eine vierte Amtszeit kandidieren? Bisher waren 32 Prozent der Befragten dafür. Jetzt, nach dem Zoll-Hammer, sind es 38 Prozent.

Doch bis zur nächsten Wahl, im Herbst 2026, ist es noch ein weiter Weg.

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