Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Tagung

Ein Mini-Davos in Lugano

21. November 2025
Daniel Woker
Romano Prodi
Der frühere EU-Kommissionspräsident und ehemalige italienische Regierungschef Romano Prodi versprühte bei der «Mini Davos»-Tagung in Lugano trotz fortgeschrittenem Alter Energie und Lebenslust. (Foto: Keystone/EPA/JULIEN WARNAND)

Anfang November hat in Lugano während anderthalb Tagen das erste «Lugano Global Forum LGF» mit international bekannten Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und den Medien stattgefunden.

Alan Friedman ist nicht Klaus Schwab. Friedman, im Tessin wohnhafter amerikanischer Journalist und Autor, Initiator und Präsident des Lugano Global Forum nennt dieses zwar ein «Mini Davos», aber seine Idee ist es, das «grosse  Davos» der ersten Stunde wieder aufleben zu lassen und es mit der studentischen Beteiligung im St. Gallen-Symposium zu verbinden. Das ist ihm mit der Premiere nicht schlecht gelungen. Der erste Tag bot den rund 150 Teilnehmern und Teilnehmerinnen einige spritzige Diskussionen zwischen Politikern und international bekannten Journalisten, Ein- und Ausblicke in den von Trump zerstörten Welthandel sowie eine Einführung, warum Quantenphysik den Energiefresser KI in den Schatten stellen wird. 

Vaclav Klaus vs. Mario Monti

Klaus meinte in Lugano nicht den Gründer von «Davos», sondern Vaclav Klaus, ehemaliger Präsident  der Tschechischen Republik, der gegenüber der EU seit 30 Jahren international den immergleichen nationalistischen Konservatismus vertritt. Europa ist eine geographisch verbundene Anhäufung von Staaten, jeder verschieden vom nächsten, jeder will auf seine Weise souverän und damit auch autonom sein. Was ganz besonders für Osteuropa gälte, das sich ja erst eben aus dem sowjetischen Joch gelöst habe. 

Ganz anders der Italiener Romano Prodi, ehemaliger Präsident der EU-Kommission und zwei Mal Ministerpräsident Italiens, der Klaus eine radikal andere Vision Europa entgegenstellte: Das einer Schicksalsgemeinschaft, welcher durch den Lauf der Geschichte nichts anderes übrigbleibt, als immer stärker zusammenzurücken, um im globalen geopolitischen Umfeld von heute und morgen ihre Interessen, damit auch jene jedes einzelnen Mitgliedes der EU, wahrnehmen zu können. 

Er schöpft dabei aus den EU-Berichten seiner Landsleute und ihrerseits ehemaligen Premierminister und hohen EU-Verantwortlichen Mario Monti (Monti Bericht zur Vervollständigung und Liberalisierung des EU-Binnenmarktes von 2011) und Mario Draghi (Bericht Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft der EU von 2024). Prodi glaubt, dass auf einer solchen Basis weitere Schritte Richtung europäische Einigung, auch sicherheitspolitischer Natur (Ukraine) ohne weiteres möglich wäre, wenn die Mehrheit innerhalb der EU, die das will, nicht via fatale Einstimmigkeitsregel durch einzelne refraktäre Regierungen in EU-Mitgliedsländern gebremst würden. 

Entsprechend ihrer politischen Haltung war auch die Körpersprache – beide «elder statesmen», beide mit einwandfreiem Englisch, beide weit über 80 Jahre alt –, aber Klaus sprach bedächtig und musste sich bei Auf- und Abstieg vom Podium helfen lassen, der quicklebendige Prodi versprüht dagegen Energie und ungebrochene Lebenslust. 

Welthandel unter Trump

Marion Jansen, Direktorin für Welthandel in der OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) war bemüht, auf die Unumkehrbarkeit des globalen Welthandels hinzuweisen. Sie verkörpert mit ihrer Wirtschafts-Organisation aller Industrie- und einiger grossen Schwellenländer eine beruhigende Konstanz in einer handelspolitischen Gegenwart, in der die Welthandelsorganisation WTO institutionell – primär durch die Verweigerungshaltung der USA gegenüber deren Schiedsgerichtsbarkeit – weitgehend blockiert erscheint. Faszinierend auch Martin Wolf, der Chefökonom der «Financial Times» und einer der weltweit meistbeachteten Wirtschaftskommentatoren, der dem LGF-Leitmotto «Besseres Verständnis für unsere rasch wechselnden Welt» mit wenigen, aussagekräftigen Diagrammen und Kernpunkten Relief verlieh. 

Die Ausführungen von David French, Präsident des Amerikanischen Detailhändler-Verbandes (National Retail Federation) zeigten exemplarisch, auf welch schmalem Grat zwischen Vernunft und MAGA-Unvernunft sich alle Repräsentanten der USA momentan bewegen müssen. Seinem feurig vorgetragenen Plädoyer für internationale Arbeitsteilung zugunsten der Konsumenten fügte er einige hölzerne Bemerkungen an, dass «natürlich auch die gegenwärtige Zollpolitik von Trump Erfolg haben könnte». Beruhigend dann Bill Emmott, ehemaliger Chefredaktor des «Economist», der auf den letztlich relativ kleinen Anteil der USA am Welthandel hinwies – um am nächsten Tag vor den Studierenden der USI das Argument, dass offensichtlich auch autokratisch geführte Staaten wirtschaftliche Erfolge aufweisen können, am Beispiel von China brillant in der Luft zu zerreissen. «China is the past, not the future», meinte er mit Blick auf die strukturellen Wirtschaftsprobleme und die Planwirtschaft des Landes.

Das Tessin und seine Universität

Speziell in der Deutschschweiz wird unser Südkanton zu oft primär als «Sonnenstube» und Rentnerparadis angesehen. Beides ist er, aber natürlich auch viel mehr. Die am zweiten Tag als Austragungsort gewählte Università della Svizzera Italiana steht stellvertretend dafür. Vor Jahren als Universität für Architektur in Mendrisio gestartet, bietet der heutige, praktisch zweisprachig Italienisch und Englisch geführte Campus im Zentrum von Lugano Studiengänge an in den Bereichen Literatur und Kultur, Kommunikation, Wirtschaft eingeschlossen internationale Beziehungen, Informatik, Data Science, Medizin sowie Theologie und Philosophie. Dank einem Kooperationsabkommen mit der Uni Luzern kann man in Lugano auch ein klassisches Jurastudium absolvieren. 

Der angeregte Austausch zwischen Studenten und Prodi am zweiten Tag gehörte zu den Höhepunkten dieses ersten LGF. Der ehemalige Professor, eher spätberufener Politiker, blühte an der USI sichtlich auf und zeigte auch, warum sich Italien in Zeiten politischer Not für Premierminister immer wieder an europaweit anerkannte Führungspersönlichkeiten gewandt hat, wie eben er, Mario Draghi und Enrico Letta. Apropos Persönlichkeiten: Den Schreibenden hat es beeindruckt, wie effizient, aber gleichzeitg unauffällig das LGF organisiert wird. Insbesondere Alan Friedman nahm sich persönlich zurück, weil er eben, im Gegensatz zu anderen, begriffen hat, dass seine Redner und Gäste, nicht er selbst, Star einer solchen Veranstaltung sind.

Letzte Artikel

Das Jahr in Bildern

14. Dezember 2025

«... die edle Kochkunst bleibt bestehn»

Niklaus Oberholzer 14. Dezember 2025

Filmproduzent Arthur Cohn gestorben

Patrick Straumann 12. Dezember 2025

Im Bann des Generalstreiks

Thomas Fischer 11. Dezember 2025

Vor einem Berg ungelöster Probleme

Ignaz Staub 11. Dezember 2025

Luzern – Hauptstadt Europas für einen Tag

Daniel Woker 11. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Leserbrief schreiben
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.