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Ukraine-Russland

Ein Lichtblick in der Ukraine-Krise

1. Januar 2015
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Am 15. Januar wollen Poroschenko, Putin, Merkel und Hollande in der kasachischen Hauptstadt über Auswege aus dem Ukraine-Konflikt beraten. Die beste Nachricht seit Wochen zu dieser Krise.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat das für Mitte Januar in der kasachischen Kapitale anberaumte Treffen mit Putin, Merkel und Hollande kurz vor dem Jahresende angekündigt. Merkwürdigerweise ist die in Aussicht gestellte Krisenberatung auf höchster Ebene in den übrigen an dem Projekt beteiligten Hauptstädten noch nicht formell bestätigt, aber auch nicht dementiert worden.  Bekannt ist, dass Poroschenko, Putin, Merkel und Hollande schon am 22. Dezember telefonisch über die Möglichkeit einer solchen Viererkonferenz gesprochen hatten. Wenig später telefonierte die Bundeskanzlerin und Poroschenko auch mit dem kasachischen Präsidenten Nasarbajew, offenbar zur Klärung des Termins und des Treffpunktes. 

Im „Normandie-Format“

Poroschenko hatte bei seiner Ankündigung Ende Jahr noch hinzugefügt, die Gespräche in Astana würden im „Normandie-Format“ stattfinden. Diese Formulierung bezieht sich auf das Treffen der vier Politiker am 6. Juni des vergangenen Jahres anlässlich des Gedenkens an die Landung der Alliierten in Frankreich vor 70 Jahren.  Es war die erste direkte Begegnung zwischen Putin und dem damals frisch gewählten ukrainischen Präsidenten seit der Annexion der Krim durch Russland und dem von Moskau unterstützten Ausbruch separatistischer Rebellionen in der Ostukraine.  Arrangiert hatten dieses Gespräch ebenfalls die deutsche Regierungschefin und Gastgeber Hollande .

Seit jenem ad hoc zustande gekommenen Treffen ist man einer Lösung der Ukraine-Krise, die im Wesentlichen aus einem direkten territorialen Konflikt zwischen Moskau und Kiew einerseits und einer akuten Spannungsverschärfung zwischen Russland und den Westmächten andererseits besteht, kaum näher gekommen. Zwar kam im September unter der Ägide der OSZE  (damals von der Schweiz präsidiert) das Minsker Abkommen zustande, doch der darin vereinbarte Waffenstillstand zwischen ukrainischen Regierungstruppen und separatistischen Kräften in der Ostukraine ist immer wieder gebrochen worden. Auch führten die Separatisten sogenannte Wahlen in den von ihnen kontrollierten Gebieten von Donezk und Lugansk durch, ohne sich an die Konditionen der Minsker Vereinbarung zu halten. Immerhin konnte Ende Dezember ein grösserer Gefangenenaustausch durchgeführt werden.

Vertiefte Erkenntnisse?

Die Übereinkunft zu neuen direkten Verhandlungen zwischen Putin und Poroschenko Mitte Januar mit Merkel und Hollande als Vermittler und Moderatoren kann man  als ein Zeichen dafür werten, dass sich sowohl in Moskau als auch in Kiew die Bereitschaft zu Kompromisslösungen vertieft hat. Offenbar ist auf russischer und ukrainischer Seite inzwischen die Erkenntnis gewachsen, dass der anhaltende Krieg in der Ostukraine mit militärischen Mitteln nicht zu gewinnen ist – oder höchstens unter Inkaufnahme unannehmbarer Risiken.

Was die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch Russland betrifft, so ist dieser im Stil eines Husarenstreichs vollzogene Anschluss zwar als Faktum nicht gefährdet. Doch in Moskau scheint man sich eindringlicher als noch vor einigen Monaten bewusst geworden, dass ohne Ansätze zu einem irgendwie gearteten juristischen Ausgleich mit der Ukraine in dieser Frage die westlichen Wirtschaftssanktionen nicht so bald zu lockern sein werden.

Nato-Beitritt Kiews ohne Aktualität

In Kiew hat Präsident Poroschenko im Dezember einen Parlamentsbeschluss unterzeichnet, in dem der bisherige neutrale Status des Landes aufgehoben wird und ein Nato-Beitritt als langfristiges Ziel deklariert wird.  Poroschenko betonte allerdings, dass eine solche Mitgliedschaft nur in Frage komme, falls das ukrainische Volk in einem Referendum einen solchen Schritt  gutheissen würde.

Aus distanzierter Sicht mag man eine solche Absichtserklärung für politisch unklug oder jedenfalls problematisch halten. Damit, so kann man argumentieren, wird unnötigerweise der russische Bär gereizt – und die von der Kremlpropaganda mit Inbrunst verbreitete Schauermär von der angeblichen Einkreisung und Bedrohung durch das Nato-Bündnis begünstigt.  Doch andererseits: Weshalb soll ein souveränes Land nicht durch ein Referendum frei entscheiden dürfen, welchem Bündnis es angehören will?  

Was hingegen die Nato tun kann, um echte oder propagandistisch geschürte Ängste in Russland zu beruhigen: Sie könnte unmissverständliche Erklärungen zu folgenden Punkten abgeben: Erstens, ein Nato-Beitritt der Ukraine kommt nicht in Frage, solange bestehende Territorialkonflikte dieses Landes nicht gelöst sind. Zweitens, eine Aufnahme der Ukraine in die Nato ist nur durch Zustimmung sämtlicher Bündnismitglieder möglich. So wird auch bei der Frage eines möglichen Nato-Beitritts von Georgien verfahren und deshalb ist dieses Land, entgegen den Unkenrufen  von kremlfreundlichen Kommentatoren,  Georgien immer noch weit von einer Nato-Mitgliedschaft entfernt.

Putins Achillesferse

Was die Überlegungen Moskaus zum Ukraine-Konflikt betrifft, so spricht einiges dafür, dass der noch vor einem Jahr von niemandem vorausgeahnte Ölpreis- und Rubelsturz dazu motiviert, die Kosten- Nutzenrechnung seiner abenteuerlichen Ukraine-Politik neu zu überdenken.  Dies wiederum dürfte auch Putins Zustimmung zu neuen direkten Krisengesprächen mit Poroschenko, Merkel und Hollande Mitte Januar in Kasachstan beeinflusst haben.

Was immer die genauen Gründe für den rasanten Ölpreisverfall  und ebenso dramatische Entwertung des Rubels gegenüber den harten globalen Währungen sein mögen – diese überraschenden Entwicklungen engen auf jeden Fall Putins wirtschaftlichen Manövrierraum ein und sie drohen auf lange Sicht auch  sein Prestige und seine Popularität bei den breiten Volksmassen im eigenen Land zu untergraben. 

Der Abfluss in der Grössenordnung  von 120 Milliarden Dollar ins Ausland im vergangenen Jahr, den der russische Wirtschaftsminister Ulukajew Ende November in einem Gespräch mit der NZZ praktisch bestätigte, hat zweifellos mit dieser wirtschaftlichen Verunsicherung zu tun. Ulukajew hat im gleichen Gespräch auch eingeräumt, dass die westlichen Sanktionen als Folge des Ukraine-Konflikts durchaus spürbare Wirkung entfalten, vor allem was den russischen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt betrifft.

Der Pokerspieler und sein Kalkül

Putin kann diese krisenhaften Zeichen an der Wand im Innern zwar mit Hilfe seines Propaganda-Apparats eine Zeitlang durch verstärkte national-chauvinistische Aufwallungen überspielen. Doch als erfahrener machtpolitischer Pokerspieler, der er auch ist, wird er ebenso Möglichkeiten zu Reduktionen unter seinen nicht geringen Risikopositionen ins Kalkül ziehen. Eine Entschärfung des Ukraine–Konflikts und ein dadurch möglicher Abbau westlicher Wirtschaftssanktionen  könnte von Moskau aus mit verhältnismässig geringem Aufwand in die Wege geleitet werden.  

Es ist ein gutes Zeichen, dass Angela Merkel und François Hollande beim geplanten Treffen Putin-Poroschenko in der kasachischen Hauptstadt mit dabei sein werden. Wenn der ukrainische und der russische Staatschef tatsächlich bereit sind, die Hand zur Beendigung des grausamen Krieges in der Ostukraine und zu einer tragbaren Kompromisslösung in der Krim-Frage  zu bieten, so können sie dabei eine entscheidende Vermittlerfunktion übernehmen.

Ob es so kommt, ist keineswegs sicher. Aber es wäre ein Gewinn – für die Ukraine, für Russland und für das Vertrauen in die europäische Idee.

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