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Architektur

Ein Haus für die Musik im Bergland

14. August 2025
Fabrizio Brentini
Klanghaus und Säntis
Das Klanghaus in der Voralpenlandschaft des Obertoggenburgs, in Hintergrund der Säntis

Vor einer kaum mehr zu überbietenden landschaftlichen Kulisse wurde oberhalb von Unterwasser im Toggenburg das von Marcel Meili entworfene Klanghaus eröffnet. Besucherinnen und Besucher sollen zu einem umfassenden Hörerlebnis hingeführt werden.

Das Projekt geht auf die unermüdlichen Bemühungen von Peter Roth zurück. Als freischaffender Musiker und Komponist vertiefte er sich in die musikalische Vielfalt der Gegend, eine Kulturwelt, die mit dem Begriff Volksmusik nur ungenügend zusammengefasst werden kann. Der Betruf, bisweilen einsam gesungen, gehört ebenso zu diesem Schatz wie das Alphornblasen, das Talerschwingen, das Treicheln und vor allem die unzähligen Varianten des Jodelns. 

Es kann öfters vorkommen, dass in einer Gaststube abends nach getaner Arbeit ohne äusseren Anlass Einheimische einen Jodel anstimmen. Peter Roth war von Anfang an fasziniert von dieser urtümlichen Form des Singens und knüpfte Kontakte zu anderen Kulturen, welche die Möglichkeiten des Singens ausreizten. Bekannt wurden die Anlässe zwischen hiesigen Männerchören und mongolischen Gruppen, die den Obertongesang beherrschen. Doch ins Ohr dringen nicht nur mehr oder weniger wohlgeordnete Klänge, sondern auch unzählige Alltagsgeräusche, etwa Donnergrollen, Windbrausen, Wasserrauschen, Motorenlärm und vieles mehr.

Klanghaus am Vorder Schwendisee

1993 begann Peter Roth Kurse für die Sensibilisierung des Gehörs anzubieten und fand im ehemaligen Naturfreundehaus an den Schwendiseen einen geeigneten Ort für seine Workshops. Es gelang ihm schliesslich, das Gebäude zu erwerben, was sich für das Projekt Klanghaus als Glücksfall erweisen sollte. Nach und nach schuf er vier Standbeine: Nebst den Kursen eröffnete er 2003 zwischen der Sellamatt und dem Oberdorf nahe den Schwendiseen einen Klangweg mit nun insgesamt 27, von verschiedenen Klangkünstlern und -künstlerinnen entworfenen Stationen, bei denen einfache bis skurrile Installationen ungewohnte Klänge produzieren. 2004 organisierte er das erste Naturstimmenfestival, das seither zum festen Jahresprogramm zählt. Schliesslich wurde 2011 in Alt St. Johann das Erlebnishaus Klangschmiede zugänglich gemacht, in dem insbesondere das Schmieden von Schellen und anderen Klangkörpern thematisiert wird.

Spätestens 2007 reifte in ihm der Entschluss, das reichlich biedere Kurshaus durch einen Neubau zu ersetzten, der Architektur und Musik verschmelzen sollte. Er nahm mit Peter Zumthor Kontakt auf, der zusagte und einen Entwurf vorlegte. Proteste aus der Architektengilde zwangen die Projektleiter, das Vorhaben auszuschreiben, worauf Zumthor sich zurückzog. Leider wird in der sonst vorzüglichen Monografie über das Klanghaus dieses Projekt nicht präsentiert. Man hätte als Leser, als Leserin gerne erfahren, wie Zumthor diese Aufgabe bewältigen wollte. 

In dieser Phase wurde der Kanton St. Gallen einbezogen, der hier die Chance erfasste, eine Randregion speziell zu fördern. Unter seiner Ägide wurde das Projekt 2010 international ausgeschrieben, worauf sich nicht weniger als 90 Teams meldeten. Aus diesen wurden schliesslich sechs ausgewählt, welche aufgefordert wurden, auf maximal zehn A4-Seiten Thesen zu einem möglichen Entwurf zu formulieren und zu skizzieren. Man staunt über die Namensliste, u. a. mit Snøhetta, Caruso St John Architects, SANAA, und Steven Holl Architects. Offensichtlich wurde das Programm von vielen als derart attraktiv aufgefasst, dass sie unbedingt dabei sein wollten. Den Zuschlag erhielt Marcel Meili vom Büro Meili, Peter & Partner Architekten, der im Thesenpapier, das in der erwähnten Publikation faksimiliert ist, der endgültigen Lösung schon sehr nahegekommen war. Leider werden auch in diesem Falle die anderen Entwürfe im Buch nicht visualisiert.

Klanghaus Schindelwand

Bei der Ausführung wurde nach dem Tode von Meili im Jahre 2019 das Team Staufer+Hasler Architekten beigezogen, ohne dass die Grundideen angetastet wurden. Das Klanghaus erhebt sich als reines Holzgebäude am nördlichen Ufer des Vorder Schwendisees und verzahnt sich mit der Natur. Hierfür legte Meili eine Art Sechseck zugrunde mit drei Achsen, die zur alpinen Welt geöffnet sind, zum Säntismassiv, zu den Churfirsten und zum Talboden. Grosse Fensterfronten garantieren einen permanenten Blick in die Landschaft.

Zwischen diesen Stirnseiten sind konkav gebogene Schalen eingespannt, versehen mit von Hand gespaltenen Schindeln. Meili nennt sie Parabolwände, die ähnlich den Lautsprechern das Wiedergeben von Tönen, Klängen und Geräuschen insinuieren sollen. Das Dach ragt bauchig über die Wände und erinnert im Bereich des Haupteinganges an die berühmte Front der Kapelle in Ronchamp. Der Zentralraum kann teilweise mit mobilen Elementen unterschiedlich genutzt werden. 

Klanghaus innen

Im Entwurf wollte Meili in die äusserste Schicht der Wände Silhouetten von Musikinstrumenten stanzen, dies nach dem Vorbild des Konzertsaales im Ali Qapu-Palast in Ishfahan. Ausgeführt wurde ein dekoratives Muster, das den Schalllöchern des Hackbretts entlehnt ist. Hinter dieser Perforation befinden sich sogenannte Klangspiegel aus Kupfer, die das Ihre zur akustischen Optimierung beitragen sollen. Meili verstand das Haus als ein eigenständiges Instrument. Um nur ein Detail zu nennen: Auf dem Dach wurden für die Schneefänger Pfannendeckel der Firma Kuhn Rikon verwendet, die bei Regen oder Hagel als Resonanzkörper wirken sollen. 

Zur Verfügung stehen des Weiteren ein kleinerer Saal im Obergeschoss, Seminarräume und eine Küche im Erdgeschoss sowie die sanitären Anlagen im Untergeschoss. Eine skulptural modellierte Treppe mit Platten, die mit Ochsenblut bemalt sind, verbindet die drei Ebenen miteinander. Architektonisch ist das Klanghaus zweifelsohne ein Juwel. Ob es die Erwartungen der Kuratoren erfüllen kann, ist derzeit noch unklar – zu wünschen ist es ihnen allemal. Zumindest für die folgenden Jahre besteht eine Defizitgarantie.

Resonanzzentrum
Resonanzzentrum Peter Roth

Wenige Gehminuten vom Klanghaus entfernt, erhebt sich über steilem Gelände das dreigeschossige Resonanzzentrum Peter Roth, das von Graber Pulver Architekten entworfen wurde. Es ist ebenfalls ein Holzgebäude, das ein wenig an die neue Talstation der Iltiosbahn von Herzog & de Meuron erinnert. Anders als das Klanghaus besteht die Hülle aus ebenen Flächen über einer Raute mit zugeschnittenen Ecken. Ebenfalls rautenförmig ist das weit auslandende Dach, dessen Mittelachse zu einem First aufgefaltet ist. Im Zentrum ist ein kleiner Shop eingerichtet, ferner ein Konferenzraum und im Dachgeschoss eine Ausstellung mit Filmdokumenten aus dem Archiv von Peter Roth. Hierfür muss man jedoch viel Zeit investieren, um die informativen Kurzfilme zu visionieren.

Das Toggenburg war bis anhin vor allem eine Destination für Wintertouristen. Mit dem Klanghaus möchte man auch für den Sommer werben, allerdings im Sinne des sanften und nachhaltigen Tourismus. Es soll ein Ort der Begegnung mit der alpinen Kultur sein mit einem Programm, das sozusagen auf leisen Sohlen daherkommt.

Erol Doguoglu, Mirjam Fischer, Astrid Staufer (Hrsg.). Resonanzen: Klanghaus Toggenburg. Lars Müller Publishers Zürich 2025.

Alle Fotos © Fabrizio Brentini

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