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Kommentar

Ein gefährliches Trauerspiel

11. Oktober 2025 , Paris
Hans Woller
Emmanuel Macron
Verbohrt, dickköpfig: Emmanuel Macron am vergangenen Donnerstag am Quai d’Orsay in Paris (Keystone/EPA/Thomas Samson)

Frankreichs Präsident Macron ist zur Hilflosigkeit in Person geworden. Er hat tatsächlich Sébastien Lecornu, der erst am Montag nach nur 27 Tagen Amtszeit hingeschmissen hatte, gestern Abend erneut zum Premierminister ernannt. Und Lecornu hat akzeptiert. 

Man darf sich die Augen reiben, sich an den Kopf fassen und dies gleich mehrmals oder nur ungläubig staunen. Und gleichzeitig kann es einem ein wenig unwohl, ja Angst werden, angesichts der verbohrten Art und Weise, wie Staatspräsident Macron in dieser schwersten politischen Krise seit Beginn der 5. Republik agiert. Verbohrt, dickköpfig, so als würde er schlicht nicht verstehen, wie heikel, ja explosiv die Situation ist. 

Sébastien Lecornu, einen seiner engsten Weggefährten, der gerade, kaum dass er eine Regierung vorgestellt hatte, zurückgetreten war, noch einmal zum Premierminister zu ernennen, ist im Grunde schlicht ein Unding. Und dass Lecornu akzeptiert, ebenfalls. Aus Pflichtbewusstsein, sagte er, wie man das eben so sagt, wenn das Rückgrat ein wenig weich geworden ist. Als Symbol und Botschaft an die Bevölkerung ist diese Nominierung eine Katastrophe. Man steckt im Sumpf, aber man macht einfach weiter. 

Sébastien Lecornu
Sébastien Lecornu (Keytone/AP/Stephane Mahe)

Gleichzeitig wirkt diese schwer verständliche Ernennung so, als wolle in diesem Land angesichts der chaotischen Lage schlicht niemand mehr den Posten des Regierungschefs übernehmen. 

Emmanuel Macron es nun schon ein viertes Mal geschafft, sich nicht daran zu erinnern, dass er 2022 nur dank Millionen Stimmen von linken Wählern wiedergewählt wurde und dass er und seine Partei, die im Grunde keine ist, die von ihm ausgelösten Parlamentswahlen im Juli 2024 krachend verloren haben und die damals vereinte Linke die meisten Stimmen in der Nationalversammlung erobert hatte. 

Doch Frankreichs Präsident hat gestern noch einmal so getan, als wäre allein der Gedanke, einen Premierminister aus der linken Mitte zu ernennen, völlig abwegig, unvorstellbar, ja unappetitlich. Nein, dann doch lieber nochmal den alten Spezi Lecornu. 

Ob sich im Élyséepalast noch jemand bewusst ist, wie diese Art des Handelns bei der Bevölkerung ankommt? Ob man den berühmten Menschen von der Strasse noch erklären kann, was man da tut? Dass angesichts dessen dieser Tage immer häufiger das Wort «Zirkus» fällt, müsste zu denken geben. 

Die beunruhigten Französinnen und Franzosen können sich mittlerweile sogar auf Macrons ehemaligen Premierminister, Gabriel Attal, stützen, der vor einigen Tagen sagte: «Ich verstehe die Entscheidungen des Präsidenten einfach nicht mehr.» 

Die Entscheidung eines Präsidenten, der inzwischen von fast allen verlassen wurde und einsam in seinem Palast sitzt, wie keiner seiner Vorgänger, und der angesichts seiner Politik seit 2022 und seiner Wiederwahl die Hauptverantwortung für diesen chaotischen Zustand der französischen Politik trägt. 

Alain Minc, Unternehmer, Essayist und seit Jahrzehnten Berater von allen Präsidenten, ob links oder rechts, drehte gestern im Fernsehen und in einer Zeitung das Messer noch einmal in der Wunde herum: «Macron ist der schlimmste Präsident der 5. Republik. Er ist nicht verrückt, aber er ist narzisstisch.» 

Macrons gestrige Entscheidung, Lecornu noch einmal mit einer Regierungsbildung zu beauftragen, hat so gut wie keine Aussicht auf Erfolg. Die extreme Rechte von Le Pen und die Linkspartei von Mélenchon sowie die Grünen haben umgehend angekündigt, dass sie der kommenden Regierung das Misstrauen aussprechen werden; bei den Sozialisten klingt das kaum anders.

Der «pflichtbewusste» Lecornu, zum zweiten Mal in seinem Leben und in kürzester Zeit Premierminister, betonte am Abend, er werde keinen Minister ernennen, der Ambitionen auf das Präsidentenamt 2027 habe, und er wolle auf jeden Fall dafür sorgen, dass Frankreich bis zum Jahresende einen Haushalt vorlegen kann. Wie das gelingen soll, steht in den Sternen. 

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