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«Unsere kleine Botschaft»

Diplomatie als Seifenoper

6. November 2025
Tim Guldimann
Tim Guldimann
Unsere kleine Botschaft
Bild: SRF

Ex-Botschafter Tim Guldimann über die neue SRF-Sitcom

Die Diplomatie ist als Filmstoff in Mode gekommen: Während die Netflix-Serie «The Diplomat» aus der Geschichte einer US-Botschafterin, die internationale Krisen löst, einen politischen Thriller strickt und sich «The Deal» von SRF an den wahren Begebenheiten orientiert, parodiert das Schweizer Fernsehen mit seiner sechsteiligen Serie «Unsere kleine Botschaft» das Genre. Die Diplomatie als Seifenoper.

Wir befinden uns in einem fiktiven Land in Lateinamerika, einer «Bananenrepublik», so die Sicht der derb fluchenden Botschafterin auf ihr Gastland. Um sich an ihrem Ex zu rächen, der ihre Geschenke auf eBay verhökert, bietet sie dessen Liebesgeschenk im Netz zum Verkauf an: einen polyvalenten Elfenbeinpenis, auf dem sich Mozarts Zauberflöte intonieren lässt. Doch aufgrund der prekären IT-Kenntnisse der Diplomatin landet das Prachtstück nicht auf eBay, sondern auf ihrem Botschaftsaccount. In Panik befiehlt sie der Praktikantin, den unvermeidlichen Shitstorm sofort zum Stoppen zu bringen. Diese biegt die Aktion kurzerhand zur Aufklärungskampagne der Botschaft für Artenschutz und gegen verbotenen Souvenirhandel um.

Im Kern dreht sich die Serie, mit viel Hektik und Klamauk, um ein abenteuerliches Eisenbahnprojekt der Schweizer Entwicklungshilfe: «El Tren Helvetica». Doch plötzlich taucht zur Vertragsabschluss-Zeremonie besagter Ex-Mann auf – nun als Bundesrat und Aussenminister, der den Vertrag selbst unterschreiben will. Frau Botschafterin sperrt ihn kurzerhand in ihrem Büro ein. Er kann sich befreien, fällt wie ein Kartoffelsack vom Balkon und boxt sich im letzten Moment zum Rednerpult durch. Dann bringt eine verbale Entgleisung seiner improvisierten Rede die Wende, die Frau Botschafterin unterschreibt.

«Unsere kleine Botschaft» liefert einiges: Seitenhiebe gegen neokoloniale Überheblichkeit, Einblicke in Machogehabe gegenüber Kolleginnen, peinliche Paragrafengläubigkeit und blankes Karrierestreben. Schliesslich sind es – ziemlich realitätsnah – die Qualitäten subalterner Frauen, die dem ausufernden Chaos in der kleinen Botschaft Einhalt gebieten; die Würde der Diplomatie wird zum Schluss nur noch von der langjährigen Lokalangestellten hochgehalten. Der Schwank ist unterhaltsam, aber nur zu später Stunde. Fördert die teils humorige, teils langatmige Serie das Verständnis für diplomatische Arbeit? Kaum. Aber das muss ja nicht der Anspruch sein.

Tim Guldimann war Schweizer Botschafter in Teheran und Berlin. Heute betreibt er den Podcast «Debatte zu Dritt». «Unsere kleine Botschaft» läuft ab 31. Oktober auf Play SRF.

Der Artikel erschien zuerst in der Schweiz-Ausgabe der ZEIT Nr. 46/2025 vom 29. Oktober.

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