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Griechenland

Die zweite Bankrotterklärung

9. Mai 2012
René Zeyer
Das logische Resultat der griechischen Wahlen: Das Land ist unregierbar. Nach der zu lange aufgeschobenen wirtschaftlichen Pleite nun der Bankrott der Demokratie. Was folgen wird, liegt auf der Hand.

Der griechische Staat war und ist pleite. Das wäre eigentlich eine Randnotiz der europäischen Geschichte. Und nichts Aussergewöhnliches. Griechenland war seit seiner Gründung als Nationalstaat in der heutigen Form im Jahre 1832 häufiger und länger bankrott als solvent, ja wurde aus einem Bankrott heraus gegründet. Nur die ungeheuerliche Unfähigkeit der Eurokraten machte daraus einen Flächenbrand, der selbst den Euro in seinen Grundfesten erschüttert und ihn schon vor Jahren als das entlarvte, was er immer war: eine Fehlkonstruktion, eine Missgeburt. Soweit nichts Neues unter der hellenischen Sonne.

Verblendung

Wer aus ideologischen Gründen (oder aus reiner Unfähigkeit) die Augen vor trivialen ökonomischen Grundgesetzen verschliesst, richtet nicht nur ein wirtschaftliches Desaster an. Sondern auch ein politisches. Wenn ein Gemeinwesen über längere Zeit auf unbezahlbaren Schulden sitzt und auf Pump lebt, dann wird es unregierbar. Eine weitere triviale Erkenntnis, die nur für verblendete Eurokraten mal wieder «unvorhersehbar» ist. Keine Partei, die nicht Selbstmord begehen möchte, kann potenzielle Wähler damit gewinnen, dass sie ihnen schmerzliche Einschnitte, den Verlust von Spareinlagen und Rentenversprechen anbietet. Dazu eine deutliche Absenkung des auf Pump erlangten Lebensstandards und die Aufgabe einer lächerlich überhöhten Kaufkraft einer Fremdwährung, deren Beibehaltung einzig und alleine die wirtschaftliche Agonie verlängert.

Oberflächliche Demokratie

Obwohl Griechenland gerne als die Wiege der Demokratie apostrophiert wird, existiert eine solche erst seit 1974, nach dem Zusammenbruch des Obristen-Regimes. Aber auch nur in rudimentärer Form; bis zu den jüngsten Wahlen wechselten sich die ewig gleichen zwei Parteien an der Macht ab, die in Form von Familienclans organisiert sind und mit korrupter Vetternwirtschaft die Pfründe verteilten. Als durch den herbeigeschummelten Eintritt in die Eurozone die Subventionen üppig zu fliessen begannen, bekamen davon auch breitere Bevölkerungskreise etwas ab, wobei grössste Teile der Gelder ohne Wertschöpfung verpulvert wurden. Griechenland verfügt bis heute über keine nennenswerte Industrie, die sich oberhalb einer Konkurrenz durch Asien auf dem Weltmarkt behaupten könnte. Und die Stücklohnkosten bewegen sich dank Euro auf einem Niveau, das jede Wettbewerbsfähigkeit ausschliesst. Griechenland verfügt bis heute nicht über ein funktionierendes Staatswesen, das Steuereinnahmen ordentlich organisieren oder –ausgaben kontrollieren kann.

Absehbare Konsequenzen

Die Erkenntnis, dass Griechenland niemals ohne weiteren Staatsbankrott aus dem aktuellen wirtschaftlichen Elend herauskommt, ist ausserhalb von Brüssel längst trivial. Inzwischen bewahrheitet sich die hier schon vor mehr als einem Jahr geäusserte Prognose, dass solche wirtschaftlichen Desaster innerhalb eines demokratischen Systems nicht lösbar sind. Niemand kann es dem griechischen Wähler verargen, dass er seine Stimme Irrlichtern und Schaumschlägern gibt, die das Blaue vom Himmel versprechen. Neuverhandlung der Schuldenvereinbarungen, Beibehaltung des Euro, gleichzeitig Wachstum, Beibehaltung des Lebensstandards und höchstens marginale Einschnitte bei Sparguthaben und Renten. Alles zu gut, um wahr zu sein. Deshalb ist es natürlich nicht wahr. Aber nur so können Wahlen gewonnen werden, auch wenn diese Versprechungen reine Märchen- und Lügengebäude sind. Also folgt als absehbare Konsequenz nach dem Wirtschaftsbankrott der Bankrott der Demokratie.

Politisches Einmaleins

Wenn aus den geschilderten Gründen eine demokratisch oder mehrheitlich legitimierte Regierung nicht in der Lage ist, nötige Entscheidungen gegen die Mehrheit der Wähler zu treffen, dann droht eine nicht demokratisch legitimierte Regierung. Tertium non datur, wie der Lateiner sagt, etwas Drittes gibt es nicht, und das gilt auch in Griechenland. Die reine Logik, nicht etwa persönliche Vorlieben des Autors, gebietet diesen Schluss. Der Rückfall in eine Diktatur birgt natürlich alle bekannten Gefahren. Willkür, persönliche Bereicherung, Unfähigkeit der herrschenden Clique, Kontrollverlust, Bürgerkrieg, Chaos. Da aber in der Realität frommes Wünschen, Denkverbote und das dümmliche Prinzip «alles, nur das nicht» nichts nützen, muss diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Erste Vorteile

Wenn man sich wenigstens einig ist, dass eine Fortsetzung der aktuellen Unregierbarkeit Griechenlands, vergebliche Versuche einer Regierungsbildung, Neuwahlen, die naheliegende Weigerung mindestens des IMF, im Juni die nächste Kredittranche freizugeben, die Griechenland zur Fortsetzung der Agonie braucht, auch keine berauschende Alternative ist, spricht doch einiges für die Variante Diktatur. Sie hätte zudem einen ersten, ganz nützlichen Vorteil: Damit würde Griechenland sofort aus der EU und dem Euro rausgeschmissen, was zumindest ein Schritt in die richtige Richtung wäre. Im schlimmsten Fall würde so der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben. Aber eine Fortsetzung des aktuellen Desasters kann den Griechen nicht mal ihr schlimmster Feind wünschen.

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