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Syrien

Die UNO bleibt am Ball

12. Februar 2012 , Genf
Pierre Simonitsch
Am Montag wird sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen erneut mit Syrien beschäftigen. Saudi-Arabien hat einen Resolutionsentwurf unterbreitet. Er deckt sich weitgehend mit dem Text, der im Sicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas scheiterte.

Im Unterschied zum Sicherheitsrat kennt die Vollversammlung der 193 UNO-Mitglieder kein Vetorecht. Die Annahme der Syrien-Resolution ist daher ungefährdet. Allerdings sind die Entschliessungen der Generalversammlung nicht rechtsverbindlich, sondern nur politische und moralische Druckmittel. Sogar die Russen und die Chinesen könnten sich ohne Risiko einem Konsens anschliessen.

Das Veto Russlands und Chinas gegen eine Verurteilung des syrischen Regimes durch den Weltsicherheitsrat und die Androhung nicht näher spezifizierter Massnahmen hat in den westlichen Medien eine Welle der Empörung hervorgerufen. Das höchste Organ der UNO, das für den Frieden und die internationale Sicherheit verantwortlich ist, habe damit endgültig seine Glaubwürdigkeit verloren, urteilen viele Leitartikler.

Man möchte sich dieser Empörung gern anschliessen, wenn sie nicht auf einer Doppelmoral und einem kurzen Gedächtnis beruhen würde.

Dazu einige Zahlen: Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor mehr als 20 Jahren hat der Nachfolgestaat Russland siebenmal eine Resolution des Sicherheitsrats durch sein Veto blockiert. China legte sechsmal sein Veto ein.

Die USA hingegen machten im gleichen Zeitraum 17 Male von ihrem Vetorecht Gebrauch, ohne dass deswegen die Glaubwürdigkeit der UNO angezweifelt wurde. In den meisten Fällen ging es Washington darum, eine Verurteilung Israels wegen der Ausweitung der illegalen jüdischen Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten zu verhindern.

Vergessen ist auch, dass erst vergangenes Jahr saudi-arabische Truppen mit Billigung der USA eine Protestbewegung im Nachbarstaat Bahrain niederschlugen. Bahrains Bevölkerung besteht zu drei Vierteln aus Schiiten, während das Herrscherhaus sunnitisch ist. Die Demonstrationen gegen die traditionelle Monarchie des Emirs Hamad bin Issa al-Khalifa waren vom "arabischen Frühling" inspiriert. Das war in diesem Falle ungut, denn Bahrain ist der wichtigste Stützpunkt der Fünften US-Flotte im Persischen Golf.

Wie die Russen und Chinesen stellen auch die Amerikaner ihre globalstrategischen Interessen über die hehren Ideale der Demokratie und der Menschenrechte. Mit dieser Feststellung sollen keinesfalls das brutale Vorgehen des syrischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung und die unrühmliche Rolle Moskaus relativiert werden. Bei der Suche nach einem dauerhaften und gerechten Frieden sind aber weder Ein- noch Blauäugigkeit dienlich.

Wie soll es jetzt weitergehen? UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon schlägt die Entsendung einer gemeinsamen Mission der UNO und der Arabischen Liga nach Syrien vor. In den Kulissen wird über die Einrichtung von "Sicherheitszonen" und "humanitären Korridoren" beraten. Die arabischen Staaten wollen diesen Sonntag über die Vorschläge verhandeln.

Diese müssten aber das russische und chinesische Veto im Sicherheitsrat umschiffen. US-Aussenministerin Hillary Clinton und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy versuchen einen Klub der „Freunde der Demokratie in Syrien“ zu gründen, der die syrischen Aufständischen unterstützen soll. Das erinnert stark an die westliche „Kontaktgruppe“ im Libyenkrieg. Das russische Aussenministerium hat die Initiative bereits als „illegal“ zurückgewiesen.

Eine offene Militärintervention steht derzeit (noch) nicht auf dem Programm. Hingegen trommeln die üblichen Kriegstreiber für Waffenlieferungen an die Aufständischen, insbesondere an die aus Deserteuren zusammengesetzte „Freie Armee Syriens“. Man weiss zwar wenig über die Stärke und Führungsstruktur dieser Truppe, aber US-Senator Joe Lieberman wartete vor einer Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz bereits mit einem Plan auf: Die Rebellen sollten „auf verschiedene Weise unterstützt werden“, sagte Lieberman, unter anderem durch indirekte Waffenlieferungen über arabische Staaten wie das Emirat Katar, das sich schon im Libyenkonflikt nützlich machte.

Lieberman schwieg sich darüber aus, wie solche Waffentransporte an die „Freie Armee Syriens“ logistisch bewerkstelligt werden sollen. Der parteilose Senator (er wurde von den Demokraten ausgeschlossen) ist ein Lobbyist der Rüstungsindustrie des US-Staates Connecticut. Er gehörte schon zu den Einpeitschern des Irakkriegs. Neben ihm werben die üblichen Scharfmacher aus dem ultrakonservativen Lager für ein hartes Durchgreifen in Syrien. Präsident Barack Obama ist gegenüber diesen Tönen bisher taub geblieben.

Jetzt hat man den eigentlichen Bösewicht des Syrienkonflikts in Teheran geortet. In einem Beitrag für die International Herald Tribune schreibt der frühere Mossad-Chef Efraim Halevy: „Für Israel liegt die Kernfrage nicht darin, ob Assad fällt, sondern ob die iranische Präsenz in Syrien seine Regierung überlebt.“ Halevy nannte Syrien „die Achillesferse des Irans“. Um den Iran auf diesem verwundbaren Punkt anzugreifen, sollten sich die USA mit Moskau verbünden und Russland den weiteren Zugang zu den syrischen Häfen von Tartus und Latakia garantieren.

Das klingt nach imperialistischer Aufteilung der Welt zwischen den Grossmächten. Ausserdem darf Halevys Behauptung einer „iranischen Hegemonie über Syrien“ angezweifelt werden. Bewiesen ist, dass die schiitische Hezbollah im Libanon vom Iran mit Waffen und Geld versorgt wird. Hängt aber auch das Assad-Regime in Damaskus von iranischen Waffen und Militärberatern ab? Sicherlich nicht. Schon ein Blick auf die Landkarte lässt erkennen, dass Syrien und der Iran keine gemeinsame Grenze haben. Eine Verschiffung schweren Kriegsgeräts durch das Rote Meer und den Suezkanal an Israels Küste vorbei bliebe nicht unentdeckt. Der grosse Waffenlieferant Syriens bleibt Russland. Die Achse Teheran-Damaskus ist vor allem ein politisches Zweckbündnis.

Dass die Tage des Assad-Regimes gezählt sind, steht wohl fest. Es geht jetzt darum, einen möglichst gewaltlosen Wandel zu fördern. Angesichts der ethnischen und religiösen Vielfalt der 20 Millionen Syrer wird es schwierig sein, eine breite Plattform zu finden. Den Gordischen Knoten mit dem Schwert durchschlagen zu wollen, darf aber keine Option werden.

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