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Kommentar 21

Die Uno am Ende ihrer Kraft?

25. September 2025
Urs Meier
Trump Uno-Generalversammlung
Präsident Trump spricht am 23. September 2025 in New York zur Uno-Generalversammlung. (Keystone/AP Photo, Angelina Katsanis)

Der amerikanische Präsident hat in der Jubiläums-Generalversammlung der Uno eine Rede gehalten, die wohl seine endgültige Abkehr von der Weltgemeinschaft markiert. Trumps Uno-Rede könnte einen Wendepunkt in der Geschichte der Organisation bedeuten.

Demnächst, genauer am 24. Oktober, wird es achtzig Jahre her sein, dass die Uno gegründet wurde. Sie entstand als Antwort auf die schreckliche Erfahrung des Zweiten Weltkriegs mit dem klaren Ziel, künftige Kriege zu verhindern. Mittlerweile ist sie ein breitgefächertes Konglomerat von Abkommen und Organisationen der Weltgemeinschaft. Die Uno hat Not gelindert und Konflikte moderiert, das Verständnis von Völkerrecht und Menschenrechten vorangebracht, die Wertschätzung kulturellen Erbes gefördert und so einiges mehr. Für das Engagement ihrer Blauhelme im Peace-Keeping haben die Vereinten Nationen 2001 den Friedens-Nobelpreis erhalten. 

Aber die Uno versagt notorisch bei ihrem Hauptzweck, Kriege zu verhindern. Obschon ihr Sicherheitsrat die Macht hat, für alle Uno-Mitglieder verbindliche Beschlüsse zu fassen und diesen notfalls mit Sanktionen Nachachtung zu verschaffen, ist dieses stärkste Instrument der Staatengemeinschaft durch die Vetomächte immer wieder blockiert. So auch aktuell im Ukrainekrieg und im Nahen Osten.

Im Wissen um diese zwiespältige Erfolgsbilanz der Weltorganisation setzen zahllose Menschen dennoch grosse Hoffnungen auf die Uno. Die einen tun es, weil sie politisch oder diplomatisch mit ihr befasst oder direkt für die Uno tätig sind. Aus dieser Gruppe ertönt oft der seltsam wirklichkeitsferne Diplomaten-Sprech, der unerschütterlich die Litaneien von Dialog, Verständigung und Kooperation repetiert. 

Ungleich gewichtiger als diese professionellen Botschafter der Uno-Idee sind die in vielen Teilen der Welt tätigen zivilgesellschaftlichen Formationen, die sich für Menschenrechte und Solidarität einsetzen und ihr Engagement auf die Uno-Programmatik stützen. Und zweifellos bilden solche Idealisten auch den tragenden Kern praktisch tätiger Uno-Teams in den zahlreichen Einsatzgebieten. Sie verwirklichen mit persönlichem Einsatz das, wofür die Weltorganisation steht, und diese wiederum bildet mit ihrer starken Programmatik und Symbolik einen Anker der Motivation und eine Quelle der Kraft für die vor Ort Engagierten.

Die Identifikation mit den Zielen der Uno ist für viele Menschen nach wie vor keine Frage. Menschenrechte, Frieden, Gerechtigkeit und in jüngerer Zeit auch Klimaschutz sind als globale Aufgaben für sie unstrittig. Und wer sonst als die Uno sollte in der Lage sein, sich dieser epochalen Themen anzunehmen?

Doch der offenkundige Zwiespalt von Erfolgen im Einzelfall und Versagen beim Hauptziel droht diese Identifikation mit der Uno, dieses Grundzutrauen in ihre Eignung und Befähigung zur Erfüllung der gewaltigen Aufgaben zu untergraben. Das Schlimmste dabei ist nicht einmal so sehr die lange Liste von Negativposten in der Uno-Bilanz. Was die Organisation am meisten belastet, ist die augenscheinliche Unmöglichkeit einer Reform, welche die Dauerblockierung aufheben könnte. 

Von den fünf mit Vetomacht ausgestatteten Ständigen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrats – USA, China, Russland, Frankreich, Grossbritannien – werden auf jeden Fall die ersten drei niemals auf ihr Privileg verzichten. Und somit fehlt das entscheidende Element, um die Uno weltpolitisch handlungsfähig zu machen. Eine derart gestärkte globale Organisation, die selbst Weltmächte zur Ordnung rufen könnte, ist eine Utopie – und wird es bleiben.

Das hat man natürlich schon bei der Gründung der Uno am 24. Oktober 1945 gewusst. Trotzdem hielt man sie für notwendig und nützlich. In ihrer seitherigen Entwicklung vermochte die Uno in diesem Feld zwischen Utopie und Realpolitik einen Platz zu besetzen und sich fallweise auch nützlich zu machen. Ohne Utopie, ohne die motivierende Programmatik und zur Identifikation einladende Symbolik wäre das nicht gelungen.

Wenn nun der amerikanische Präsident vor der Uno-Generalversammlung eine Stunde lang sich selber preist und die Weltorganisation lächerlich macht, untergräbt er ganz bewusst die Basis, auf der diese aufbaut. Mit seiner Verachtung für die Uno ist er zwar nicht allein; er spricht nur deutlicher und ungehobelter aus, was andere Machthaber ebenfalls denken. Was aber die Distanzierung der USA dramatischer macht als etwa diejenige Russlands (das darin der sowjetischen Tradition folgt), ist der Umstand, dass Trump jetzt einen Traditionsbruch vollzieht. Die USA hatten zwar beileibe nicht immer im Sinne von Uno-Charta und Menschenrechtserklärung gehandelt, aber sie hatten diese nie grundsätzlich in Frage gestellt. So hatten sie dazu beigetragen, dass die Uno in dem breiten Feld zwischen Realpolitik und Utopie ihren Platz finden konnte. Das wird nach Trumps Rede schwieriger werden. Im schlimmsten Fall büsst die Uno die Kraft ein, Menschen zur Identifikation mit ihren Zielen zu bewegen.

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