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Naher Osten

Die sunnitische Offensivpolitik Riads

4. April 2012
Arnold Hottinger
Was sich gegenwärtig zwischen den arabischen Staaten Irak einerseits und Qatar mit Saudi Arabien andrerseits abspielt, ist ein gutes Beispiel dafür, wie und auf welchen Wegen der Krieg in Syrien die politische Normalität in der arabischen Welt bedroht.

In Bagdad ist soeben das erste Gipfel Treffen der Arabischen Liga zu Ende gegangen, das seit vielen Jahren in der irakischen Hauptstadt durchgeführt wurde. Die irakische Regierung hatte über 500 Millionen Dollar ausgegeben, um mit diesem Treffen die Rückkehr des Irak in den arabischen Staatenbund anzuzeigen und im gleichen Zuge die Wiedererstarkung und Unabhängigkeit der irakischen Nation zu unterstreichen.

Wenige Staatschefs in Baghdad

Doch der Gipfel erwies sich als eine Enttäuschung. Nur Kuwait und sieben andere arabische Staaten wurden durch ihre Präsidenten oder Regierungschefs vertreten. Die anderen 14 Regierungen blieben fern oder entsandten untergeordnete Persönlichkeiten. Saudi Arabien und alle anderen Golfstaaten, ausser dem Nachbarstaat Kuwait, gehörten zu jenen, deren Chefs sich vertreten liessen.

Syrien war das Hauptthema des Gipfels gewesen. Doch es erwies sich, dass die arabische Staatenwelt in Bezug auf Syrien gespalten war und blieb. Nur nichtssagende Resolutionen wurden verabschiedet. Die Syrienfrage wurde einfach in die Hände der Uno gelegt.

Saudi Arabien misstraut der schiitisch dominierten Regierung von Bagdad. An dieser Tatsache konnte der Gipfel nichts ändern. Für Riad und in geringerem Masse wohl für alle Golfstaaten ist ein schiitisch regierter Irak eine Art von verlängertem Arm Irans. Und Iran gilt ihnen als grosse Bedrohung für sich selbst und für die gesamte sunnitisch-arabische Welt.

Ein Vizepräsident beschuldigt des Terrorismus

Kurz nach dem Gipfel wurde bekannt, dass der Vizepräsident Tarik al-Hashemi, einer der wichtigsten sunnitischen Politiker des Irak, auf einige Tage Qatar einen Staatsbesuch abstatte. Dies war eine Sensation, weil al-Hashemi von seiner eigenen Regierung angeklagt wird, er habe den sunnitischen Terrorismus im Irak heimlich gefördert. Der Vizepräsident sah sich im vergangenen Dezember gezwungen, ins autonome kurdische Gebiet zu fliehen und dort die Gastfreundschaft des (kurdischen) Präsidenten des Irak, Jalal Talabanis, zu beanspruchen. Seine Leibwache war in Badad gefangen genommen worden und habe, nach den Aussagen des Regierungschefs Maleki und nach nach entsprechend inszenierten Auftirtten im Fernsehen, die Beteiligung  Hashemis am Terrorismus "gestanden".

Einer der Leibwächter ist im März im Gefängnis gestorben, "an Nierenversagen" sagt die Regierung. Hashemi erklärte, seine Leibwächter seien gefoltert worden und forderte von Kurdistan aus eine internationale Untersuchung der behaupteten Folterungen. Doch in Bagdad erklärte eine Kommission von 20 Richtern, Hashemi sei verantwortlich für Hunderte von Todesopfern durch Bombenanschläge.

Bagdad verlangte von den kurdischen Behörden die Auslieferung Hashemis, doch diese begnügten sich damit, für eine Versöhnung zwischen dem Regierungschef und dem sunnitischen Vizepräsidenten einzutreten.

Kritik Bagdads an Qatar und Saudi Arabien

Maleki hat auf den "Staatsbesuch"  seines des Terrorismus beschuldigten  Vizepräsidenten reagiert, indem er an einer Pressekonferenz erklärte, der Irak sei gegen die Bewaffnung der syrischen Aufständischen und gegen einen Sturz der Regierung von Damaskus, "weil dies zu einer noch grösseren Krise in der Region führen wird". Er fügte hinzu, "jene zwei Staaten" - gemeint waren Qatar und Saudi Arabien - verhielten sich "sehr seltsam.

Sie wollen mehr Waffen senden, statt sich anzustrengen, das Feuer zu löschen. Sie werden unsere Stimme zu hören bekommen, die klar macht, dass wir gegen Bewaffnung und gegen fremde Eingriffe sind." Er sagte auch: "Die Länder welche sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischen, werden sich überall in die inneren Angelegenheiten einmischen. Das Regime Asads ist nicht gestürzt und wird nicht stürzen; warum sollte es stürzen?"

Herausforderung aus Qatar

 Der Emir von Qatar hatte seinerseits erklärt:"Die schwache Vertretung der Staaten des Golf Entwicklungsrates ist eine Warnung an die Regierung des Iraks. Sie vernachlässigt gewisse Teile der Bevölkerung bei der Regierungsbildung." Die Antwort aus Bagdad erteilte der schiitische Vizepräsident des Landes Hussein al-Sharistani, indem er entgegnete: "Jene Staaten sollten sich lieber um ihre eigenen Menschenrechte kümmern und um die Forderungen demokratischer Rechte ihrer eigenen Bevölkerung als andere abzuurteilen."

"Staatsbesuch" des angeklagten Vizepräsidenten

Qatar liess verlauten, al-Hashemi sei zu einem offiziellen Besuch in Qatar eingetroffen, der einige Tage dauern werde. Ein Staatsminister aus dem Herrscherhause habe ihn am Flughafen empfangen. Das Bureau al-Hashemis ergänzte aus Kurdistan: al-Hashemi werde vom Emir Qatars und vom  Ministerpräsidenten empfangen werden und dann weiter reisen. Am Ende seiner Reise werde er nach Kurdistan zurückehren.

 Ob dies geschehen wird, oder ob er in Saudi Arabien verbleiben wird, ist noch abzuwarten. Deutlich ist, dass die beiden Staaten die oben erwähnte "Warnung" an die Regierung von Bagdad dadurch verstärken wollen, dass sie nicht nur an der Gipfelversammlung ein Zeichen setzten sondern gleich auch noch mit dem von Bagdad als Terroristen verklagten sunnitischen Vizepräsidenten und Hauptpolitiker Verbindung aufnahmen. Was Bagdad nur als eine Einmischung in seine Angelegenheiten und eine Drohgeste von Seiten der beiden Staaten ansehen kann.

Riad auf Konfrontationskurs

All dies geschieht im Namen einer sunnitisch-arabischen Achse, als deren Vorkämpfer Saudi Arabien zu wirken gedenkt und die gegen eine vermutete "schiitisch-pro-iranische" Achse antreten soll. Das Machtringen zwischen den beiden Formationen spielt sich zur Zeit primär in Syrien ab, doch die Saudis und Qataris denken offensichtlich daran, es auch auf den Irak auszudehnen. Eine vergleichbare Konfrontation spielt sich auch in Bahrain ab, und in saudischen Augen ist auch der sogenannte Huthi Krieg in Nordjemen bedingt oder mindestens mitverursacht durch iranisch-schiitische Einmischung.

Im Irak gab es zwischen 2005 und 2007 ein blutiges Ringen zwischen Sunniten und Schiiten unter den Augen der amerikanischen Besetzungsmacht. Die Schiiten sollten es schliesslich weitgehend gewinnen. Doch die allzu schwere Hand des Regierungschefs Maleki und die immer noch grosse Bitterkeit der sich übergangen fühlenden Sunniten haben gegenwärtig dazu geführt, dass die Bombenanschläge der sunnitischen "Terroristen", die sich meist gegen Schiiten richten, in Bagdad und ausserhalb der Hauptstadt wieder zunehmen.

 Saudi Arabien rechnet sich Chancen aus, nicht nur den Alawiten und Verbündeten Irans, Asad in Syrien, zu Fall zu bringen, sondern auch Maleki im Irak entweder zu einer ausgewogeneren Politik gegenüber den irakischen Sunniten zu bewegen oder aber auch sein Regime zu erschüttern und möglicherweise durch ein sunnitisches zu ersetzen.

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