Der Ostflügel des Weissen Hauses ist bereits abgerissen. Ohne Abklärung von dessen Schutzwürdigkeit und ohne formelle Genehmigung des geplanten Neubaus hat Trump schon mal Tatsachen geschaffen. Entstehen soll der schönste Ballsaal der Welt. Was denn sonst?
Wer von den Architektur-Standards einer ETH ausgeht, kann in Bezug auf die Innenausstattung des geplanten Ballsaals nicht anders als angewidert sein ob soviel Kitsch. Aber aufgepasst: Der von Trump gewünschte Stil mit viel Gold, Dekor und Kristalllüstern ist vielleicht häufiger anzutreffen als angenommen. Wirft man via Internet einen Blick in Wohnungseinrichtungen von Prominenten, begegnet einem oft genau diese ästhetische Welt. Und selbst in biederen Schweizer Behausungen kann man über Vorlieben für Firlefanz in Stube und Garten staunen. Hätten die Besitzer die nötigen Finanzen, wären ihre Traumhäuser nach triumphalistischen Vorbildern inszeniert wie Trumps Anwesen in Mar-a-Lago.
Die gleichen innenarchitektonischen Muster zeigen nun auch die Entwürfe für den Ballsaal des Weissen Hauses. Wichtig für Trump ist allein schon dessen Grösse: Mit fast 8’400 Quadratmetern nimmt der Neubau die Fläche von eineinviertel Fussballfeldern ein. Das ist für die Vorgabe von tausend Gästen überaus reichlich dimensioniert. Die auf der Website des Weissen Hauses veröffentlichten Entwürfe zeigen einen Saal mit Kassettendecke, grossen Kronleuchtern und korinthischen Säulen – vergoldet wie der Festsaal auf Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida.
Trump steckt viel Energie in die Umgestaltung des Regierungssitzes. So liess er den Rosengarten pflästern, damit die Damen mit ihren High Heels nicht mehr im Rasen versinken. Weiter pflanzte er «die besten Fahnenmasten der Welt» vor das Haus. Das Oval Office versinkt im Golddekor und ist kaum wiederzuerkennen. Und kürzlich veröffentlichte er Fotos des renovierten Lincoln-Badezimmers, das in Marmor und Gold erstrahlt – was bei den von seiner Kürzung der Nahrungsmittelhilfe betroffenen Amerikaner nicht eben gut ankommt.
Architektur von Potentaten
Potentaten und gekrönte Häupter neigen vielfach dazu, ihre Bedeutung mit Gebäuden zu unterstreichen, die auf schrille Repräsentation ausgerichtet sind. Man denke an das megalomanische Monster «Haus des Volkes» in Bukarest, für dessen Errichtung nach 1984 der rumänische Diktator Nicolae Ceaucescu ganze Quartiere niederreissen liess. So betrachtet ist der Abbruch des Ostflügels des Weissen Hauses geradezu ein Klacks.
Auch Recep Tayyip Erdoğan liess sich einen ansehnlichen Amtssitz errichten. Der Präsidentenpalast in Ankara steht auf einer Grundfläche von 40’000 Quadratmetern und zählt über tausend Räume. Mit seinem neo-osmanischen Erscheinungsbild spiegelt er den autokratischen Habitus des türkischen Machthabers.
Vorerst geheim gehalten, wurde dank eines Dokumentarfilmes von Alexei Nawalny die protzige Anlage am Kap Idokopas (Schwarzes Meer) als mutmassliche Residenz von Putin entlarvt, deren geschätzte Baukosten von über einer Milliarde Euro wohl vom Staatsbudget abgezweigt wurden.
Einen noch spektakuläreren Prunkbau, auch hier als «Palast der Nation» bezeichnet, liess sich der Scheich von Abu Dhabi errichten, ein fürchterliches Konglomerat aus Zitaten islamischer Bautradition. Typisch für die geschäftstüchtigen Emirate am Golf ist die touristische Nutzung der Anlage.
Meilensteine moderner Architektur
Dass es auch anders geht, haben die französischen Präsidenten gezeigt, die Meilensteine der modernen Architektur setzten. Zwar wurde auch für das Centre Pompidou historische Bausubstanz geopfert, aber der Bau entwickelte sich zu einer überaus erfolgreichen Kulturmaschine, über die nach Inbetriebnahme keine Kritik mehr zu vernehmen war. Paris regelrecht umgepflügt hatte François Mitterand mit den Grands Projets, die gewiss nicht bescheiden daherkommen. Es sei hier lediglich auf die neue Nationalbibliothek mit den vier weitherum sichtbaren Ecktürmen verwiesen. Aber die Bauwerke stehen vorbehaltlos für die Moderne und sind denn auch zu Inkunabeln gelungener Herrschaftsarchitektur geworden.
Eine ganz andere Haltung nahm der deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhardt ein, als er 1963 dem mit ihm befreundeten Architekten Sep Ruf den Auftrag für die Kanzlerwohnung mitsamt Empfangsräumen erteilte. Ruf, der sich an der Sprache von Mies van der Rohe orientierte, entwarf ein buchstäblich kristallines Heim aus Stahl und Glas, das als sogenannter Kanzlerbungalow bis 1999 genutzt wurde. Nach dem Umzug des Kanzleramtes nach Berlin nutzlos geworden, dient der Bau nach einer umfassenden Renovation für eine Dauerausstellung und für unterschiedliche Veranstaltungen. Die hier an den Tag gelegte Nüchternheit ist die ganz grosse Ausnahme unter den repräsentativen Regierungsgebäuden.
Schwulst und Pomp
Die Geschichte der modernen Architektur ist eng mit dem Kampf gegen den Schwulst verknüpft, wofür das Pamphlet «Ornament und Verbrechen» von Adolf Loos das beste Zeugnis ablegt. Trump und mit ihm viele andere foutieren sich darum, und man kann sich fragen, was solche Menschen antreibt, Räume derart zuzukleistern, wie dies auch im Ballsaal des Weissen Hauses geschehen wird. Offenkundig bestehen sie auf spektakulären Insignien ihrer Macht. Einzig diesem Zweck dienen die von ihnen errichteten (und oftmals mit ihrem Namen verbundenen) Behausungen, die denn auch bis zum Ersticken mit Emblemen der Grossartigkeit gefüllt werden.
Keiner der Monarchen trieb es derart auf die Spitze wie der bayrische Märchenkönig Ludwig II., auch wenn man ihm nicht Machtbesessenheit vorwerfen kann. Und vor allem schottete er sich von der Öffentlichkeit ab. Doch es gibt wohl keinen schlimmeren Palast als das Schloss Linderhof in Ettal, bei dem man als Besucher ob soviel Pomp in Atemnot gerät.
Die Kulmination: der Triumphbogen
Kann der Ballsaal noch dadurch in seiner Bedeutung eingegrenzt werden, dass nur wenige ihn erleben werden, so gilt dies für das nächste Projekt Trumps definitiv nicht mehr. Den von ihm ersehnten Triumphbogen in der Hauptstadt Washington wird man nicht links liegen lassen können. Seine Wahrnehmung wird der ganzen Bevölkerung regelrecht aufgezwungen sein.
Architektonisch kann ein Triumphbogen, auch wenn aus der Zeit gefallen, eine interessante Herausforderung darstellen. Der 192 Meter hohe Gateway Arch, den Eero Saarinen in St. Louis aufspannte, überzeugt gerade durch Bilderlosigkeit und minimalistische Eleganz. Und in Paris bildet die Grande Arche, die zur Gruppe der schon erwähnten Grands Projets gehört, auf der verlängerten Achse der Champs Élysée mit dem Arc de Triomphe das symbolische Tor in die Zukunft. Das Monument verzichtet mit Ausnahme der Silhouette auf jegliche inhaltlichen Verweise.
Trumps Bogen im neoklassizistischen Kleid (in welchem sonst) ist hingegen alles andere als eine innovative Auseinandersetzung mit einem Bautypus, der seit der Antike viele Baumeister beschäftigte. Er ist eine phantasielose Paraphrase all der Beispiele, die zum ewigen Ruhme geltungssüchtiger Herrscher erbaut wurden. Es ist leider nicht davon auszugehen, dass Trump damit die Ideen ausgegangen sind. Vielmehr ist zu befürchten, dass er die Öffentlichkeit mit weiteren architektonischen Peinlichkeiten erschrecken wird.