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Barocke Kunst

Der Himmel auf Erden

14. August 2020
Alex Bänninger
St. Martin: Hochbarock als Hochgefühl. Foto: Benediktinerkloster Disentis
St. Martin: Hochbarock als Hochgefühl. Foto: Benediktinerkloster Disentis
Ein Bildband feiert die strahlend restaurierte Klosterkirche Disentis. Genügt er der benediktinischen Buchkultur? Ein hoher Anspruch.

Die Herausgabe eines Buches, wie jetzt aus Anlass der vollendeten Renovation der Klosterkirche Disentis, muss den Benediktinern eine besondere Herausforderung sein. Denn sie begründeten mit ihren Skriptorien die Buchkultur und halten sie mit ihren Bibliotheken seit Jahrhunderten hoch. Die Stiftsbibliothek St. Gallen etwa, jene im Benediktinerstift Admont, in St. Paul im Lavanttal oder im Kloster Engelberg sind Traumorte für Bewunderer der Buchkunst und der Baukunst. Die Redensart «Ein ͈Kloster ohne Bibliothek ist wie eine Festung ohne Rüstkammer» bezeugt den Glauben an die Wirkungskraft der Bücher als geistige Waffen.

Herausragende Rolle

Vor diesem kulturhistorischen Hintergrund war es fürs Kloster Disentis ein Prüfstein, zur Kirchenrenovation ein würdiges Buch zu publizieren. Zumal St. Martin, 1704 fertiggestellt, den barocken Anspruch erfüllt, den Himmel auf Erden und in die Kirche zu holen. Diese Leistung gelang dem Benediktiner-Bruder Caspar Moosbrugger, der u. a. auch als Architekt der Klosterkirchen in Einsiedeln, Fischingen und Muri AG gilt.

Für Hans Rutishauser, Kunsthistoriker und ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Graubünden, nimmt St. Martin «im dichtgeflochtenen Netz der süddeutschen Kirchenbaukunst des Hochbarocks eine herausragende Rolle ein». Im Buch heisst die Kirche die «Weisse Arche». Sie könnte auch eine goldene genannt werden, eine blendende, eine, die den Menschen zugleich klein macht und vor Freude jubeln lässt.

Packend und informativ

Wie die Kirche die Besucherinnen und Besucher bezaubert, packt auch der Bildband. Er legt der benediktinischen Buchkultur alle Ehre ein. Die Texte sind informativ, die Fotos von Ralph Feiner bestechend. Die Gestaltung des Studios Silvio Seiler ist von festlicher Klarheit.

Hans Rutishauser zeigt die bauhistorische Bedeutung der Klosterkirche auf, der frühere Abt Daniel Schönbächler sieht in ihr «die bildgewordene Geschichte der Abtei», der kantonale Denkmalpfleger Simon Berger schildert die Renovationsprobleme aus seiner Sicht, Projektleiter Andreas Isler sowie die Architekten Matthias Schmid und Markus Krieger erläutern die praktische Umsetzung des Projekts, das 2016 begann, vier Jahre dauerte und 16 Millionen Franken kostete.

Spannend und gerade für Laien aufschlussreich ist der Kirchenrundgang. Fotos und Texte vermitteln einen detaillierten Einblick in die Probleme und Lösungen der Restaurierung von der Schutzmantelmadonna über die Deckenbilder und Seitenaltäre bis zur Grossen Orgel und zum Altarbereich.

Lohnende Reise

Nun gibt es St. Martin doppelt, nämlich in der Wirklichkeit, die die Reise lohnt, und als Bildband, der zum Aufbruch nach Disentis ermuntert und die sich dort stellenden Fragen beantwortet.

Klar wird: Die Benediktiner beherrschten nicht nur die barocke Architektur, sondern sind auch in der Lage, diese perfekt zu restaurieren und in einem Buch ebenso perfekt zu dokumentieren.

Benediktinerkloster Disentis (Hg.): «Die «Weisse Arche». 272 Seiten, reich illustriert. Glarus und Chur, 2020. Auch in einer englischen und italienischen Ausgabe.

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