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Bundeskriminalpolizei

«Der Bundesrat kann nachvollziehen …»

21. September 2025
Markus Mohler
Markus Mohler
Eva Wildi-Cortes
Am 1. Februar 2025 hat Eva Wildi-Cortes das Amt der Direktorin des Bundesamts für Polizei (Fedpol) angetreten. (Keystone, Alessandro della Valle)

Geldwäscherei und organisierte Kriminalität überfordern zunehmend die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes. Die Landesregierung hat auf das Problem bisher zögerlich reagiert. Ein realistisches Massnahmenprogramm ist zurzeit nicht in Sicht.

Die Bundeskriminalpolizei (BKP) leidet seit langem unter viel zu wenig Personal. Mehrfach hat der Bundesanwalt auf die üblen Folgen dieses Zustandes hingewiesen. Die Bundesanwaltschaft könne erhebliche Verdachtslagen oder gar erhaltene Strafanzeigen nicht bearbeiten, da das Ermittlungspersonal, das der BKP angehört, für die unabdingbaren Untersuchungen fehle. Falls aufgrund einer Anzeige bereits ein Strafverfahren eingeleitet worden sei, verletze dieser Zustand zudem das Beschleunigungsgebot (Art. 5 der Strafprozessordnung) und damit die Rechtsstaatlichkeit. Schlimmstenfalls verjähren angezeigte Fälle unbearbeitet. 

Bewirkt hat dies bis vor kurzem nichts. Ein unhaltbarer und vor allem sehr gefährlicher Zustand! Eine Artikelserie in den CH-Media-Zeitungen über die Tentakel und Taten der organisierten Kriminalität hierzulande beschrieb für unmöglich Gehaltenes. Nun brachten zwei parlamentarische Kommissionen Bewegung in die Sache.

Dafür muss man die jüngere Geschichte dieses Trauerspiels kurz rekapitulieren. Am 20. November 2023 reichte die Finanzkommission des Nationalrates (FK-N) ein Postulat «Ressourcenüberprüfung beim Fedpol» (23.4349) ein. Der Bundesrat jedoch beantragte mit stereotypen Sätzen dessen Ablehnung. Anders der Nationalrat, der das Postulat im Februar 2024 knapp mit 92:91 Stimmen überwiesen hat. Am 11. September 2024 fragte eine Vertreterin der FK-N in der Fragestunde den Bundesrat, wen er mit der Prüfung beauftragt habe und bis wann man mit einem Bericht rechnen könne (24.7622). Der Bundesrat antwortete schriftlich, er habe die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) mit der Prüfung beauftragt. 

Eine Frage der nationalen Sicherheit

Ebenso hat die Behörde für die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), zuletzt in ihrem im Februar 2025 veröffentlichten Inspektionsbericht, auf diese gravierenden Mängel hingewiesen. Inzwischen stellte die EFK bei ihrer Prüfung das Gleiche fest. In der Folge reichte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) am 23. Juni 2025 eine Motion ein mit der Überschrift «Strategische Aufstockung des Personalbestandes des Fedpol. Nur so kann die nationale Sicherheit gewährleistet werden» (25.3941). Der Bundesrat wiederum beantragte am 27. August 2025 Ablehnung der Motion, doch der Nationalrat hat diese indessen am 16. September 2025 mit 131:58 Stimmen klar angenommen. – Man beachte den Stimmungs- und Abstimmungswandel im Nationalrat innert anderthalb Jahren. Dieses Geschäft geht nun an den Ständerat.

Am 19. September 2025 legte der Bundesrat den Bericht zur Ressourcenüberprüfung bei Fedpol gemäss dem Postulat der FK-N vor. Er schreibt darin, er könne «die von der EFK aufgezeigten Ergebnisse und Empfehlungen nachvollziehen». Nachvollziehen? War es nicht längst Aufgabe des Bundesrates beziehungsweise des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) als dem Fedpol bzw. der BKP vorgesetzte Behörde, dies selbst festzustellen und Verbesserungen zu beschliessen? Gouverner, c’est prévoir, nicht suivre.

Unrealistische Empfehlungen

Die für den Bundesrat «nachvollziehbaren» Empfehlungen der EFK-Prüfung sind im Bericht zusammengefasst. Diese vier Empfehlungen mit Terminen für deren Erfüllung seien im Folgenden aufgelistet und kurz kommentiert.

  1. Gemeinsam mit dem Bundesanwalt Abschätzung des Ressourcenbedarfs für die Ermittlungen «unter Berücksichtigung der künftigen sicherheitspolitischen Strategie». Gleichzeitig erwartet der Bundesrat, dass das Fedpol einen allfälligen Personalausbau soweit möglich mit den im vorliegenden Bericht aufgezeigten Einsparungen und Optimierungen realisiert. Termin: 31. Dezember 2025.

Gestützt auf eine künftige sicherheitspolitische Strategie? Künftige! Diese ist wohl Aufgabe des Bundesrates, in Übereinstimmung mit den Kantonen. Es ist nicht vermessen anzunehmen, dass eine solche Strategie bis Ende 2025 sicher nicht vorliegen wird. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesanwaltschaft nicht dem Bundesrat unterstellt ist, er ihr gegenüber demnach keine Weisungsbefugnis hat. Also eine Mission impossible.

  1. Entscheidungskompetenzen auf allen Hierarchiestufen auf Angemessenheit überprüfen und gegebenenfalls anpassen, Termin: 31. Dezember 2026. 

Dass dies eine eingehende Strukturanalyse voraussetzt samt Einschätzung der individuellen Anforderungen und Fähigkeiten, und zwar auch gemessen an der künftigen sicherheitspolitischen Strategie – dies wird nicht beachtet. 

  1. Überprüfung des Auftrags von Fedpol «im föderalen Kontext»; der «Leistungskatalog der Bundeskriminalpolizei ist mit den Verbundpartnern so abzustimmen und anzupassen, dass die Voraussetzungen für eine effiziente und effektive Ermittlungsarbeit gewährleistet sind». Termin: 31. Dezember 2026.

Eine zeitlich völlig unrealistische «Empfehlung», da aufseiten der Kantone mehrere Gremien für die zu lösenden Probleme zuständig sind (Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektionen, Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten, Konferenz der Staatsanwälte, Vereinigung der Kriminalpolizeichefs). Darüber hinaus könnte eine Änderung der Zuständigkeitsregelung gemäss Eidgenössischer Strafprozessordnung zur Diskussion stehen. Zudem müsste die erwähnte künftige sicherheitspolitische Strategie vorliegen.

  1. Erarbeiten eines «Aufgaben- und Zielbilds einer bedarfsgerechten Ausbildungsstrategie für die Personalentwicklung», Massnahmen für «eine angemessene Aus- und Weiterbildung sowie ein wirksames Wissensmanagement sicherstellen». Termin: 31. Dezember 2027.

Dafür hat die BKP das notwendige Personal nicht.

All dies müsste mit den derzeit vorhanden personellen Kapazitäten erledigt werden. Das ist unmöglich.

Sanierung zu Lasten der Kantone?

Zu bemerken ist mit Blick auf die 3. Empfehlung, dass die personelle Aufstockung der Ermittler der BKP nach dem derzeitigen «System» zu Lasten der kantonalen Kriminalpolizeien ginge, da die Rekrutierung bisher ausschliesslich aus den kantonalen Diensten erfolgt. Mit anderen Worten: Was der BKP gegeben werden soll, nimmt man den Kantonen weg. So funktionieren Föderalismus und ein Gesamtsystem nicht.

Mit wohltönenden Formulierungen, welche die Tiefe der mannigfachen Probleme im Kontext nicht einmal streifen, wird bloss verwaltet, innerhalb Frist geantwortet. Es ist allerdings sehr schwierig, die längst in der Praxis und der Rechtswissenschaft erkannten Mängel in kurzer Zeit zu beheben. Es zeigt sich eine Parallele zu Landesverteidigung und Armee.

Weder EFK noch Bundesrat haben die grundsätzlichen Probleme angesprochen: Kann das derzeitig gehandhabte föderalistische System für die Bekämpfung der Schwerst- und der organisierten Kriminalität noch taugen, und ist die Politik an einer effektiven Bekämpfung von Geldwäscherei und organisierter Kriminalität (als Teil einer sicherheitspolitischen Strategie) überhaupt interessiert?

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