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Ägypten

Crash mit der wirtschaftlichen Realität

12. August 2016
Arnold Hottinger
Der Schuldenberg wächst, und Ägypten braucht dringend Geld. Der Weltwährungsfonds stellt harte Bedingungen. Sie werden die Spannungen im Land gefährlich verschärfen.

Verhandlungen zwischen Delegationen des Internationalen Währungsfonds IMF und der ägyptischen Regierung über eine Anleihe von 12 Milliarden Dollar auf drei Jahre sind abgeschlossen. Der ausgehandelte Vertrag muss noch vom ägyptischen Parlament und von der Direktion des IMF gebilligt werden. Die Verhandlungen hatten am 1. Juli begonnen.

Als Bedingung für die Anleihe fordert der Weltwährungsfonds, dass Ägypten seinen staatlichen Haushalt ins Gleichgewicht bringe. Ägypten gedenkt dies zu bewerkstelligen, indem es Subventionen für Energie und Lebensmittel abbaut und neue Steuern einführt, als wichtigste davon eine Mehrwertsteuer.

Vorschläge zu diesen Massnahmen werden im ägyptischen Parlament diskutiert. Das Parlament hat bereits ein Gesetz über Staatsangestellte verabschiedet, das dazu dienen soll, die Masse der 6 Millionen Staatsangestellten zu reduzieren. Ihre Gehälter machen 26 Prozent des Staatsbudgets aus.

Harte Forderungen

Der IMF verlangt auch, dass staatliche Projekte, die grosse Summen verschlingen, zurückgestellt werden zugunsten von solchen, die weniger Kapital brauchen und baldige Gewinne versprechen.

Die ägyptische Schwerindustrie, weitgehend in staatlichem Besitz, hat jahrzehntelang mit hoch subventioniertem Strom und Brennstoff gearbeitet. Wenn die Subventionen wegfallen, droht diesen Unternehmen ein Defizit.

Kairo hatte bereits im Jahr 2011 mit dem IMF verhandelt. Damals ging es um eine Anleihe von 2,5 Milliarden auf ein Jahr. Doch die Verhandlungen wurden abgebrochen, weil der Staat damals nicht auf die Forderungen des IMF eingehen wollte.

Stattdessen nahm Ägypten mehrmals grosse Geldsummen von Saudi-Arabien, den Emiraten, Kuwait und Qatar entgegen. Zum Teil handelte es sich um Gaben, teils aber auch um Anleihen an die Nationalbank, die zurückbezahlt werden mussten. Die Gesamtsumme soll 23 Milliarden Dollars ausgemacht haben. Wegen den Rückzahlungen sanken die Reserven der Nationalbank von 36 Milliarden im Jahr 2011 auf gegenwärtig 15 Milliarden; eine Aufstockung war deshalb unumgänglich.

Währungsschwäche, Budgetdefizit, Verschuldung

Die ägyptische Währung wurde im März um 13 Prozent abgewertet. Doch nach wie vor besteht ein Schwarzmarkt für Dollars. Die Regierung versucht ihn gegenwärtig abzuwürgen, indem sie die Wechselbüros schliesst, die bisher offen gearbeitet hatten. Die Inflation ist seit April, als sie bei 10,3 Prozent stand, auf 14,6 Prozent angestiegen. Das Budgetdefizit beträgt 12 Prozent und die Staatsschulden sind auf 2’250 Milliarden Pfund angestiegen. Der Schuldendienst verzehrt 30 Prozent der Staatseinnahmen.

Geplant ist, dass das ägyptische Pfund wieder frei konvertibel werden soll. Dies wird wahrscheinlich nicht ohne weitere Abwertungen zu erreichen sein. Gegenwärtig ist der offizielle Wechselkurs für den Dollar 8 Pfund. Auf dem offenen (oder schwarzen) Markt kostet der Dollar 13 Pfund.

Korruption als entscheidender Faktor 

Solch grosse Unterschiede zwischen offiziellem und offenem Wechselkurs fördern die Korruption. Reich wird, wer sich Dollars zum offiziellen Wechselkurs beschaffen kann. Korruptionsbekämpfung wäre ein wichtiger Bestandteil des Gesamtpakets, mit dem das Land zu sanieren wäre.

Der Oberste Finanzinspektor Ägyptens, Hisham Genini, erklärte im März öffentlich, das Land habe zwischen 2012 und 2015 600 Milliarden ägyptische Pfund verloren – und zwar durch staatliche Korruption, in erster Linie durch korrupte Landverkäufe. Präsident al-Sissi entliess den Inspektor, obwohl er dies nach der Verfassung gar nicht tun kann. Dann liess er ihn zu einem Jahr Gefängnis verurteilen, „wegen Verbreitung falscher Informationen, die das Land schädigen.“

Landverkäufe sind besonders heikel, weil die Armee als Besitzerin aller nicht bebauten und nicht bewässerten Landflächen gilt. Dazu werden die ausgedehnten Wüsten auf beiden Seiten des Niltals gerechnet. Die Armee verkauft Land an Interessenten mit Bauvorhaben zu den Preisen, die sie bestimmt.

Genügt Patriotismus als Gegengewicht?

Präsident al-Sissi hat versucht, die Ägypter auf die bevorstehenden Härten vorzubereiten. Er appelliert an ihren Patriotismus. Gleichzeitig verbreitet seine Polizei Furcht unter allen, die sich kritisch zu äussern versuchen.

Nach wie vor verfügt der Präsident über eine Basis von Sympathisanten. Doch diese droht enger zu werden, da immer deutlicher wird, dass die ägyptische Wirtschaft, so wie sie heute funktioniert, nicht weiter bestehen kann. Die unumgängliche Neuorganisation wird wahrscheinlich auf Kosten der ohnehin notleidenden Unterschichten erfolgen. Ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Sie werden am meisten zu leiden haben, weil sie sich am wenigsten zur Wehr setzen können.

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