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Rohstoffe

Chinas Trumpfkarte im US-Handelskrieg: die Seltenen Erden

17. April 2025
Rudolf Hermann
Rudolf Hermann
Zollkrieg
Beginn des Zollkriegs am 2. April 2025 (Kystone/AP Photo/Mark Schiefelbein)

Peking hat Anfang April Ausfuhrbeschränkungen für gewisse strategische Metalle erlassen. Das trifft die USA und überhaupt den Westen potenziell schwer. Denn ausserhalb Chinas sind die Kapazitäten für die Herstellung dieser Materialien, die entscheidend sind für diverse zivile und militärische Hochtechnologien, sehr gering. Deshalb streben Amerika und Europa die Schaffung eigener Lieferketten an. Doch bis diese errichtet sind, dürfte es noch dauern. 

Seltene Erden sind zurzeit deshalb eine Trumpfkarte für China. Es hat die mit Abstand grössten dokumentierten Vorkommen weltweit und verzeichnet bei der Förderung der Erze einen Weltmarktanteil von rund zwei Dritteln. Noch eklatanter jedoch ist Chinas Dominanz beim zweiten Schritt in der Wertschöpfungskette, nämlich der Separierung und Raffinierung der einzelnen Metalle. Hier liegt sein Weltmarktanteil bei rund 90 Prozent. Den verbleibenden kleinen Rest teilen sich vor allem Akteure in Südostasien. Europas Produktionsanteil liegt bei einem Prozent des globalen Gesamtvolumens. 

Dieses Übergewicht bei der Verarbeitung ist der Grund, weshalb Chinas Position heute so stark ist. Wenn es um das Vorkommen der Seltenen Erden in der Erdkruste geht, sind die 17 Elemente, die unter diesen Sammelbegriff fallen, hingegen gar nicht so selten, wie es ihr Name impliziert. Man findet sie an vielen Orten auf der Welt; einige sind dabei begehrter als andere. Für einen wirtschaftlich sinnvollen Abbau müssen sie allerdings in bestimmten Konzentrationen und Kombinationen vorkommen.  

Doch sogar wenn irgendwo ausserhalb Chinas grosse und auch ökonomisch attraktive Fundstellen entdeckt werden und Medien jeweils umgehend jubilieren, nun lasse sich die Abhängigkeit des Westens von Peking vermindern oder gar beseitigen, dann bleibt meist ausser Acht, dass das Erzkonzentrat auch aus solchen Gruben nach China geschickt werden muss, wenn andernorts keine ausreichenden Kapazitäten zur Aufbereitung bestehen. Ohne solche bleibt Unabhängigkeit eine Illusion. 

Die Verarbeitung Seltener Erden ist jedoch eine komplizierte, teure und auch schmutzige Angelegenheit. Vor Jahrzehnten waren es noch die westlichen Industrieländer gewesen, die die dazu notwendigen Technologien und Anlagen entwickelten. Zunehmend wurde allerdings die Aufbereitung in Länder mit billigerer Arbeitskraft und laxeren Umweltbestimmungen verlagert – vor allem nach China. Wichtiges Wissen ging verloren, während zur gleichen Zeit China die Methoden verfeinerte und führend wurde beim Know-how. Diesen Rückstand aufzuholen, ist zwar für den Westen möglich. Aber das kostet Zeit und Geld. 

Das Beispiel Mountain Pass 

Eine Illustration für das Auf und Ab bei den Seltenen Erden ist die Geschichte der Mountain-Pass-Mine im US-Gliedstaat Nevada. Um 1960 entwickelt, dominierte sie bis in die 1990er-Jahre die globale Produktion von Seltenerdmetallen. Allerdings wurde die Raffinierung von Erzkonzentrat 1998 eingestellt, 2002 sodann nach Problemen mit toxischen Abfällen auch die Förderung. Eine Wiederaufnahme der Aktivitäten blieb zunächst aus, denn inzwischen war billigere Konkurrenz aus China auf dem Weltmarkt. Eine 2008 angekündigte Neueröffnung von Mountain Pass wurde 2012 zwar umgesetzt, endete aber schon drei Jahre später in einem Bankrott. Seit 2018 funktioniert die Erzförderung unter neuer Führung wieder, seit 2023 auch die Verarbeitung. 

Die Begleitmusik zur Achterbahnfahrt von Mountain Pass kam aus China. 2007 zeigte Peking, inzwischen zum dominanten Spieler bei Seltenen Erden weltweit aufgestiegen, in grossem Stil seine Muskeln und erliess Ausfuhrrestriktionen. 2010 schwang man die gleiche Keule spezifisch gegen Japan wegen eines politischen Streits, 2019 wiederum wurde der Import von Erzkonzentrat mit Zöllen belegt. Es war eine Politik der Nadelstiche, die bei den Geschäftspartnern allenthalben den Wunsch nach mehr Selbstversorgung weckte. Doch auch dies vermochte China zu hintertreiben – etwa durch eine rasche Ausweitung des Exportangebots an Seltenen Erden zum Beispiel. Das liess die Preise fallen und setzte damit ein Fragezeichen hinter allfällige Bemühungen, mit teurem Geld neue Minen zu erschliessen. 

Vor dem Hintergrund solch früherer Machtspiele kam kaum überraschend, dass Peking im nun eskalierenden Handelsstreit mit Washington zum wohl stärksten Hebel griff, über den es verfügt. Denn auf einen Ausfuhrstopp von Seltenerdprodukten haben die USA keine unmittelbare Antwort. Die sieben von den Massnahmen betroffenen Metalle, für die China laut Branchenexperten praktisch eine Monopolstellung hat und deren Export nun faktisch gesperrt ist, sind im militärischen Bereich wichtig etwa für Drohnen, Raketen und Robotik – allesamt entscheidende Elemente moderner Kriegsführung. Je nachdem, wie gross die Inventare der jeweiligen Länder sind, können sie ihre Produktion solcher Güter noch eine Weile aufrechterhalten. Die Inventare der USA, so heisst es in Fachkreisen, seien aber eher gering – man habe aus Kostengründen auf «Just-in-time»-Lieferketten gesetzt. 

Der Westen hat Nachholbedarf 

Inzwischen sind zwar in den USA und anderen Ländern Bemühungen im Gang, von China unabhängige Lieferketten für strategische Rohstoffe aufzubauen. Bis 2027 wollen die USA so weit sein, dass sie die Metalle für den Rüstungsbereich selber fördern (oder von befreundeten Ländern beschaffen) und veredeln können. Die EU wiederum hat in ihrem «Critical Raw Materials Act» eine Reihe von strategischen Rohstoffen einschliesslich Seltener Erden identifiziert und Ziele formuliert, wo man 2030 punkto eigener Kapazitäten stehen wolle. Die Vorgaben lauten auf 10 Prozent bei der Förderung, 25 Prozent bei der Rezyklierung und 40 Prozent bei der Veredlung solcher Rohmaterialien.  

Potenzial gibt es in Europa durchaus, vor allem im Norden. Grönland, Norwegen und Schweden etwa haben grosse Fundstätten von Seltenen Erden, die teils schon seit Jahren bekannt sind. Tatsächlich gefördert wird jedoch noch nirgends. Bei der lokalen Bevölkerung sind Minenprojekte oft wenig populär; entsprechend hoch sind die politischen Hürden. Die Einsicht, dass Versorgungssicherheit bei strategisch wichtigen Materialien nicht zum Discountpreis zu haben ist, muss sich erst noch auf breiterer Front durchsetzen. 

Immerhin gibt es in der EU bereits eine – wenn auch relativ kleine – Anlage für die Veredelung von Seltenerdmetallen. Sie steht in Estland, wo das kanadische Unternehmen, das sie besitzt, im Begriff ist, auch eine Fabrik für Spezialmagnete zu errichten. Ein kleiner Silberstreif am Horizont also. 

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