Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Euro-Rettung

Brüsseler Spitzenklöppelei

27. Oktober 2011
Journal21
Zeit für den Kalauer: Heute stehen wir vor dem Abgrund, morgen sind wir schon einen Schritt weiter. Zu wenig, zu spät und erst noch falsch: So muss man die Ergebnisse des jüngsten Politikertreffens in Brüssel zusammenfassen.

Griechenland bekommt 50 Prozent seiner Schulden erlassen, Banken beteiligen sich mit bis zu 100 Milliarden Euro daran, der Rettungsschirm mit dem Monsternamen Europäische Finanzstabilitätsfazilität (EFSF) wird gehebelt und wächst damit auf ein Volumen von rund 1000 Milliarden Euro an. Damit wollen die versammelten europäischen Regierungschefs mal wieder alles im Griff haben. Schon alleine die Tatsache, dass sie das unablässig behaupten, bis sich wieder und wieder das Gegenteil herausstellt, gibt Anlass für Zweifel. Zu Recht.

Armes Griechenland

Mit dem Schuldenschnitt sinken Griechenlands Zinsverpflichtungen kurzfristig, wobei selbst nach den optimistischen Berechnungen der Eurokraten die Hellenen in nächster Zeit nochmals mehr als 100 Milliarden neue Kredite brauchen. Die wird Griechenland genauso wenig zurückzahlen können wie die aktuellen Schulden. Das Land ist also ab heute halb so pleite wie gestern, um morgen schon wieder genauso bankrott wie vorgestern zu sein. Wunderbar.

Arme Banken

Wie «in einem Mafia-Film» schreibt die «Financial Times Deutschland» wurde den Banken und Versicherungen ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnten. Ihr verzichtet freiwillig auf 50 Prozent eurer Forderungen an Griechenland – oder unfreiwillig. Das Institute of International Finance (IIF), die mächtigste globale Bankenorganisation, präsidiert von Joe «Victory-Zeichen» Ackermann, quengelte etwas rum und gab dann klein bei. Das grösste Problem der Verhandlungsführer bestand sicher darin, nicht zu früh vor Lachen rauszuprusten. Denn zu Marktpreisen bewertet wurden Griechenschrottpapiere in jeder anständigen Buchhaltung schon längst auf unter 50 Prozent abgeschrieben. Grossartig.

Armer Schirm

Eine Billion hört sich beeindruckender an als 250 Milliarden. Bei genauerer Betrachtung ist der Rettungsschirm EFSF aber nicht grösser, sondern löchriger geworden. Was schon bei gescheibelten und in Tranchen verpackten Hyposchrottpapieren wie CDO in den Abgrund führte, wird hier auch nirgendwo anders hinleiten. Hebel heisst nämlich, dass beispielsweise die ersten 25 Prozent eines neuen Schuldscheins durch die EFSF garantiert werden. Sollte das Papier also absaufen, bekommt der Gläubiger die ersten 25 Prozent Verlust von der EFSF ersetzt. Da muss man zugreifen, wenn gleichzeitig schon mal griechische Schuldscheine um 50 Prozent abgewertet werden. Spitze.

Armes Italien

Das Problem bei Staatsschulden ist nicht in erster Linie, wie viele man hat, sondern wie viel Zinsen man dafür zahlen muss. Italien zahlt inzwischen im Schnitt über 6 Prozent, dreimal mehr als Deutschland. Das ist auf Dauer nicht zu stemmen, und die angekündigte zukünftige Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 (ab dem Jahr 2024, mit Ausnahme der Staatsangestellten) wird das wohl auch nicht herumreissen. Italien ist also auf dem besten Weg, das nächste Griechenland zu werden. Muss aber zuvor, genau wie Pleitestaaten wie Portugal oder Wackelkandidaten wie Spanien, den Hellenen finanziell unter die Arme greifen. Phänomenal.

Armes Finanzsystem

Europäische Finanzinstitute müssen sich bis Mitte nächsten Jahres mit über 100 Milliarden Euro rekapitalisieren. Auf Deutsch: Geld einsammeln. Da es wohl nicht genügend Todesmutige gibt, die heutzutage Banken dermassen viel Geld leihen – oder halten Sie den Ankauf von ein paar Aktien einer griechischen Bank für eine gute Idee? –, muss auch da natürlich wieder der Staat helfend eingreifen. Klasse.

Armes Europa

Schuldenmachen und Gelddrucken ist relativ einfach. Wenn mit neuen Schulden alte beglichen und mit neu gedrucktem Geld lediglich Schuldzinsen bezahlt werden, dann wurde entweder das finanzielle Perpetuum Mobile erfunden – oder jemand muss die Zeche zahlen. Da Staaten und Banken eher pleite sind oder zumindest über ein Eigenkapital von Null (Staaten) oder im Schnitt 2 Prozent (Banken) verfügen, kommen die eher nicht in Frage.

Wir schauen uns um und sehen – genau: Den Steuerzahler und den Sparer. Der eine macht ja wenigstens etwas Wertschöpfendes, und von seinem Erlös, meistens sein Einkommen, kann man ihm ja etwas abknipsen. Und der Sparer braucht ja offensichtlich seinen Spargroschen gerade nicht, also kann man ihn doch ungeniert raushauen. Bei diesem Ergebnis des letzten Gipfels freuen wir uns alle schon auf den nächsten.

Letzte Artikel

Musk demaskiert. Das Internet als Herrschaftsinstrument

Ali Sadrzadeh 5. Dezember 2025

Wie weiter mit dem Klimaschutz?

Jörg Hofstetter 5. Dezember 2025

Der Papst und der Patriarch von Istanbul in Nizäa – Nur der Kaiser fehlte

Erwin Koller 4. Dezember 2025

EU berechenbarer als USA

Martin Gollmer 4. Dezember 2025

Dröhnendes Schweigen um Venezuela

Erich Gysling 1. Dezember 2025

Spiegel der Gesellschaft im Wandel

Werner Seitz 1. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.