
Gibt es in der Region Deutschschweiz-Baden-Elsass-Lichtenstein-Vorarlberg ein Wir-Gefühl? Diskussion mit Rita Schwarzelühr-Sutter, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat, und Thomas Pfisterer, ehemaliger Ständerat und Landammann des Kantons Aargau.
Die gemeinsame alemannische Sprache in der gesamten Region zwischen Vorarlberg und Elsass schafft zwar gute Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Aber daraus ergibt sich – hier sind sich die drei Gesprächspartner einig – noch keine alemannische Identität, kein alemannisches Wir-Gefühl. Die Rheingrenze, so Pfisterer, ist zwar eine künstliche Grenze und historisch sehr jung (1801), «das Leben ging schon immer darüber hinweg», trotzdem waren auf der schweizerischen Seite der Grenze die Folgen des Zweiten Weltkriegs noch lange spürbar.
1992 haben in der Grenzregion zwei Drittel gegen den Beitritt der Schweiz zum europäischen Wirtschaftsraum gestimmt. Von deutscher Seite, so Schwarzelühr-Sutter, ist das Verhältnis zum «verfreundeten Nachbarland», so der Titel einer deutschen Ausstellung, auch nicht unbelastet. Zumindest gibt es im persönlichen Austausch oft ein «Unbehagen» durch die Ausdrucksweise der anderen Seite. Krass spürbar wurde diese Grenze in der Coronapandemie, als sie durch Absperrungen dicht gemacht wurde.
Eine Reihe von Institutionen und Verträgen schaffen den Rahmen, um die Probleme grenzüberschreitend anzugehen: die Hochrheinkommission oder das Karlsruher Abkommen von 1996 für die regionale und kommunale Zusammenarbeit. Am Abkommen beteiligen sich fünf Grenzkantone. Hier erinnert Pfisterer daran, dass die Schweizer Seite nur deshalb für den Dialog offen war, weil die Partner in Baden-Württemberg vom Volk gewählte Persönlichkeiten waren und nicht Beamte.
«Die strukturellen Voraussetzungen sind gegeben, aber das Wir-Gefühl stellt sich nicht von allein ein» (Schwarzelühr-Sutter). «Wenn wir Alemannen in dieser Raumschaft zusammenhalten, könnte das ein neuer Start nach Corona sein.» Aber das grösste Problem heute nach dem Ende des Rahmenabkommens bleibt die EU-Aussengrenze am Rhein. Pfisterer spricht von verpassten Chancen, zumal die Grenzkantone bisher nicht imstande waren, gemeinsam ihre Interessen in die Debatte über die bilateralen Beziehungen zur EU einzubringen.
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Journal 21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.