Während viele Staaten auf Abstand zu Donald Trump gingen, suchte die Schweiz den bilateralen Dialog. Mit höflicher Beharrlichkeit und technokratischer Diskretion versuchte Bern, Spannungen abzubauen und wirtschaftliche Nachteile abzuwenden. Doch die Bilanz dieser Strategie riskiert ernüchternd auszufallen. Sie wirft grundsätzliche Fragen zur aussenpolitischen Positionierung der Schweiz auf.
Im Bestreben, US-Handelsrestriktionen zu entgehen, scheint die Schweiz Konzessionen in sensiblen Bereichen nicht auszuschliessen – losgelöst von multilateralen Rahmenbedingungen wie der WTO. Doch trotz dieser Gesprächsbereitschaft bleibt der Erfolg aus: Trump hat es bis jetzt noch nicht einmal für nötig befunden, der Schweiz eine Antwort zu geben. Es scheint, als ob Trump die Schweiz zusammen mit Dutzenden anderen kleinen Staaten als Gruppe behandeln würde. Ein wirtschafts- oder aussenpolitischer Gewinn der Schweizer Strategie ist bisher nicht erkennbar und wird immer fragwürdiger.
Ein gefährliches Spiel mit dem multilateralen Regelwerk, das für die Schweiz von zentraler Bedeutung ist
Wer in Einzelverhandlungen exklusive Vorteile gewährt, untergräbt die Regeln, auf die sich kleine Staaten wie die Schweiz traditionell verlassen. Die WTO lebt vom Prinzip der Nichtdiskriminierung. Wer es durch bilaterale Sonderdeals aushebelt, sägt an dem Ast, auf dem er sitzt – gerade in Zeiten wachsender Handelskonflikte und autoritärer Machtpolitik. Ausgerechnet die Schweiz, langjährige Verfechterin des regelbasierten Handels, droht hier zum unbeabsichtigten Brandbeschleuniger zu werden.
Souveränität darf kein Verhandlungsobjekt sein
Noch heikler wird es, wenn Zugeständnisse in Bereichen wie der Besteuerung digitaler Dienstleistungen, der Regulierung von Kryptowährungen oder der künstlichen Intelligenz ins Spiel kommen. Diese Felder berühren die wirtschaftspolitische Souveränität der Schweiz im Kern. Wer hier Spielräume aufgibt, um bilateralen Goodwill zu erkaufen, riskiert nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung, sondern auch die langfristige Handlungsfähigkeit zukünftiger Regierungen.
Doppelmoral in der Debatte
Erstaunlich still bleibt es ausgerechnet bei jenen politischen Kräften, die sonst bei jeder Richtlinie aus Brüssel lautstark die nationale Unabhängigkeit beschwören. Dass der gleiche Eifer gegenüber einer geopolitisch übermächtigen USA ausbleibt, ist nicht nur inkonsequent – es untergräbt die Glaubwürdigkeit der Souveränitätsdebatte insgesamt. Prinzipientreue misst sich nicht am Herkunftsland des Verhandlungspartners.
Geopolitik erfordert strategisches Denken
Die Schweiz hat mehr Mittel zur Verfügung, als oft angenommen. Eines davon ist die geplante Beschaffung des F-35-Kampfjets aus den USA. Dieses milliardenschwere Vorhaben kann – ohne Drohgebärden – als strategischer Hebel eingesetzt werden. Eine klare Linie wäre angebracht: Keine wirtschaftlichen oder regulatorischen Zugeständnisse ohne substanzielle Gegenleistung. Und sollte diese ausbleiben, wäre ein Schwenk hin zu einer europäischen Lösung wirtschaftlich wie politisch vertretbar.
Was jetzt zu tun ist
Die Schweiz braucht eine aussenwirtschaftliche Strategie, die auf Regeln, Respekt und Augenhöhe basiert. Das bedeutet:
- Keine Erosion multilateraler Standards zugunsten kurzfristiger Deals
- Kein Verzicht auf nationale Regulierungshoheit aus Verhandlungskalkül
- Und der Mut, strategische Mittel wie Rüstungsbeschaffung als legitime Interessenpolitik zu verstehen.
In einer Welt im Wandel reicht Neutralität allein nicht mehr aus. Gefordert ist eine aktive, souveräne und europäisch eingebettete Aussenpolitik – mit klarer Haltung gegenüber allen Partnern. Auch gegenüber Washington.