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Kultur am Montag

Wenn Budapest im Aargau liegt

25. November 2013
Klara Obermüller
Seit bald neunzig Jahren wird im aargauischen Möriken die Operette gepflegt. Alle zwei Jahre wird ein Werk erarbeitet und auf die Bühne des Gemeindehauses gebracht: professionell, mit viel Aufwand und grossem Erfolg.

Dass es nicht immer die Leuchttürme in den städtischen Zentren sein müssen, die für kulturelle Highlights sorgen, beweist die „Operette Möriken-Wildegg“ auch dieses Jahr wieder und wagt es sogar, für einmal eher unbekanntes Terrain zu betreten. Auf dem Programm steht „Die Herzogin von Chicago“, eine Operette von Emmerich Kálmán, die, 1928 im Theater an der Wien uraufgeführt, weder zu seinen bekanntesten noch zu seinen erfolgreichsten Werken gehört.

Musik zweier Welten

Musikalisch aber weist sie in die Zukunft. Denn in der „Herzogin von Chicago“ lässt der Komponist zwei Musikkulturen aufeinandertreffen, die sich damals, in den zwanziger Jahren, auch in der Realität Konkurrenz zu machen begannen: Czárdás und Charlston, Walzerseligkeit und Jazz, Operette und Musical. Und mit eben diesem „Clash of Cultures“ spielt auch die Handlung, die einen ungarischen Erbprinzen und eine amerikanische Dollarprinzessin aufeinander treffen, sich verlieben und schliesslich in den Hafen der Ehe einlaufen lässt.

Bis es allerdings so weit ist, ist Jubel, Trubel, Heiterkeit angesagt. Es kommt zu den gattungsüblichen Verwechslungen und Missverständnissen. Es wird getanzt, gesungen und gewitzelt. Und es erklingt eine Musik, deren Schmelz und Schmissigkeit es mit bekannteren Wiener Operetten durchaus aufnehmen kann. Insbesondere dann, wenn ein so gutgelauntes und hochmotiviertes Ensemble am Werk ist, wie dies auf der Bühne des Möriker Gemeindehauses der Fall ist: allen voran Nicole Sieger als Miss Mary Lloyd aus Chicago, Jan-Martin Mächler als ihr Sekretär, Raimund Wiederkehr als Erbprinz von Sylvarien und Ronny Spiegel als dessen Lieblingszigeuner, um nur die wichtigsten zu nennen.

Hohe Anforderungen

Sie zeigen, was man alles können muss, damit eine musikalisch so reich orchestrierte Operette auf die Bühne gebracht werden kann. Mit ihrem Mix an Stilen, ihrer Fülle an Personal und ihrer verschlungenen Handlung stellt „Die Herzogin von Chicago“ eine besondere Herausforderung dar: Für die Hauptrolle braucht es eine Sängerin mit Musical-Erfahrung und für ihren Gegenpart einen Tenor mit Belcanto-Qualitäten. Der Darsteller des Sekretärs sollte über komisches Talent verfügen. Und für die Besetzung des Zigeunerprimas muss ein Geiger gefunden werden, der nicht nur sein Instrument virtuos beherrscht, sondern daneben auch noch tanzen und singen kann.

Nicole Sieger, Jan-Martin Mächler, Raimund Wiederkehr und nicht zuletzt Ronny Spiegel werden, unterstützt von einem soliden Ensemble, diesen Anforderungen mehr als gerecht. Die Inszenierung unter der musikalischen Leitung von Bruno Leuschner und der Regie von Thomas Dietrich zeigt ein beachtliches Niveau. Kostüme (Max Kaiser), Bühnenbild (Kristin Osmundsen) und Choreographie (Gizella Erdös) tragen das Ihre zum Erfolg beim Publikum bei.

Natürlich hätte man sich die Revue-Tänzerinnen noch etwas frivoler und die gesprochenen Dialoge um einiges spritziger vorstellen können, doch was hier in Möriken seit Mitte Oktober geboten wird, lohnt den Weg in die aargauische Provinz allemal – insbesondere für all jene, denen die Wiener Operette am Herzen liegt. Denn wo wird dieses einst so überaus erfolgreiche Genre des Musiktheaters überhaupt noch gepflegt? In den Opernhäusern schätzt man es gering, auf den Freilichtbühnen des Landes hat es dem Musical Platz gemacht.

Die Operette lebt

Doch die Liebhaber der klassischen Wiener Operette sind nicht ausgestorben. Sie kamen in Scharen, als das Opernhaus Zürich vor Jahren „Die lustige Witwe“ auf den Spielplan setzte. Sie kommen in Scharen, wenn Möriken und andere Operettenbühnen dieses Landes, Sirnach oder Sursee zum Beispiel, zur Premiere rufen. „Die Herzogin von Chicago“, die jeweils mittwochs, freitags, samstags und sonntags im grossen Saal des Möriker Gemeindehauses über die Bühne geht, ist meist so gut wie ausverkauft. Die Stimmung vor, während und nach der Vorstellung ist ausgezeichnet. Bar und Restaurant machen guten Umsatz, und das Dorf Möriken lässt einen Abend lang vergessen, dass es im Aargau und nicht in Ungarn liegt.

Gelegenheit, die „Herzogin von Chicago“ zu erleben, bietet sich nur noch kurze Zeit. Kommenden Mittwoch, Freitag und Samstag finden die letzten Vorstellungen statt. Vorverkauf im Internet oder unter der Telefonnummer 062 893 27 38. 

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