Um die Stadt Al-Fasher in der sudanesischen Darfur-Region spielt sich, gerade jetzt und vor den Augen der Weltöffentlichkeit, ein Völkermord von beispiellosem Ausmass ab. Die Täter, Angehörige der RSF-Milizen («Schnelle Unterstützungskräfte»), begehen ihre Verbrechen nicht im Verborgenen, im Gegenteil, sie scheuen sich nicht, ihre Morde mit Mobiltelefonen zu dokumentieren und die Videos zu veröffentlichen.
Die Täter, Angehörige der RSF-Milizen («Schnelle Unterstützungskräfte»), begehen ihre Verbrechen nicht im Verborgenen, im Gegenteil, sie scheuen sich nicht, ihre Morde mit Mobiltelefonen zu dokumentieren und die Videos zu veröffentlichen.
Von «beispiellosen Massakern an der Zivilbevölkerung» schrieben westliche Medien. Der Sudan-Experte Roman Deckert, Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation «Media in Cooperation and Transition» in Genf, spricht vom «derzeit schlimmsten Ort auf der Welt». Und verweist auf Informationen über einen Massenmord an mindestens 1500 Menschen in der Stadt Al-Fasher. Und darauf, dass in der ganzen Darfur-Region über 10 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben worden seien.
500-tägige Belagerung
Direkt am Konflikt beteiligt – er begann im April 2023 – sind die reguläre Armee des Sudan einerseits und die Aufständischen der so genannten «Schnellen Unterstützungskräfte» (RSF) auf der Gegenseite. 500 Tage lang belagerten die RSF-Rebellen die Stadt Al-Fasher, jetzt haben sie sie erobert – und versuchen nun, weiter in Richtung der zentralen Gebiete Sudans vorzustossen.
- Hinter den Kräften der Armee und der RSF stehen mehrere ausländische Mächte. Saudi-Arabien und Ägypten etwa unterstützen die reguläre Armee, die sich auf den Standpunkt stellt, sie kämpfe, rechtmässig, gegen eine Gruppe von Aufständischen.
- Für die Gegenseite, die Rebellen, denen die gravierenden Verstösse gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden, engagiert sich das Regime der Vereinigten Arabischen Emirate.
Das «Wall Street Journal» schrieb, unter Hinweis auf Informationen US-amerikanischer Geheimdienste: «Dieser Krieg wäre längst vorbei, würden die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Unterstützung der Rebellen beenden.» Die Unterstützung bestehe in einer massiven Aufrüstung mit hauptsächlich chinesischen Waffen – Panzer, Haubitzen, Granaten und Gewehren; sie habe vor etwa einem halben Jahr begonnen, schreibt das Wall Street Journal.
Riesige Investionen der Emirate in Afrika
Wie kommt das Regime des rund 4000 km vom Sudan entfernten Golfstaats dazu, sich in einen Konflikt auf dem afrikanischen Kontinent einzumischen?
Ein Blick auf die Aussenpolitik der Herrscher in Abu Dhabi und Dubai: Die Emirate bauen ihre Kontakte in Afrika seit Jahren gezielt aus. Sie investieren pro Jahr bis zu 50 Milliarden Dollar in Infrastrukturprojekte auf dem Kontinent: erstens in Häfen an den ostafrikanischen Küsten, u. a. in Djibouti, Berbera in Somaliland. Aber auch grosse Teile der Hafenanlagen von Luanda in Angola oder Dakar in Senegal wurden von Gesellschaften aus den Emiraten übernommen. Total handelt es sich um 13 Häfen in acht Ländern. Zweitens gilt das Interesse der Emirate-Herrscher bestimmten Rohstoffen, u. a. den in Afrika reichlich vorhandenen Gold-Ressourcen.
Geplatzter Deal über einen Hafen am Roten Meer
Dieses Stichwort führt uns zurück zum Sudan: Die Darfur-Region ist reich an Goldvorkommen und an Goldminen. In die haben die Emirate nicht im Detail bekannte Summen investiert. Dass das Regime am Persischen Golf sich vor etwa einem halben Jahr, wie erwähnt, zugunsten der Unterstützung der RSF-Rebellen und damit gegen die legitime sudanesische Armee engagiert hat, hänge, so das Wall Street Journal, mit einem geplatzten Deal über einen Hafen am Roten Meer zusammen.
Das Scheitern von Verhandlungen mit der Regierung Sudans habe die Emirate rund sechs Milliarden Dollar gekostet, und als Reaktion auf diesen Verlust hätten sich die Verantwortlichen in Abu Dhabi dazu entschlossen, sich auf die Seite der Gegner zu schlagen. Die Führung der Emirate sei ausserdem zur Überzeugung gelangt, dass die Darfur-Region mit ihren Gold-Ressourcen auf längere Frist eher von den RSF-Rebellen als von der sudanesischen Regierung kontrolliert würde, dass also die Emirate sich ihre bereits getätigten Investitionen in die Minen dieser Region auf diese Weise besser sichern könnten.
Zu wichtig sind die Emirate …
Angesichts der von den RSF-Einheiten begangenen Verbrechen, den Massakern in und um die Stadt Al-Fasher ist das Engagement der Emirate-Herrscher ein Skandal, aber dieser Skandal wird international unter den Tisch gewischt. Zu wichtig sind, etwa aus US-amerikanischer Sicht, die Emirate für die Zukunft der Region des Mittleren Ostens – die Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate haben sich schon dadurch unentbehrlich gemacht, dass sie durch die von der Trump-Administration eingefädelten sogenannten Abrahams-Abkommen Beziehungen mit Israel aufgenommen haben.
Wichtig sind ausserdem die den USA zur Verfügung gestellten militärischen Stützpunkte. Die Europäer betrachten die Emirate für unverzichtbar als Handelspartner und Luftverkehrs-Drehscheibe in Abu Dhabi und Dubai, und wichtig sind sie schliesslich auch für das Putin-Regime. Moskau hat wohl dankbar zur Kenntnis genommen, dass die Emirate, obwohl generell west-orientiert, keine Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs verhängt haben und dass russische Unternehmen über Dubai weiterhin Geschäfte abwickeln (und dass sie, so besagen es zumindest Gerüchte, über die Emirate auch Geld waschen und Öl an den Sanktionen vorbeischleusen können).
«Place to be»
Viele Vorteile gibt es auch für die Schweiz: Mitten in der Wolkenkratzer-Silhouette von Dubai steht schliesslich ein Swiss Tower, und die bilateralen Geschäftsbeziehungen entwickeln sich hervorragend. Der Geschäftsführer der Swiss Group, Roberto Delorenzi, schrieb in Beantwortung einer Anfrage des News-Portals «swissinfo», die Vereinigten Arabischen Emirate seien einfach ein «place to be».
Fazit: Angesichts der grossen Bedeutung der Emirate für grosse und mittelgrosse Mächte in West und Ost sind Informationen über die zumindest indirekte Mitschuld der Emirate-Herrscher am Völkermord in Sudan wohl nicht gewichtig genug, um kritische Fragen zu stellen und die lukrativen Beziehungen zu gefährden.