Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Sprach-Akrobatik

Verbale Überbreiten

3. April 2015
Urs Meier
Die Tendenz, sich sprachlich breitzumachen, führt zu Blähungen und manchmal zu semantischen Betriebsunfällen.

Man liest von der Forderung, über den freien Personenverkehr verhandeln zu wollen. Oder vom Zwang, eine neue Regelung erlassen zu müssen. Desgleichen von der Fähigkeit, einen Krieg führen zu können oder von der Erlaubnis, die Abkürzung wählen zu dürfen.

Solche Blähungen sind überflüssig und mit ihrer Gedankenlosigkeit auch unelegant. Schlimmer noch: Sie verheddern sich manchmal in vertrackten Aussagen, wo sie doch etwas ganz Einfaches meinen. Und sagen also etwas Falsches.

In der ersten der verunglückten Formulierungen wird – nimmt man sie wörtlich – gesagt, das Gegenüber sei dermassen unwillens, überhaupt etwas zu unternehmen, dass erst einmal beim Wollen angesetzt werden müsse. Doch wer wird so reden? Allenfalls jemand, der sich mit der Lethargie des Gegenübers befasst. Hier aber – der Satz stammt aus einem Pressebericht – geht es offensichtlich um eine laufende Verhandlung.

Wie steht es beim Zwang oder der Notwendigkeit, etwas zu müssen? Das könnte durchaus ein Thema sein. So lässt Lessing seine Hauptfigur in «Nathan der Weise» sagen: «Kein Mensch muss müssen.» Der berühmte scherzhafte Einwurf des Nathan gegenüber dem Derwisch zielt allerdings aufs Philosophische und nicht auf den konkret vorliegenden Zwang. Und an eine solche Flughöhe ist im alltäglichen Sprachgebrauch meistens nicht gedacht.

Bei der Fähigkeit, etwas zu können meint der Wortsinn, wenn es denn einen gibt, wahrscheinlich eine mentale Vorstufe des Könnens; in unserem Beispiel vielleicht eine Bereitschaft, überhaupt Krieg in Betracht zu ziehen. Aber bei dieser Aufschlüsselung ist schon etwas viel Goodwill im Spiel. Botho Strauss ist da strenger: «Nur das Können zu können ist eine Form des Absurden.»

Ist hingegen von der Erlaubnis, etwas zu dürfen die Rede, so liegt der Fall einfach: Es ist schlicht ein Bückling zuviel. Ob in den doppelt gemoppelten Formulierungen sich ein komplizierter Sinn verstecken könnte oder nicht, ist denn auch egal. Es geht ihnen nur darum, sich verbal breitzumachen. Das kommt bei uns, die wir das höfische Zeremoniell des Barock hinter uns gelassen haben, meistens nicht gut.

Letzte Artikel

Der Papst und der Patriarch von Istanbul in Nizäa – Nur der Kaiser fehlte

Erwin Koller 4. Dezember 2025

EU berechenbarer als USA

Martin Gollmer 4. Dezember 2025

Dröhnendes Schweigen um Venezuela

Erich Gysling 1. Dezember 2025

Spiegel der Gesellschaft im Wandel

Werner Seitz 1. Dezember 2025

Bücher zu Weihnachten

1. Dezember 2025

Nichts Dringlicheres als die Rente?

Stephan Wehowsky 1. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.