
Während sich auch am siebten Kriegstag Israel und Iran mit Raketen beschiessen, hat sich der amerikanische Präsident noch nicht entschieden, ob die USA in den Krieg eintreten werden. Aus Furcht vor einem «grösseren Flächenbrand im Nahen Osten» wartet er ab. Nach Angaben der New York Times hat er angedeutet, dass es «für die Diplomatie noch nicht zu spät» sei.
Aus Iran kamen inzwischen widersprüchliche Signale. Ein hochrangiger Diplomat erklärte gegenüber der New York Times, Iran sei «offen für Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten». Zuvor jedoch hatte Ajatollah Ali Chamenei, der oberste Führer Irans, Trumps Forderung nach einer «bedingungslosen Kapitulation» zurückgewiesen. Die USA würden «irreparablen Schaden» erleiden, sollten sie in den Krieg eintreten, sagte Chamenei.
«Ich treffe eine endgültige Entscheidung gerne eine Sekunde, bevor sie fällig ist, denn die Dinge ändern sich», sagte Trump am Mittwochabend. Also wartet er noch. «Auf was?», fragen Medien. «Darauf, dass Iran erhebliches Entgegenkommen zeigt?»
Witkoff oder Vance nach Teheran?
Trump hat laut amerikanischen Medien die Möglichkeit in Aussicht gestellt, dass sein Sondergesandter Steve Witkoff oder sogar Vizepräsident J. D. Vance mit iranischen Vertretern zusammentreffen könnten, um eine Verhandlungslösung zu finden. Ein hochrangiger Beamter des iranischen Aussenministeriums sagte am Mittwoch, der iranische Aussenminister würde ein solches Gesprächsangebot annehmen.
Der Entscheid, ob die USA in den Krieg eintreten, «rückt immer näher», schreibt CNN. Trump habe Angriffspläne für Iran geprüft, wolle aber abwarten, ob Teheran von seinem Atomprogramm abrückt, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person gegenüber CNN.
Israel hat Trump gedrängt, die unterirdischen iranischen Atomanlagen in Fordo mit starken amerikanischen Waffen anzugreifen. Ein solcher Angriff würde gemäss New York Times die Befürchtung verstärken, dass es im Nahen Osten zu einem «grösseren Flächenbrand» kommt.
Während auf einen Entscheid des amerikanischen Präsidenten gewartet wird, feuern auch am siebten Kriegstag sowohl Israel als auch Iran weitere Raketen auf ihre Gegner ab.
Iran bombardiert israelisches Spital
Wie das israelische Militär am Donnerstagmorgen mitteilte, schlugen iranische Raketen an mehreren Orten in Israel ein, darunter auch im grössten Spital im Süden des Landes. Das Soroka Medical Center in der Stadt Be’er Scheva teilte mit, dass es weitreichende Schäden erlitten habe, und bat die Öffentlichkeit, das Krankenhaus nicht aufzusuchen. Sechs Menschen wurden laut Haaretz schwer verwundet. Nach Angaben des israelischen Militärs handelt es sich um das erste israelische Spital, das seit Beginn des Krieges am Freitag direkt getroffen wurde.
Bei einem iranischen Bombenanschlag in Zentrlisrael wurden zahlreiche Menschen verletzt, einige davon schwer.
Schon am frühen Morgen heulten in ganz Israel die Sirenen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, die Schutzräume aufzusuchen.
Israelische Angriffe
Israel erklärte, es habe die iranischen Raketenproduktionskapazitäten ins Visier genommen. Auf über 20 militärische Einrichtungen seien «eine Reihe von Angriffen» durchgeführt worden.
«Irreparablen Schaden»
Ajatollah Ali Chamenei, der Oberste iranische Führer, sagte in einer landesweit übertragenen Rede, dass Iran nicht aufgeben werde. Er warnte, dass jede militärische Intervention der USA zu «irreparablem Schaden» führen würde. Er kritisierte auch, dass Israel seine Angriffe gestartet habe, «während Iran Atomgespräche mit den USA aufgenommen habe».
«Keine andere Wahl als Vergeltung»
«Wenn die Amerikaner beschliessen, sich militärisch einzumischen, haben wir keine andere Wahl, als Vergeltung zu üben, wo immer wir die Ziele finden, auf die wir reagieren müssen.» Dies erklärte der stellvertretende iranische Aussenminister Majid Takht Ravanchi gegenüber Christiane Amanpour von CNN. «Das ist klar und einfach. Denn wir handeln in Selbstverteidigung.»
Netanjahu dankt
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu dankte Trump dafür, dass er «an unserer Seite steht». Er sagte, die beiden Staatsoberhäupter hätten regelmässig miteinander gesprochen. Das letzte Gespräch sei «sehr herzlich» gewesen.
Gespaltene Republikaner
Einige republikanische Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses unterstützen einen Kriegseintritt der USA – andere nicht. Um einen Krieg zu beginnen, bräuchte Trump die Einwilligung des amerikanischen Kongresses. Lindsey Graham, Senator von South Carolina, gehört zu den entschiedenen Befürwortern eines aggressiven Vorgehens gegen Iran. Im Gegenstz dazu hat der Abgeordnete Tim Burchett aus Tennessee zur Zurückhaltung aufgerufen. Er wünsche sich eine «sehr geringe» Beteiligung der USA.
Der demokratische Senator Tim Kaine und der republikanische Abgeordnete Thomas Massie haben Resolutionen eingebracht, die Trumps Befugnis, das Militär ohne ausdrückliche Zustimmung des Kongresses einzusetzen, einschränken würden.
Strahlenleck nach Angriff auf Fordo?
Die iranische Aufbereitungsanlage Fordo befindet sich tief im Berg. Die USA überlegen sich, ob sie auf Drängen Israels mit einer bunkerbrechenden Bombe die Anlage zerstören sollen. Würde ein solcher Einsatz gefährliche atomare Strahlen freisetzen?
Kelsey Davenport, Direktorin für Nichtverbreitungspolitik bei der «Arms Control Association», erklärt gegenüber amerikanischen Medien, dass der Strahlenaustritt in der unmittelbaren Nähe wahrscheinlich begrenzt sein würde und «keine katastrophalen Folgen» hätte. Es sei «unwahrscheinlich, dass es zu einer signifikanten, weit verbreiteten Kontamination der Umwelt und der Gesundheit kommt».
30’000-Pfund-Bombe
Die amerikanische 30’000 Pfund (ca. 14’000 Kilo) schwere «Bunker Buster»-Bombe wäre die einzige Waffe, die in der Lage wäre, die tief unter der Erde liegende Fordo-Brennstoffanreicherungsanlage zu zerstören. Diese Anlage ist das Herz des iranischen Atomprogramms.
Die Bunker Buster-Bombe mit dem Namen «GBU-57 Massive Ordnance Penetrator» ist bisher noch nie zum Einsatz gekommen. Masao Dahlgren, Mitarbeiter des «Center for Strategic and International Studies Missile Defense Project» sagt, von den 30’000 Pfund würden 6’000 Pfund aus hochexplosivem Sprengstoff bestehen. Die Amerikaner sind die Einzigen, die diese Bombe einsetzen könnten, deshalb verlangt Israel eine amerikanische Beteiligung am Krieg.
Chaos wie im Irak?
Die renommierte amerikanisch-israelische Meinungsforscherin und Publizistin Dahlia Scheindlin schreibt am Mittwoch in einer Kolumne in der Netanjahu-kritischen israelischen Zeitung Haaretz, dass in Iran ein Stimmungsumschwung stattfinde. Unter Leuten, die das Mullah-Regime hassten, hätte sich zu Beginn der israelischen Angriffen eine pro-demokratische, pro-israelische Stimmung breitgemacht. Doch als Iraner und Iranerinnen getötet wurden und «das Leben zum Chaos wurde», habe sich diese Stimmung gelegt, schreibt Scheindlin und zitiert Negar Mortazavi, Senior Fellow am «Center for International Policy» in Washington DC. Er sagt «Die Leute sagten, dass es langsam wie in Gaza aussieht.» Und «die wachsende Wut auf Israel ist eigentlich sehr, sehr gut für die Islamische Republik». Die Bombardierung eines nationalen Fernsehsenders am Montag habe diesen Prozess sicherlich beschleunigt.
Scheindlin weist auch auf ein «beängstigendes Szenario» hin, das beim Zusammenbruch des iranischen Regimes oder beim Tod Ali Chameneis eintreten könnte. Folge könnte der Zerfall des Staates und ein Machtvakuum sein, aus dem «böse Akteure» hervorgehen können. Terrortruppen lauern. Scheindlin zitiert den Iran-Kenner und künftigen Yale-Dozenten Arash Azizi, der warnt: «Das Militär verliert (bei einem Sturz der iranischen Machthaber) den Zusammenhalt, militärische Fraktionen werden zu Milizen, sie gehen in den Untergrund. Und wie im Irak kommt es zu Chaos und Verwirrung.»
Evakuierung
Die USA haben am Mittwoch einige Botschaftsangehörige und Familienmitglieder mit einem US-Militärflugzeug aus Israel evakuiert. Dies berichten mehrere amerikanische Medien. Mike Huckabee, der amerikanische Botschafter in Israel sagt, die Botschaft arbeite «an Evakuierungsflügen und Evakuierungsschiffen».
Internet-Blackout in Iran
Iranerinnen und Iraner haben zur Zeit keinen Zugang zu ausländischen Internet-Plattformen. «Aus Sicherheitsgründen» wird der Bevölkerung nach Angaben des iranischen Informationsministeriums das Aufschalten ausländischer Sites verunmöglicht. «Aufgrund des Missbrauchs des nationalen Kommunikationsnetzes durch den feindlichen Aggressor zu militärischen Zwecken und zur Gefährdung des Lebens und des Eigentums unschuldiger Menschen wurden auf Beschluss der zuständigen Behörden vorübergehende Beschränkungen des Internetzugangs verhängt», teilte das Ministerium mit. Doch der Zugang zu «öffentlichen Kommunikationsdiensten und inländischen Plattformen» bleibe verfügbar. Schon früher hatte Iran immer wieder den Zugang zum Internet abgeschaltet, um Meinungen, die von den offiziellen abweichen, zu unterdrücken.
(Journal 21, Quellen: Associated Press AP, New York Times, CNN, Haaretz, Al Jazeera)