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Israel/Iran

Was hat Trump vor?

17. Juni 2025
Heiner Hug
Zentralisrael
Nach dem Einschlag einer iranischen Rakete in Zentralisrael (Keystone/AP/Baz Ratner)

Während Iran in die Defensive gedrängt wird, könnte Bewegung in den jetzt fünftägigen Konflikt kommen. Präsident Donald Trump erklärte sibyllinisch, es gehe jetzt «um viel mehr als um einen Waffenstillstand». Auch am Tag fünf feuern beide Seiten Dutzende Raketen ab. Doch die letzte Nacht war ruhiger als die Nächte zuvor.

Iran hat in der Nacht zum Dienstag weniger ballistische Raketen auf Israel abgefeuert als zuvor. Nach israelischen Angaben hat das israelische Militär in der vergangenen Nacht 30 Raketen und Drohnen auf Iran abgefangen und «eliminiert». Einige wenige richteten Schäden an. «Die letzte Nacht war die Nacht mit den geringsten Auswirkungen der iranischen Angriffe seit Beginn dieser Operation», sagte der internationale Sprecher der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF), Oberst Nadav Shoshani, gegenüber Journalisten. Laut dem nationalen israelischen Rettungsdienst wurde vergangene Nacht und am Dienstagmorgen niemand in Israel verletzt. 

Effie Defrin, ein Sprecher der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) sagte: «Wir können es uns nicht leisten, selbstgefällig zu sein.» Er forderte die israelische Bevölkerung erneut auf, den Anweisungen der Armee Folge zu leisten, «um Leben zu retten». 

Neue iranische Angriffe

Während die Nacht zum Dienstag – im Vergleich zu den vier Nächten bevor – eher ruhig war, hat Iran am Dienstagmorgen eine weitere Welle von Raketen auf Israel abgefeuert. Dabei würden nach einem Bericht der Agentur Kiumars Heidari «neue, fortschrtittliche Waffen eingesetzt». Die Angriffe würden in den kommenden Stunden verstärkt.

Jerusalem
Nicht alle iranischen Geschosse können abgefangen werden. Im Bild eine iranische Rakete am Dienstag über Jerusalem. (Keysrtone/EPA/Abir Sultan)
Garage
Gute Miene zum bösen Spiel: Ein Familie sucht Schutz in einer unterirdischen Garage in Tel Aviv. (Keystone/Bar Ratner)

Israelische Angriffe in der Nacht zum Dienstag

Die israelische Luftwaffe erklärte, sie habe in der Nacht «mehrere umfangreiche Angriffe auf militärische Ziele des iranischen Regimes im Westen des Irans» durchgeführt. Getroffen worden seien Raketenlager, Abschussanlagen, Raketenwerfer und Drohnenlager.

Teheran
Helfer des Roten Halbmonds in einem Teheraner Wohngebiet nach einem israelischen Luftangriff am Dienstag (Keystone/Iranischer Roter Halbmond)

Neuer iranischer Stabschef getötet

Ali Shadmani, der neue iranische Stabschef, ist in der Nacht zum Dienstag nach israelischen Angaben von der israelischen Luftwaffe getötet worden. Shadmani hatte sein Amt am Freitag angetreten, nachdem bei Israels ersten Angriffen auf Iran mehrere hochrangige Kommandanten getötet worden waren, darunter auch Shadmanis Vorgänger, Generalleutnant Gholam Ali Rashid.

In einer Erklärung der israelischen Armee heisst es, dass nach «präzisen Geheimdienstinformationen», die die israelischen Verteidigungskräfte erhalten hätten, und «einer plötzlichen Gelegenheit» die israelische Luftwaffe «eine mit Personal besetzte Kommandozentrale im Herzen Teherans» angegriffen habe. Dabei sei Ali Shadmani «eliminiert» worden. Seit dem Beginn der israelischen Angriffe hat Israel mindestens elf hochrangige Generäle getötet. 

Ali Shadmani
Der getötete Generalmajor Ali Shadmani (Keystone/EPA/Büro des Obersten iranischen Führers)

«Es geht um viel mehr als um einen Waffenstillstand»

Laut amerikanischen Medien ist noch immer unklar, weshalb Trump seine Teilnahme am G-7-Gipfel im kanadischen Kananaskis überstürzt verliess. Auch US-Aussenminister Marco Rubio kehrte nach Washington zurück.

«Sie sehen wahrscheinlich, was ich sehe, und ich muss so schnell wie möglich zurück sein», sagte Trump, als sich die Staats- und Regierungschefs zum traditionellen Gruppenfoto versammelten. Der kanadische Premierminister Mark Carney, der Gastgeber des Gipfels, sagte, er verstehe, warum Trump gehen musste.

Air Force One
Trump in der Air Force One bei seiner Rückkehr vom G7-Gipfel in Kanada nach Washington (Keystone/AP/Mark Schiefelbein)

J. D. Vance als Vermittler?

In einem Gespräch mit Reportern an Bord der Air Force One sagte Trump, er «könnte» US-Vizepräsidenten J. D. Vance und seinen Sondergesandten für den Nahen Osten, Steve Witkoff, zu Gesprächen mit iranischen Vertretern schicken. «Es hängt davon ab, was passiert, wenn ich zurückkomme», fügte er hinzu. Ausserdem bekräftigte Trump seinen Standpunkt, dass Iran «keine Atomwaffe haben kann».

Greifen die USA in den Krieg ein?

In Washingtoner Journalistenkreisen spekuliert man darüber, ob die USA an der Seite Israels in den Krieg eingreifen könnten. Mehrere Beamte wiesen solche Spekulationen jedoch zurück. Eine Beteiligung der USA am Krieg würde wohl, so heisst es, die ganze Region für lange Zeit in einen Krieg verwickeln.
 

Trump macht Macron lächerlich

Vor seiner abrupten Abreise hat der amerikanische Präsident den französischen Präsidenten Emmanuel Macron scharf kritisiert und lächerlich gemacht. Der «öffentlichkeitswirksame französische Präsident Macron», so Trump, habe fälschlicherweise behauptet, er kehre nach Washington zurück, um an einem «Waffenstillstand» zu arbeiten. Auf seinem «Truth Social»-Account schrieb Trump: «Falsch!» Macron habe «keine Ahnung, warum ich jetzt auf dem Weg nach Washington bin, aber es hat sicherlich nichts mit einem Waffenstillstand zu tun», fuhr er fort. Es gehe «um viel mehr. Ob absichtlich oder nicht, Emmanuel versteht es immer falsch. Stay Tuned!»

Zuvor hatte Macron gesagt, Trump habe ein Angebot für einen Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran gemacht. «Es gibt ein Angebot, das gemacht wurde, insbesondere um einen Waffenstillstand zu erreichen und breitere Diskussionen zu initiieren», sagte Macron vor Reportern auf dem G7-Gipfel im kanadischen Kananaskis. «Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika einen Waffenstillstand erreichen können, ist das eine sehr gute Sache, und Frankreich wird das unterstützen, und wir wünschen es uns», sagte Macron auf Französisch.

G7-Erklärung

Die Staats- und Regierungschefs der G7, darunter auch Präsident Trump, haben eine gemeinsame Erklärung zum Nahen Osten abgegeben. «Wir, die Staats- und Regierungschefs der G7, bekräftigen unser Engagement für Frieden und Stabilität im Nahen Osten», heisst es in der Erklärung. «In diesem Zusammenhang bekräftigen wir, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat. Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Sicherheit Israels.»

In der gemeinsamen Erklärung wird Iran als «Hauptursache für regionale Instabilität und Terror» bezeichnet. Beamte aus Kanada, dem Gastgeber des Gipfels, bestätigten, dass die Vereinigten Staaten die Erklärung trotz früheren Widerstands unterzeichnet haben.

In der Erklärung wird auch der anhaltende Krieg Israels im Gazastreifen erwähnt, in dem nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden über 55’000 Zivilisten ums Leben gekommen sind. «Wir drängen darauf, dass die Lösung der Iran-Krise zu einer breiteren Deeskalation der Feindseligkeiten im Nahen Osten führt, einschliesslich eines Waffenstillstands in Gaza», heisst es in der G7-Erklärung.

Iran am Verhandlungstisch?

Laut der New York Times erklärte Trump in Kanada vor Reportern, er glaube, dass «Iran im Grunde am Verhandlungstisch sitzt» und ein Abkommen schliessen wolle. Auf die Frage, ob er einen Regimewechsel in Iran anstrebe, antwortete Trump ausweichend: «Ich möchte keine Atomwaffen in Iran sehen, und wir sind auf dem besten Weg, das zu erreichen.»

«Verlasst Teheran»

In einem Beitrag auf Truth Social während des G7-Gipfeltreffens in Kanada wiederholte Präsident Trump seine Behauptung, Iran habe die israelischen Angriffe auf sich gezogen, weil Teheran seinem Drängen, ein Abkommen zur Beendigung seines Atomprogramms zu unterzeichnen, nicht nachgekommen sei. «Was für eine Schande und Verschwendung von Menschenleben», schrieb Trump. «Einfach ausgedrückt: Iran kann keine Atomwaffen haben. Ich habe es immer und immer wieder gesagt! Jeder sollte Teheran sofort evakuieren!» Teheran hat zehn Millionen Einwohner, zusammen mit der Agglomeration sind es 14 Millionen.

Begräbnis
Begräbnis von Ali Hatefi (links), Abbas Zarei (hinten), und Mohsen Mirzaei (rechts) in Asadabad (Keystone/AP/Abdolrahman Rafati/Tasnim News Agency)

Viele verlassen Teheran

Laut dem katarischen Nachrichtensender Al Jazeera hat sich «ein grosser Teil der Bevölkerung» von Teheran entschlossen, die Stadt zu verlassen. «Unter den Einwohnern herrscht ein starkes Gefühl der Angst und Furcht.» Es gebe aber interessanterweise auch ein ausgeprägtes Gefühl der Solidarität unter jenen, die bleiben wollten. In Vierteln, die von Bomben getroffen wurden, sei «eine tiefe Wut» zu spüren.

Wenig Einfluss auf das iranische Atomprogramm

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, er glaube, die israelischen Angriffe hätten das iranische Atomprogramm «für eine sehr lange Zeit» zurückgeworfen. Dem widersprechen amerikanische Geheimdienstkreise. Ein Geheimdienstbeamter sagte, die tagelangen israelischen Luftangriffe hätten das iranische Atomprogramm «nur um einige Monate» gestoppt. 

Israel hatte zu Beginn der Angriffe verlauten lassen, Iran nähere sich «einem Punkt ohne Wiederkehr». Kurz: Iran stehe vor dem Bau der Bombe. Um dem zuvor zu kommen, so Israel, seien die Angriffe nötig. Laut CNN kamen die US-Geheimdienste jedoch zu einem anderen Schluss: Iran sei «bis zu drei Jahre davon entfernt, eine (eine Atombombe) zu produzieren.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) widerspricht US-Geheimdienstangaben. Die in Wien ansässige Organisation erklärte letzte Woche, Iran verfüge über Uran, dass knapp unter der Waffenqualität angereichert sei. Dieses würde ausreichen, um möglicherweise neun Atombomben herzustellen. Die Herausforderung für Iran bestehe nicht nur darin, eine einfache Atomwaffe herzustellen – was nach Ansicht von Experten innerhalb weniger Monate möglich wäre –, sondern auch ein funktionierendes Trägersystem zu entwickeln, was mehrere Monate dauern könnte.

Während Israel der iranischen Anlage in Natanz erheblichen Schaden zugefügt hat, blieb eine zweite, stark befestigte Anreicherungsanlage in Fordow praktisch unangetastet. Nach Ansicht von Verteidigungsexperten ist Israel nicht in der Lage, Fordow ohne spezielle US-Waffen und Luftunterstützung zu beschädigen. Die Anlage befindet sich je nach Quellen 60 bis 300 Meter tief im Boden.

Rafael Grossi, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, sagte, dass die Stromzufuhr zur Urananreicherungsanlage in Natanz bei israelischen Angriffen am Freitag unterbrochen worden sei. Dadurch seien die Zentrifugen «wahrscheinlich ausser Kontrolle geraten».

Mehr Unterstützung für die iranischen Hardliner?

Abas Aslani ein iranischer Journalist und Forscher in Teheran erklärte gegenüber CNN, die israelischen Angriffe würden dazu beitragen, die iranische Regierung zu stärken. Auch jene, die dem Regime kritisch gegenüberstünden, würden  das Regime mehr und mehr unterstützen. Die iranischen Hardliner würden gestärkt. 

Hisham A. Hellyer, britischer «Senior Associate Fellow, Royal United Services Institute for Defence and Security Studies», erklärte gegenüber CNN, die israelischen Angriffe stärkten in Iran jene, die eine «aggressive, kriegerische Haltung» einnehmen. Die Hardliner in Iran würden «immens gestärkt. Das sei schwer zu übersehen», sagte Hellyer.

In New York demonstrierten auch Juden gegen die israelischen Angriffe.

New York
Orthodoxe Juden am Montagabend auf dem Times Square in New York (Keystone/EPA/Sarah Yensel)

«Der Konflikt kann nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden»

In einer gemeinsamen Erklärung verurteilen die Aussenminister von 20 arabischen und muslimischen Ländern die israelischen Angriffe und rufen zu einer Deeskalation auf. Dies berichtet die ägyptische Nachrichtenagentur MENA. Die Aussenminister Ägyptens, Jordaniens, Pakistans, Bahrains, Bruneis, der Türkei, des Tschad, Algeriens, der Komoren, der Vereinigten Arabischen Emirate, Dschibutis, Saudi-Arabiens, des Sudan, Somalias, des Iraks, Omans, Katars, Kuwaits, Libyens und Mauretaniens äusserten in der Erklärung ihre «grosse Sorge über die gefährliche Eskalation in der Region». Sie unterstrichen, wie wichtig es ist, einen Nahen Osten zu schaffen, der frei von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen ist. Die Länder werden aufgefordert, dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen beizutreten. Israel ist nicht Vertragspartei dieses internationalen Abkommens, das die Verbreitung von Atomwaffen verhindern soll. Die Minister betonten, dass der Konflikt mit diplomatischen Mitteln gelöst werden sollte. Er könne «nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden».

Neue israelische Angriffe in Gaza

Während die Weltöffentlichkeit auf den Krieg zwischen Israel und Iran fixiert ist, setzt Israel seine Bombenangriffe in Gaza fort. Gemäss Angaben des Gesundheitsministerium in Gaza sind am Dienstag bei dem Angriff auf die Stadt Khan Younis 51 Palästinenser getötet und mindestens 200 weitere verwundet wurden. Von diesen befinden sich 21 in einem kritischen Zustand. «Der Angriff ereignete sich, als sich Hilfesuchende an den Zufahrtswegen zu einer kürzlich von der ‘Gaza Humanitarian Foundation’ (GHF) eingerichteten Stelle für die Verteilung von Hilfsgütern im östlichen Teil der Stadt Khan Younis versammelten», erklärt Al Jazeera. Augenzeugen hätten berichtet, dass sie Nahrungsmittelhilfe abholen wollten, aber ohne jede Vorwarnung mit scharfer Munition und Drohnenangriffen beschossen wurden.

(Quellen: Associated Press, New York Times, CNN, Haaretz, Washington Post, Al Jazeera)

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