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Ukraine Tag 120

120 Tage Krieg – eine Bilanz

22. Juni 2022, aktualisiert
Mariupol
Ein Vater in der südukrainischen Stadt Mariupol trauert um seine Tochter Iliya. (Foto: Keystone/AP)

Vier Monate dauert nun dieser Krieg. Ganze Stadtteile und Landstriche liegen in Schutt und Asche. Zehntausende Menschen starben. Die Infrastrukturkosten belaufen sich auf weit über 100 Milliarden Euro. Ein Ende ist nicht abzusehen. Immer mehr belastet der Krieg auch die übrige Welt. Die Kämpfe könnten «noch jahrelang» dauern, sagt die Nato. Alles könnte noch schlimmer werden.

Mit diesem Artikel beenden wir unsere tägliche, detaillierte Berichterstattung über die Ereignisse in der Ukraine. Selbstverständlich werden wir Sie auch weiterhin über wichtige Ereignisse auf dem Laufenden halten.


Hier einige Stichworte zum jetzt vier Monate dauerenden Krieg in der Ukraine.

Der Anfang

Am 24. Februar 2022 überfielen russische Streitkräfte das westliche Nachbarland Ukraine. Zuvor hatten die Russen an der ukrainischen Grenze mit 150’000 Mann eine «Militärübung» durchgeführt. Präsident Putin und Aussenminister Lawrow erklärten immer wieder, Russland werde nicht in die Ukraine eindringen. Präsident Joe Biden gehörte zu den wenigen, die das nie glaubten und eindringlich vor einer russischen Invasion warnten.
Putin nennt die in der Ukraine eingefallenen Verbände «Friedenstruppen». Ihr Ziel sei es, die Ukraine von den «Neonazis» zu säubern.

Panzer
Panzer in der Region Rostow am Don, nahe der südostukrainischen Grenze (Foto: Keystone/EPA/Juri Kochetkov)

Früher Flop

Der Überfall erwies sich rasch als Flop. Die Russen glaubten, die Ukraine in wenigen Tagen erobern zu können und waren überrascht vom ukrainischen Widerstand. In Kiew landeten russische Fallschirmjäger und versuchten, Präsident Wolodimir Selenskyj festzunehmen oder zu töten. Die Aktion scheiterte schon im Ansatz.

Solidaritätswelle

Die Ukraine wurde von einer riesigen weltweiten Solidaritätswelle erfasst. Putin hatte nicht damit gerechnet, dass er plötzlich fast allein dastand. In der Uno wurde er einzig von Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea unterstützt. China, Indien und die Vereinigten Emirate enthielten sich der Stimme. Inzwischen spielen China, Brasilien, Indien und die Vereinigten Emirate ein Doppelspiel.

Sanktionen gegen Russland

Der Westen beschloss weitgehende Sanktionen gegen Russland. Seit Februar hat die EU sechs Sanktionspakete verhängt. Diese enthalten gezielte restriktive Massnahmen gegen Einzelpersonen (individuelle Sanktionen), Wirtschaftssanktionen und diplomatische Massnahmen. Die Sanktionen betreffen unter anderem Rohöl und raffinierte Erdölerzeugnisse, Kohle, Stahl, Eisen, Holz, Zement, Düngemittel.

Die Meinungen gehen auseinander, wie weit die Sanktionen Russland wirklich treffen. Putin sagt, sie hätten das Ziel «völlig verfehlt». Kreml-Sprecher Peskow erklärte, Russland gehe «gestärkt» aus der Krise hervor. Amerikanisch Thinktanks rechnen damit, dass die Sanktionen bald ihre volle Wirkung entfalten werden.

Nato

Das Nordatlantik-Bündnis zeigte in den letzten Jahren einige Risse und einige Schwächen. Putin hat genau das erreicht, was er nicht wollte. Die Nato geht aus diesem Konflikt wie neugeboren und gestärkt hervor. Sie tritt überzeugend als geeinter, kampfwilliger Block auf. Putin hatte gehofft, die Risse innerhalb des Bündnisses vertiefen zu können. Das Gegenteil trat ein. Schlimmer noch für Putin: Finnland und Schweden beantragten eine Nato-Mitgliedschaft.

Russische Kriegsverbrechen

Laut dem Völkerrecht müssen Armeen unterscheiden zwischen «Kombattanten» und Zivilpersonen (Genfer Konventionen). Die Russen tun das nicht. Sie beschiessen wahllos zivile Einrichtungen, Geburtskliniken, Spitäler, Altersheime, Wohnquartiere, Bahnhöfe und sogar Friedhöfe. Damit begehen sie nach internationalem Recht schwere Kriegsverbrechen. In die Annalen eingehen werden die Massaker, die russische Soldaten in den ersten Kriegswochen im Raume Kiew verübt haben, vor allem in den Vorstädten Butscha und Irpin.

Hunderte internationaler Forensiker sind dabei, die russischen Kriegsverbrechen zu untersuchen. Ziel ist es, möglichst viele der Akteure ausfindig zu machen. Einige russische Soldaten wurden bereits zu lebenslanger Haft verurteilt, unter anderem ein 21-Jähriger, der einen Zivilisten erschossen hatte. Er legte inzwischen Berufung ein. Russland sagt, seine Truppen würden keine Kriegsverbrechen begehen.

Geburtsklinik
Mariana Vishegirskaya hatte den russischen Raketenangriff auf der Entbindungsklinik in Mariupol überlebt. Kurz darauf gebar sie in einer anderen Klinik ein Mädchen. Das Bild zeigt sie mit dem Neugeborenen. Mariupol, Kiew, Charwik und andere Städte wurden am Montagmorgen erneut beschossen. (Foto: Keystone/AP/Mstyslav Chernov)
Schule
Bei einem Bombenanschlag auf eine Schule im Dorf Bilohirivka nahe der ostukrainischen Stadt Luhansk sind sechzig Menschen ums Leben gekommen. (Foto: Serhiy Haidai)
Schule Bilohirivka
Bilohirivka (Foto: Serhiy Haidai)

Irpin

Stark verwüstet wurde in den ersten Kriegswochen die Kiewer Vorstadt Irpin. Die Russen sprengten ganze Stadtteile und schossen wahllos auf Zivilisten.

Irpin
7. März: Menschen flüchten neben einer zerstörten Brücke auf einem Notsteg aus der umkämpften Stadt Irpin bei Kiew. (Foto: Keystone/EPA/Roman Pilipey)

Butscha

Traurige Berühmtheit hat die Kiewer Vorstadt Butscha erlangt. Russische Einheiten begingen hier schwerste Kriegsverbrechen. Sie beschossen Zivilisten, folterten sie und vergewaltigten Frauen. Etwa 400 Menschen starben. «Kommt nach Butscha», sagte Präsident Selenskyj, «und seht diese Hölle». Internationale Experten sprechen von einem «eigentlichen Massaker».

Butscha
Die 57-jährige Tanya Nedashkivs'ka trauert um ihren Mann, der in Butscha erschossen wurde. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Knabe
Der sechsjährige Vlad Tanyuk trauert um seine Mutter. Ira Tanyuk war an Unterernährung, Stress und Verzweiflung gestorben. (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)
Butscha
Butscha, 4. April Tote im Hinterhof (Foto: Keystone/AP/Vadim Ghirda)
Butscha
Butscha (Foto: Keystone/AP/Rodrigo Abd)

Mariupol

Zu den schrecklichsten «Highlights» dieses Krieges gehören die Ereignisse im südukrainischen Mariupol. Russische Kampfflugzeuge bombardierten ein Theater und eine angebaute Schule. Rund 600 Menschen starben.

Mariupol
Das Satellitenbild zeigt (in der Mitte) das bombardierte Theater von Mariupol. Vor dem Eingang ist deutlich die weisse Schrift «Kinder» zu lesen. (Foto: Keystone/Satellitenbild Maxar Technologies via AP)
Mariupol Theater
Das Theater in Mariupol (Foto: Keystone/EPA/Sergei Ilnitzsky)

Anschliessend wurde die eingekesselte Stadt fast pausenlos mit russischen Raketen und Artilleriegranaten beschossen. Dabei kamen etwa 20’000 Menschen ums Leben. In der Stadt fehlte es an Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten. In den Strassen lagen Leichen herum. Auf den Friedhöfen war kein Platz mehr. Viele Tote wurden irgendwo begraben. Die Russen legten ausserhalb der Stadt Massengräber an, um ihre Morde zu vertuschen.

Mariupol
Neunzig Prozent der Stadt sind zerstört oder schwer beschädigt. (Foto: Keystone/AP/Alexei Alexandrov)
April, Saporischschja Evakuierter
Nach wochenlangem Feilschen mit den Russen konnten die ersten Zivilisten aus Mariupol evakuiert werden. Das Bild zeigt die Ankunft geschwächter Menschen in Saporischschja. (Foto: Keystone/AP/Evgeniy Maloletka)

Der Kampf um das Stahlwerk Azowstal entwickelte sich zu einem wochenlangen blutigen Hin und Her. Im Werk hatten neben ukrainischen Soldaten Hunderte Zivilisten Zuflucht gesucht. Ende Mai hatten die im Stahlwerk eingeschlossenen Kämpfer kapituliert. Angehörige befürchten, dass sie als «Terroristen» und «Kriegsverbrecher» vor ein Gericht gestellt werden. In der Ukraine gelten sie als Nationalhelden.

Kämpfer im Stahlwerk
Kämpfer im Stahlwerk (Foto: Keystone/AP)
Kämpfer im Stahlwerk
Kämpfer im Stahlwerk (Foto: Keystone/AP)
Kämpfer im Stahlwerk
Kämpfer im Stahlwerk (Foto: Keystone/AP)

Flüchtlinge

Fünfzehn Millionen Menschen sind geflohen oder vertrieben worden. 7,7 Millionen verliessen das Land, 8 Millionen wurden im eigenen Land vertrieben (Binnenflüchtlinge). Allein Polen hat gut 4 Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen (Stand: 22. Juni). Die Republik Moldau hat über 502’000 Flüchtlingen Unterkunft gewährt. Kein Land hat pro Kopf seiner Einwohner mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen.

Polen
Im Bahnhof der polnischen Kleinstadt Przemyśl wurden Notunterkünfte eingerichtet. (Foto: Keystone/AP/Markus Schreiber)
Lyman
(Foto: Keystone/AP/Evgeniy Maloletka)
Pokrowsk
Viele können nicht flüchten. Das Bild zeigt einen Patienten in einem verbarrikadierten Spitalzimmer in Pokrowsk. (Foto: Keystone/AP/Francisco Seco)

Russische Kriegsführung

Die russische Kriegsführung besteht darin, Städte und ganze Landstriche wahllos in Schutt und Asche zu legen. Auf Zivilpersonen nehmen sie keine Rücksicht. Dann, wenn sich fast nichts mehr bewegt, rücken sie vor.

Slowjansk
Hunderte Granateneinschläge, Krater, nichts als Krater bei Slowjansk (Satellitenfoto: Maxar Technologies)

Russische Überlegenheit

Was die Zahl der Soldaten und Waffen betrifft, sind die Russen den Ukrainern weit überlegen. Die russischen Streitkräfte sollen über zehn Mal mehr Artillerie-Batterien verfügen als die Ukrainer. Einem Berater der Kiewer Regierung zufolge feuert Russland bis zu 50’000 Artilleriegeschosse pro Tag ab. Die Ukraine kann nur mit einem Zehntel dieser Menge zurückschlagen.

Charkiw
Charkiw (Foto: Ukrainisches Präsidialamt)

Tote

Nach ukrainischen Angaben sind im Krieg mindestens zehntausend ukrainische Soldaten getötet worden. Pro Tag sollen es in jüngster Zeit, je nach Quellen, zwischen 100 und 200 sein.

Laut vorsichtiger Schätzung westlicher Geheimdienstkreise haben die Russen zwischen 15’000 und 20’000 Soldaten verloren. Die ukrainische Regierung spricht von 40’000 getöteten Russen. Mindestens zehn russische Generäle sind ums Leben gekommen. Schwere Verluste haben in den letzten Tagen auch die pro-russischen Separatistenverbände in den Provinzen Luhansk und Donezk erlitten. Nach Angaben des britischen Geheimdienstes hat allein die Donezker Miliz 55% ihrer ursprünglichen Truppenstärke verloren.

4’000 Zivilsten wurden nach Uno-Angaben getötet. Die Ukraine spricht von wesentlich höheren Zahlen.

Beerdigung
(Foto: Keystone/EPA/Roman Pilipey)
Donetzk
Ein junger Mann trauert bei Donezk um seine soeben von einem russischen Granatsplitter getötete Freundin. (Foto: Keystone/AP/Alexei Alexandrov)

Leben im Untergrund

Wochenlang suchten Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer Schutz vor russischen Raketen in Kellern, Luftschutzbunkern und Untergrund-Stationen.

Lyssytschansk
Eine Frau und ihr Hund suchen in einem Keller in Lyssytschansk Schutz vor den russischen Bomben. (Foto: Keystone/AP/Efrem Lukatsky))
U-Bahn-Station
Schutz in einer U-Bahn-Station in Kiew (Foto: Keystone/AP/Efrem Luzkatsky)
Charkiw
In der Metro-Station in Charkiw wird ein Coiffeur-Salon eingerichtet (Foto: Keystone)

Sewerodonezk

Die Kämpfe konzentrierten sich in den letzten Wochen auf die Provinz (Oblast) Luhansk und dort vor allem auf die Zwillingsstädte Sewerodonezk und Lyssytschansk. Trotz klarer Überlegenheit ist es den Russen auch nach mehreren Wochen noch nicht gelungen, die beiden Städte zu erobern. Ein Fall von Sewerodonezk wird seit Tagen vorausgesagt, aber noch immer kontrollieren die Ukrainer einen kleinen Teil der Stadt. Die Schlinge um die Stadt zieht sich jetzt allerdings zu und ein Fall von Sewerodonezk scheint in den nächsten Tagen möglich. Die Lage in Sewerodonezk sei «die Hölle», sagte der Regionalchef Serhij Haidai. Laut Angaben des Bürgermeisters finden sich noch 7’000 bis 8’000 Zivilisten in der Stadt.

Ein Grossangriff richtet sich jetzt auch auf Lyssytschank. Serhij Haidai spricht von «kolossalen Zerstörungen» in der Stadt.

Sewerodonezk
Sewerodonezk (Bild: Ukrainisches Fernsehen)
Sewerodonesk
Sewerodeonezk (Foto: Facebook)
Sewerodonezk
Russische Soldaten bergen auf Bahren getötete russische Soldaten in Sewerodonezk. (Drohnenaufnahme ukrainische Nationalgarde)

Landbrücke im Süden

Im Süden haben die Russen die Städte Cherson und Mariupol erobert. Es ist ihnen mit mehreren Gebietsgewinnen gelungen, eine «Landbrücke» vom Donbass bis zur Krim herzustellen. Ziel ist es offensichtlich, über Odessa bis nach Moldawien (Moldau) vorzustossen und die Ukraine vom Schwarzen Meer abzuschneiden.

Russland richtet sich im Süden ein

Russland richtet sich ein, in der Ost- und Südukraine zu bleiben. Die von Russland besetzten südukrainischen Gebiete werden entmint. Häuser werden repariert, die Wasser- und Stromversorgung wird wieder hergestellt, Märkte werden geöffnet. Die Russen sind dabei, Eisenbahnlinien und Strassen in Stand zu setzen. In der Region Cherson und Melitopol werden russische Pässe abgegeben. Das deutet darauf hin, dass die Südukraine in russisches Staatsgebiet eingegliedert werden soll. In beiden Städten soll es jedoch zu Anschlägen von anti-russischen Partisanen gekommen sein.

Russische Moral

Aus abgehörten Telefongesprächen und Funkmeldungen geht hervor, dass die Moral der russischen Truppen sei Beginn des Kriegs sehr schlecht ist. Das drückt auf die Kampfbereitschaft.

Russisches Kriegsmaterial

Die russische Armee gab in den ersten Wochen ein klägliches Bild ab. Die Soldaten waren schlecht ausgebildet, in den Kommandozentralen herrschte ein Chaos, das Material war teils uralt und fehlerhaft. Panzer blieben stecken. Raketenwerfer und Artilleriegeschosse klemmten beim Abschuss.

In Erinnerung bleiben Satellitenbilder, die eine im Morast steckengebliebene riesige russische Panzerkolonne zeigt. Die russische Militärführung ging offensichtlich von der Annahme aus, sie würde die Ukraine mit solch altem Material in wenigen Tagen in die Knie zwingen können. Je länger der Krieg dauerte, desto grösser wurden die Nachschubprobleme und desto mehr Soldaten starben.

Die russische Luftwaffe

Zu Beginn des Krieges wurden zahlreiche russische Kampfflugzeuge abgeschossen – so viele, dass sich die Russen nicht mehr getrauten, in den ukrainischen Luftraum einzudringen. Sie beschossen dann Städte und Landstriche mit weitreichenden von Russland aus abgeschossenen Cruise Missiles.

Forderung nach Waffen

Die ukrainische Regierung wird nicht müde, vom Westen schwere Waffen zu fordern. Die USA haben der Ukraine militärisches Material im Wert von 35 Milliarden Dollar zugesichert oder schon geliefert. Auch andere westliche Staaten, vor allem Grossbritannien, liefern Artilleriegeschosse, Raketenwerfer und Munition. «Egal wie sehr sich die Ukraine bemüht, egal wie professionell unsere Armee ist, ohne die Hilfe westlicher Partner werden wir nicht in der Lage sein, diesen Krieg zu gewinnen», sagt die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Maliar.

Anna Maliar
Anna Maliar, stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin (Foto: Anna Maliar, Twitter)

Selenskyj

Mit fast übermenschlichem Einsatz macht der ukrainische Präsident täglich seinen Truppen und der Bevölkerung Mut – und rüttelt den Westen mit teils dramatischen Worten auf. Immer wieder tritt er in Video-Schaltungen auch international auf. Mehrmals hat er auf riskanten Reisen Kriegsgebiete besucht. Es ist nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Selenskyj einem Attentat zum Opfer fiele – Versuche gab es mehrere. Selenskyj, das ist der Kopf und die Seele des ukrainischen Widerstandes.

Mykolyjiv
Selenskyj in Mykolayjv (Bild: Büro des ukrainischen Präsidenten)

Nachtzug nach Kiew

Selenskyj ist es gelungen, zahlreiche Staats- Regierungschefs, Aussenminister und Spitzendiplomaten nach Kiew einzuladen.

Draghi, Macron, Scholz
Italiens Mario Draghi, Frankreichs Emmanuel Macron und Deutschlands Olaf Scholz reisen gemeinsam im Nachtzug von Polen nach Kiew. Damit wollen sie Kritik kontern, sie würden die Ukraine nur lauwarm unterstützen. Der Besuch erfolgt einen Tag, bevor die Europäische Kommission eine Empfehlung zum Status der Ukraine als EU-Beitrittskandidat abgeben wird. Im Vorfeld der Reise sagte Präsident Macron: «Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir als Europäer klare politische Signale an die Ukraine und ihr Volk senden müssen, das sich heldenhaft wehrt.» (Foto: Keystone/AP/AFP/Ludovic Marin)
Selenskyj mit westlichen Besuchern
Dem Trio Draghi, Scholz, Macron hatte sich der ukrainische Präsident Klaus Ioannis (rechts) angeschlossen. Die vier hatten während ihres Aufenthalts in der Ukraine auch die schwer beschädigte Kiewer Vorstadt Irpin besucht. (Foto: Keystone/EPA/Ludovic Marin)

Getreide

Die Ukraine ist eine der Kornkammern der Welt. Russland blockiert die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen und verhindert so die Auslieferung ukrainischen Getreides. Für einen grossen Teil der westlichen Welt ist das ukrainische Getreide überlebenswichtig.

Lebensmittel gehörten zu Putins «Terror-Arsenal», erklärt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, 1,6 Milliarden Menschen könnten betroffen sein. Der Krieg «droht eine noch nie dagewesene Welle von Hunger und Elend auszulösen», so Guterres. Die WTO befürchtet eine «weltweite Katastrophe».

Getreidefeld bei Odessa
Ein Getreidefeld bei Odessa (Foto: Keystone/EPA/Str)

Die Ukraine und die Mokdau sind EU-Beitrittskandidaten

Die Europäische Union hat die Ukraine offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Zudem beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs bei einem EU-Gipfel, auch Moldau den Status eines Bewerberlandes zu gewähren. «Heute ist ein guter Tag für Europa», kommentiert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Ukraine und die Moldau (Moldawien) seien Teil der europäischen Familie.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj begrüsst den EU-Kandidatenstatus für sein Land: Dies sei ein einzigartiger und historischer Moment. «Die Zukunft der Ukraine ist in der EU», twittert Selenskyj. Auch die Präsidentin von Moldau, Maia Sandu, freut sich. «Wir haben einen schwierigen Weg vor uns, der viel Arbeit und Mühe erfordern wird», erklärt sie auf Facebook.

«Der Weg zum EU-Beitritt ist lang», sagte Emmanuel Macron.

Von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt in Brüssel, dass die 27 Staats- und Regierungschefs der EU entschieden hätten, der Ukraine und der Moldau (Moldawien) den Status von EU-Beitrittskandidaten zu gewähren. «Heute ist ein guter Tag für Europa», kommentiert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Ukraine und die Moldau seien Teil der europäischen Familie. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüsst den EU-Kandidatenstatus für sein Land: Dies sei ein einzigartiger und historischer Moment. «Die Zukunft der Ukraine ist in der EU», twittert Selenskyj. Auch die Präsidentin von Moldau, Maia Sandu, freut sich. «Wir haben einen schwierigen Weg vor uns, der viel Arbeit und Mühe erfordern wird», erklärt sie auf Facebook. «Der Weg zum EU-Beitritt ist lang», sagt Emmanuel Macron. (Foto: Keystone/AP/Geert vanden Wijngaert).

Kaliningrad

Der Streit um die russische Exklave könnte zu einer gefährlichen Eskalation führen und die Nato-Staaten in den Krieg hineinziehen. Der baltische Staat Litauen hatte angekündigt, dass er den Bahntransport von Gütern, die den EU-Sanktionen unterliegen, vom russischen Festland nach Kaliningrad verbietet. Die Liste umfasst Kohle, Metalle, Baumaterialien und Spitzentechnologie. Das russische Aussenministerium hat die sofortige Aufhebung der «offen feindseligen» Beschränkungen gefordert und Litauen vor «ernsten Konsequenzen» gewarnt. Russland «wird sicherlich auf solche feindseligen Handlungen reagieren», sagte der russische Sicherheitsbeamte Nikolai Patruschew. Beobachter erklären, wenn Russland Litauen militärisch angreift, «sind wir nicht weit von einem ganz grossen Krieg entfernt». Dann nämlich müssten die anderen Nato-Staaten laut Artikel 5 des Nordatlantikpakts ins Geschehen eingreifen und Litauen verteidigen.

Kaliningrad
Blockierte russische Güterwagen in Kaliningrad (Foto: Keystone/AP)

Stand heute

Die ukrainische Armee befinden sich zur Zeit klar in der Defensive. Täglich werden mehrere Städte pausenlos beschossen: Sewerodonezk, Lyssytschansk, Slawjansk, Kramatorsk, Bachmut, Mykolajiv, Saporischschja und andere. Und jetzt auch wieder Charkiw, die zweitgrösste russische Stadt.

Die Russen machen langsame, aber stetige Fortschritte. Das britische Verteidigungsministerium spricht von «schleichendem Vormarsch».

Charkiw
Charkiw (Foto: Keystone/EPA/Sergey Kozlov)

Aussichten

Über den künftigen Kriegsverlauf gehen die Ansichten auseinander. Westliche Militärexperten sind sich uneinig darüber, über wie viele Reserven die russischen Streitkräfte noch verfügen. Die einen weisen darauf hin, dass die Russen ein Drittel ihrer Soldaten verloren haben und nur noch über wenige moderne Waffen verfügen. Der riesige Blutzoll laste schwer auf den Streitkräften.

Das amerikanischen Institute for the Study of War erklärte, den Russen würde bald die Kraft fehlen, weitere erhebliche Gebietsgewinne zu erzielen. Nach monatelangen Kämpfen sei die russische Armee in der Ukraine erschöpft und stosse an die Grenzen ihrer Ressourcen, sagte Andriy Zagorodnyuk, ein ehemaliger Verteidigungsminister der Ukraine. 

Andere sagen, die russsischen Streitkräfte hätten noch Kraft, den Krieg mindestens zwei, drei Monate in dieser Kadenz fortzusetzen. Täglich werfen die Russen Hunderte neuer Soldaten in den Kampf. Riesige Mengen von altem sowjetischem Kriegsmaterial wird requiriert und eingesetzt. Diese Waffen sind extrem ungenau, was zu schweren Kollateralschäden führt. Sicher ist, dass Putin einen Sieg um jeden Preis will. Wie viele eigene Soldaten dabei sterben, ist ihm egal.

Der britische Militärnachrichtendienst erklärte, Russland beabsichtige höchstwahrscheinlich, eine grosse Anzahl von Reserveeinheiten in den östlichen Donbass zu entsenden. Die russischen und die pro-russischen Streitkräfte seinen «ausserordentlich zermürbt».

Charkiw
Eine Frau fotografiert ihr bombardiertes Wohnhaus in Borodjanka. (Foto: Keystone)

Hoffnung auf eine Wende

Ukrainische Städte und Truppeneinheiten werden immer wieder mit weitreichenden russischen Artilleriegeschossen oder Raketen beschossen. Dem haben die Ukrainer wenig entgegenzusetzen. Die ukrainischen Streitkräfte hoffen nun, dass mit den langsam eintreffenden weitreichenden westlichen Waffensysteme den Russen mehr und mehr Paroli geboten werden kann.

Mit weiteren modernen Waffen steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Ukraine die russischen Truppen auch aus dem Donbass vertreiben könne, sagte Nato-Generalsekretär Stoltenberg. Eingetroffen sind schon fast alle von den USA versprochenen 90 M777-Geschütze – inklusive 144’000 Artillerie-Granaten. Australien hat der Ukraine sechs M777-Haubitzen geliefert.

Bei vielen dieser Waffen handelt es sich um modernste Hightech-Systeme. Ihre anspruchsvolle Handhabung muss von den ukrainischen Truppen erst gelernt werden. Das hochentwickelte HIMARS-Mehrfachraketen-System, dessen Geschossen eine Reichweite von 70 Kilometern haben, ist offenbar in der Ukraine eingetroffen. HIMARS wird jedoch nicht sofort zum Einsatz kommen, da die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte mehrere Wochen dauert.
 

777
Ukrainische Soldaten laden eine eben von den USA erhaltene amerikanische M777-Haubitze (Foto: Keystone/AP/Efrem Lukatsky)
HIMARS
HIMARS (Foto: PD)
Raketenwerfer
(Foto: Keystone/AP/Alexei Alexandrov)

Werden diese Waffen eine Wende bringen und die Russen aus den eroberten Gebieten im Osten und Westen zurückdrängen können? Niemand weiss es.

Zermürbungskrieg

Westliche Geheimdienste und die Nato rechnen mit einem langen, vielleicht jahrelangen Zermürbungskrieg. «Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass der Krieg Jahre dauern könnte», sagte Stoltenberg.

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