Russische Panzer und Militärfahrzeuge rollen auf der Twerskaja-Strasse in Richtung Roter Platz. Dort findet am kommenden Montag, am 75. Kriegstag, eine pompöse Militärparade statt, bei der Putin – auf grandioser Bühne – zum grossen Schlag ausholen und den totalen Krieg erklären könnte. Dies zumindest schliessen westliche Geheimdienste nicht aus.
Wird laufend akutalisiert
- 50 Menschen aus dem Stahlwerk evakuiert
- Aufmarsch in Moskau
- Vorbereitungen für den 9. Mai
- Erklärt Putin den «totalen Krieg»?
- Kämpfe im Asow-Stahlwerk
- Auto während Evakuierung beschossen?
- Heftige russische Angriffe erwartet
- Ukrainische Gegenoffensive
- Putin entschuldigt sich
- USA halfen bei der Versenkung der «Moskva»
- Jill Biden in Rumänien
Russland feiert jedes Jahr am 9. Mai den «Tag des Sieges über Nazi-Deutschland». Der Feiertag hat in Russland fast etwas Heiliges an sich. Während des Zweiten Weltkrieges sind in Russland 28 Millionen Menschen – Soldaten und Zivilisten – getötet worden.
Totaler Krieg?
Da jetzt der Kampf in der Ukraine für die Russen nicht nach Plan verläuft, erwartet man, dass Putin den Tag nützen wird, um «auf alles oder nichts» zu gehen.
Wird er den totalen Krieg gegen die Ukraine ausrufen und die russische Generalmobilmachung verfügen? Bisher sprach er nie von «Krieg», sondern immer von «Spezialoperation».
Ben Wallace, der britische Verteidigungsminister war es, der letzte Woche andeutete, dass Russland die «spezielle Militäroperation» in einen totalen Krieg umdefinieren könnte. Das würde bedeuten, dass Putin Zehntausende weiterer Soldaten und Reservisten, die zum Teil aus dem fernen Osten abgezogen werden, in den Krieg in der Ukraine schickt.
Kampf gegen die Nato?
Schlimmer noch: Wird er der Nato mit Angriffen, eventuell mit taktischen atomaren Waffen drohen? Er wirft dem westlichen Verteidigungsbündnis vor, wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine Kriegspartei zu sein. In Kaliningrad finden zur Zeit kleine Manöver statt, bei denen der Einsatz von Iskander-M-Raketen geübt wird. Diese Raketen können Atomsprengsätze tragen und haben eine Reichweite von 500 Kilometern. «Das gehört zur psychologischen Kriegsführung und soll nicht überbewertet werden», kommentierte ein amerikanischer Militäranalyst.
Russland dementiert zwar, taktische Atomwaffen einsetzen zu wollen, doch CIA-Direktor William Burns sagte, niemand könnte die Drohung, taktische Atomwaffen abzufeuern, auf die leichte Schulter nehmen.
Unter den westlichen Sanktionen und dem angekündigten Ölembargo leidet die russische Wirtschaft immer mehr und drängt Putin in die Defensive. Die westlichen Waffen, die im Wert von mehreren Milliarden in der Ukraine eintreffen, machen der russischen Armee mehr und mehr zu schaffen. Deshalb halten es vor allem amerikanische Militäranalysten für möglich, dass Putin jetzt «einen Coup» landet, wie ein Pentagon-Beamter sagte – welcher Art dieser Coup auch immer sein mag.
«Krieg? Unsinn»
Ursprünglich war geplant, dass Putin die Eroberung der Ukraine und den Sturz des «Nazi-Regimes» in Kiew am 9. Mai feiern wird. Doch von einer Eroberung des ganzen Landes sind die Russen weit entfernt, auch wenn sie im Süden und teilweise im Osten Fortschritte machten.
Der Kreml dementierte inzwischen, dass Putin am 9. Mai den «Krieg» erklären würde, und bezeichnete dies als «Unsinn». Nur glaubt man dem Kreml nicht mehr. Putin und sein Aussenminister Lawrow haben vor und während dieses Kriegs faustdicke Lügen verbreitet. Der französische Präsident Macron hatte gesagt, Putin lüge ihm einfach unverhohlen ins Gesicht.
Risiken eines «totalen Krieges»
Die Ausrufung des totalen Krieges könnte für Putin innenpolitisch riskant sein. Denn der totale Krieg wäre bei den Russen sehr unpopulär. Viele Russinnen und Russen scheren sich übrigens einen Deut darum, was in der Ukraine geschieht. Laut einer Umfrage haben 39 Prozent der Bevölkerung dem Krieg keine oder wenig Beachtung geschenkt. Für die meisten Russinnen und Russen sei der Krieg in der Ukraine noch immer ein weit entfernter Konflikt, heisst es im Pentagon.
Vorbereitungen für den 9. Mai
Schon seit Mittwoch donnern Mig-29-Jets und Helikopter über den Roten Platz und üben ihren Einsatz für den 9. Mai. Die Kampfflugzeuge fliegen in der Form eines «Z», dem Symbol der russischen Streitkräfte.
Der russische Verteidigungsminister Sergej K. Schoigu sagte am Mittwoch, dass am 9. Mai in 28 russischen Städten Militärparaden stattfinden würden. 65’000 Soldaten sind dazu aufgeboten, mehr als 460 Flugzeuge werden im Einsatz sein.
Leichen entfernt
Eine Parade zum «Tag des Sieges» findet nicht nur in Dutzenden russischen Städten statt, sondern auch in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol. Im Stahlwerk der Stadt finden zur Zeit «blutige Kämpfe» statt, wie die ukrainischen Verteidiger melden.
Der Pressedienst des ukrainischen Verteidigungsministeriums teilte mit, dass zur Zeit die Strassen von Mariupol von Leichen und Trümmern gesäubert wurden – um «die Feierlichkeiten salonfähig zu machen».
Ein humanitärer Konvoi mit 50 Frauen, Kindern und älteren Menschen an Bord hat am Freitag das Stahlwerk Azovstal in Mariupol verlassen, wie die stellvertretende ukrainische Premierministerin Iryna Vereshchuk mitteilte.
Sie bezeichnete die Evakuierung als «extrem langsam» und beschuldigte Russland, die Bemühungen zu verzögern, indem es eine örtliche Waffenruhe verletzte, die den Zivilisten die Ausreise ermöglichte.
«Morgen früh werden wir die Evakuierungsaktion fortsetzen», fügte Vereshchuk hinzu.
Heftige russische Angriffe erwartet
Die ukrainischen Behörden bereiten sich auf an diesem Wochenende auf heftige russische Angriffe vor. Der russische Präsident möchte am 9. Mai unbedingt einen Sieg im Osten oder zumindest erhebliche Fortschritte vermelden. Lokale Beamte kündigten neue Ausgangssperren an und warnten eindringlich vor der Gefahr verstärkter russischer Raketenangriffe.
Ukrainische Gegenoffensive
Ukrainische Soldaten haben am Freitag im Norden des Donbass eine Gegenoffensive gestartet und versuchen, die russischen Truppen aus dem Raum Charkiw und Isjum zurückzudrängen. «Es finden heftige Kämpfe statt, und in den Gebieten Charkiw und Isjum geht man von defensiven zu offensiven Aktionen über», sagte der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj am Donnerstag gegenüber General Mark A. Milley, dem amerikanischen Generalstabchef.
Auto während Evakuierung beschossen?
Während eines Waffenstillstands zur Rettung von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Azowstal in Mariupol wurde ein Auto von den Russen mit einer Panzerabwehrlenkwaffe beschossen. Dies erklären ukrainische Kämpfer des Asow-Bataillons, das sich im Stahlwerk verschanzt hat. Als sich das Auto dem Stahlwerk näherte, um Zivilisten herauszuholen, sei es beschossen worden. Dabei soll ein Kämpfer geötet und sechs verwundet worden seien. Bestätigt wurde dies von anderer Seite bisher nicht. Im Werk befinden sich noch etwa 200 Zivilisten, unter ihnen 20 bis 30 Kinder.
Tote im Stahlwerk
Wie viele Kämpfer und Kämpferinnen im Stahlwerk ums Leben gekommen sind, ist unklar. Eine von ihnen ist Nataliya Luhovska. Sie hatte sich dem Asow-Regiment angeschlossen, nachdem ihr Sohn im Krieg gefallen war. Dies berichtete CNN. Am Montag noch erklärte sie gegenüber CNN: «Die Moral ist hoch, wir warten darauf, dass wir mit dem Sieg zurückkommen.» Kurz darauf starb die 51-Jährige bei einem Luftangriff auf das Stahlwerk.
Weitere Angriffe auf das Stahlwerk
Russland setzt nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes seine Angriffe auf das Stahlwerk Asowstal fort. «Die erneuten Bemühungen Russlands, Asowstal zu sichern und die Einnahme von Mariupol abzuschliessen, stehen wahrscheinlich im Zusammenhang mit den bevorstehenden Gedenkfeiern zum 9. Mai, dem Tag des Sieges, und dem Wunsch Putins, einen symbolischen Erfolg in der Ukraine zu erzielen», erklärt der Militärgeheimdienst.
Weitere Evakuierungen?
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK und die Uno hoffen, am Freitag Zivilisten aus dem umkämpften Stahlwerk in Mariupol evakuieren zu können. Mehrere Busse und andere Fahrzeuge sind auf dem Weg zum Asowstal-Werk. Im Werk sollen sich noch etwa 200 Zivilisten, unter ihnen 30 Kinder, befinden.
Putin entschuldigt sich
Der russische Präsident hat sich beim israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett für Äusserungen von Aussenminister Sergej Lawrow entschuldigt. Dies teilt das Büro von Bennett mit. Lawrow hatte im italienischen Fernsehen Rete 4 in Bezug auf den jüdischen ukrainischen Präsidenten Selenskyj anti-jüdische Äusserungen gemacht, die eine heftige Kontroverse ausgelöst hatten.
«Der Premierminister akzeptierte die Entschuldigung von Präsident Putin für die Äusserungen Lawrows und dankte ihm für die Klarstellung der Haltung des Präsidenten gegenüber dem jüdischen Volk und der Erinnerung an den Holocaust», so Bennetts Büro in einer offiziellen Erklärung.
Angriffe auf Kramatorsk
Die russischen Streitkräfte haben am Donnerstag begonnen, die ostukrainische Stadt Kramatorsk ins Visier zu nehmen. Angriffe fanden auch auf Slowjansk und Lyman statt. Im Norden des Donbass gelang es den ukrainischen Kräften, die Russen da und dort zurückzudrängen.
Die USA halfen bei der Versenkung der «Moskva»
Die USA haben der Ukraine nach amerikanischen Medienberichten Informationen zur Position des russischen Flaggschiffs «Moskva» geliefert. Daraufhin gelang es den ukrainischen Streitkräften, den Raketenkreuzer zu beschiessen. Das Pentagon äusserst sich nicht dazu, erklärte jedoch, die USA hätten der Ukraine Informationen zur Verfügung gestellt, um ihr bei der Verteidigung zu helfen. Der Raketenkreuzer mit 510 Mann Besatzung hatte den russischen Seeangriff auf die Ukraine angeführt. Sein Untergang war ein grosser symbolischer und militärischer Schlag für Russland.
2014 russische Raketen
Seit Kriegsbeginn am 24. Februar haben russische Kampfflugzeuge 2014 Raketen auf ukrainische Ziele abgefeuert. Dies berichtet der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj. Insgesamt seien 2682 Luftangriffe geflogen worden.
Deutschland liefert Panzerhaubitzen
Deutschland wird der Ukraine sieben Panzerhaubitzen 2000 liefern. Das erklärt die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.
Jill Biden in Rumänien
Jill Biden, die Frau des amerikanischen Präsidenten, ist in Rumänien eingetroffen, wo sie auf dem Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu nahe der Schwarzmeerküste Militärangehörige der USA und der übrigen Nato-Staaten trifft. In Rumänien sind 2700 Nato-Soldaten, vor allem aus den USA stationiert – drei Mal mehr als vor Beginn des Krieges.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21