Russland wirft Zehntausende seiner Soldaten in den Kampf um den Donbass. Die ukrainischen Verbände befänden sich in einer «extrem schwierigen Situation», sagte Präsident Selenskyj. Den Städten Sewerodonezk, Lyssytschansk, Rubischne, Lyman und Bachmut droht ein ähnliches Schicksal wie Mariupol. «Die Besatzer wollen dort alles zerstören», sagt Selensky. Das Bild zeigt eine bombardierte Schule in Bachmut.
- Russische Grossoffensive im Donbass
- Kämpfe in den Aussenbezirken von Sewerodonezk
- «Die aktivste Phase der russischen Aggression»
- Bomben auf Lyman
- Raketen auf Saporischschja
- Switlodarsk gefallen
- Bomben auf Pokrowsk
- Kissinger für Gebietsabtausch
- 22'000 Getötete in Mariupol
- Finnland und Schweden verhandeln mit der Türkei
Kämpfe in den Aussenbezirken von Sewerodonezk
Inzwischen melden hochgestellte ukrainische Beamte «heftige Kämpfe» um Sewerodonezk. Serhiy Haidai, der Leiter der Militärverwaltung der Region Luhansk, sagte, der Beschuss von Sewerodonezk habe in den letzten Stunden «exponentiell zugenommen». Sechs Personen seien am Mittwoch gestorben. «Die russischen Truppen sind sehr nahe, sie können bereits Mörser abfeuern», sagte Haidai. «Die Kämpfe fanden gestern in den Aussenbezirken der Stadt statt. Russische Kräfte werden aus verschiedenen Regionen hierher verlegt – aus Charkiw, Mariupol und aus Donezk. Die nächste Woche sei wichtig. «Wenn die Russen bis Samstag oder Sonntag keinen Erfolg haben, wird ihnen die Luft ausgehen, und die Situation wird sich zumindest für uns stabilisieren.»
Wie in Mariupol
Russische Streitkräfte belagern und beschiessen im Herzen der Ostukraine immer mehr Städte. Weite Teile von Severdonesk sind zerstört. Die Zivilbevölkerung hat weder Strom noch Wasser. Eine Evakuierung ist wegen der anhaltenden Kämpfe nicht möglich.
Die russischen und pro-russischen Streitkräfte kontrollieren weite Teile des Gebiets bereits seit 2014, was sich jetzt für die Russen aus Vorteil erweisen könnte.
Entscheidet sich das Schicksal der Ukraine?
Die Situation an der Ostfront sei extrem schwierig, weil sich dort «vielleicht gerade das Schicksal unseres Landes entscheidet», sagte Oleksandr Motuzyanyk, Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Drei Monate nach dem Einmarsch in die Ukraine versuchen die russischen Streitkräfte, die ukrainischen Truppen in den Zwillingsstädten Sewerodonezk und Lyssytschansk am Fluss Siverskij Donez im Osten des Landes einzukesseln. Motuzyanyk sagte, die russischen Streitkräfte hätten ihre Versuche, den Fluss zu überqueren, nicht aufgegeben.
«Wir beobachten jetzt die aktivste Phase der umfassenden Aggression, die Russland gegen unser Land entfaltet hat», sagte er in einer im Fernsehen übertragenen Diskussion.
Bomben auf Lyman
Umzingelt und bombardiert wird auch die ostukrainische Stadt Lyman. Viele Menschen sind dort nach Meldung des Bürgermeisters Oleksandr Schurawljow getötet worden. Dutzende Häuser wurden zerstört. Die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom sei längst unterbrochen. Eine Flucht sei unmöglich, da die Strassen abgeschnitten seien. Die verbliebenen Zivilisten seien in Keller oder Luftschutzbunker geflüchtet. In der Stadt sollen sich noch etwa 8’000 Menschen aufhalten. Sie können nach Angaben des Bürgermeisters nicht mehr mit Lebensmitteln versorgt werden. Vor dem Krieg zählte Lyman 20’000 Einwohner.
Raketen auf Saporischschja
Die südukrainische Grossstadt Saporischschja ist am Mittwoch früh erstmals in diesem Konflikt von Raketen angegriffen worden. Eine Person wurde nach ukrainischen Angaben getötet. Berichten zufolge wurden kurz nach 05:00 Uhr Ortszeit (03:00 Uhr MESZ) vier Raketen abgefeuert, von denen eine abgefangen wurde. Ein Einkaufszentrum und mindestens 62 Häuser wurden beschädigt.
Switlodarsk gefallen
Die ostukrainische Stadt Switlodarsk ist von russischen Streitkräften erobert worden. Der Leiter der Militärverwaltung der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko, erklärte am Dienstag, die ukrainischen Streitkräfte hätten sich zurückgezogen. «Etwa 10’000 Zivilisten befinden sich noch im besetzten Switlodarsk», sagte Kyrylenko. «Heute, am 24. Mai, ist die russische Armee in Switlodarsk in der Region Donezk eingerückt. Dort wurden bereits russische Fahnen gehisst.»
Angriffe auf Bahnhof
In der Nähe des Bahnhofs der ostukrainischen Stadt Pokrowsk explodierten am Mittwoch früh zwei Sprengkörper. Vier Personen wurden verletzt, mehrere Häuser sind zerstört. Vom Bahnhof aus hätte am Vormittag ein Evakuierungszug Dutzende in den Westen bringen sollen. Die Menschen hatten sich noch nicht am Bahnhof versammelt, als die Einschläge erfolgten.
Kissinger für Gebietsabtausch
Der frühere amerikanische Aussenminister Henry Kissinger hat der Ukraine empfohlen, den Russen Gebiete abzutreten, um Frieden zu schaffen. Kissingers Video-Botschaft ans WEF in Davos hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Kissinger sagte: «Geben Sie Territorium ab, um Frieden mit Russland zu schliessen.» Kissinger ist 98 Jahre alt.
«Die Verhandlungen müssen in den nächsten zwei Monaten beginnen, bevor es zu Verwerfungen und Spannungen kommt, die nicht leicht zu überwinden sind», sagte er. Ukrainische Parlamentarier sagen, Gebietsabtretungen würden Russland nur ermuntern, weitere Gebiete zu fordern. «Es ist schade, dass der ehemalige US-Aussenminister glaubt, dass die Aufgabe eines Teils des souveränen Territoriums ein Weg zum Frieden für das Land ist», schrieb Inna Sovsun, ein Mitglied des ukrainischen Parlaments, auf Twitter.
In den sozialen Medien wurde Kissinger mit harter Kritik und Häme überschüttet.
Ukrainer gegen Gebietsabtetung
Auch die meisten Ukrainer und Ukrainerinnen lehnen die Idee einer Gebietsabtretung ab. Eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Kiewer Instituts für Soziologie ergab, dass 82 Prozent der Ukrainer kein Territorium an Russland abtreten wollen.
«Überall riecht es nach Tod und Feuer»
Während des dreimonatigen Krieges sind mindestens 22’000 Menschen in Mariupol getötet worden. Dies sagte Petro Andrjuschtschenko, ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol. Andrjuschtschenko hatte die Stadt verlassen und ist in ein von der Ukraine gehaltenes Gebiet geflüchtet.
Andriuschtschenko sagte laut CNN, dass die Umbettung der Toten dadurch erschwert wird, dass die russischen Behörden darauf bestehen, dass die Leichen in ein Leichenschauhaus gebracht werden müssen und dass eine Person, die einen Anspruch auf eine Leiche erhebt, sich bereit erklären muss, ein Video aufzunehmen, in dem der Antragsteller erklärt, dass der Verstorbene vom ukrainischen Militär getötet wurde.
Andriuschtschenko erklärte, Mariupol sei ins Mittelalter zurückgeworfen worden. «In der Stadt ist es absolut dunkel. Das einzige Licht kommt von den russischen Truppen und den russischen Patrouillen», sagte er. «Überall riecht es nach Tod und Feuer.»
Der Berater des Bürgermeisters sagte, seine Kontakte zeichneten das Bild einer Stadt, die sich in einer humanitären Katastrophe befindet und nur wenig Kontakt zur Aussenwelt hat. Die Mobiltelefonverbindungen würden gerade erst wiederhergestellt. Die Bewohner könnten sich nicht frei bewegen, da für jede Bewegung innerhalb der Stadt spezielle Ausweise erforderlich sind und ein Filtersystem sie daran hindert, ganz zu fliehen.
Finnland und Schweden sprechen mit der Türkei
Delegierte aus Schweden und Finnland versuchen heute Mittwoch den Widerstand der Türkein gegen einen Nato-Beitrag der beiden nordischen Staaten zu brechen. Am Vorabend der Gespräche stellte die Türkei eine Reihe von sicherheitsrelevanten Forderungen. Unter anderem verlangt Ankara, dass Schweden seine Unterstützung für die separatistische Arbeiterpartei Kurdistans aufgibt.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21