Nach der endgültigen Einnahme von Mariupol starten die Russen einen Grossangriff auf die ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk. Russland ist dabei, seine in der Ostukraine kämpfenden Truppen mit Tausenden Soldaten zu verstärken, die bisher in Mariupol gekämpft hatten. Serhij Haidai, der Gouverneur der Region, sagte, die Russen versuchten, Sjewjerodonezk zu «umzingeln und zu zerstören».
Wird laufend aktualisiert
- Grossangriff auf Sjewjerodonezk zurückgeschlagen
- BBC: Russen gewinnen «Kilometer um Kilometer»
- Selenskyj: «Äusserst schwierige» Lage
- «Keine ukrainischen Konzessionen»
- US-Hilfe «nötiger denn je»
- Attentat auf pro-russischen Bürgermeister?
- Aufräumen rund um Kiew
- 60 % der Häuser in Mariupol beschädigt
Am Nachmittag sagte Haidai, die Russen hätten versucht, aus vier verschiedenen Richtungen in Sjewjerodonezk einzudringen, seien aber zurückgeschlagen worden. Der Beschuss von Wohngebieten gehe allerdings weiter.
Nach dem Rückzug aus der Nordukraine hat Moskau den Kampf um Sjewjerodonezk zu einer Priorität gemacht und setzt schwere Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge ein, um die ukrainische Verteidigung zu durchbrechen.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj bezeichnete die Lage im Donbass als «äusserst schwierig», sagte aber, dass die ukrainischen Streitkräfte hätten bisher ihre Position gehalten. Er forderte die Verbündeten auf, schnell militärische Ausrüstung zu schicken.
Nach ukrainischen Angaben ist es den Russen gelungen, Terrain gut zu machen. Laut einem Bericht der BBC haben die russischen Streitkräfte ihre Artillerie- und Raketenangriffe intensiviert und «gewinnen Kilometer um Kilometer an Boden».
Serhij Haidai erklärte, die ukrainischen Truppen hätten elf russische Angriffe abgewehrt. Dabei seien acht Panzer zerstört worden. Überprüfen lassen sich diese Meldungen nicht.
Die 100’000 Einwohner zählende Stadt Sjewjerodonezk (Sewerodonezk) liegt 80 km nordwestlich von Luhansk.
«Keine ukrainischen Konzessionen»
Die Ukraine will den Russen kein Gebiet abtreten – auch nicht, wenn, die russischen Streitkräfte im Gegenzug in einen Waffenstillstand einwilligen sollten. Dies gibt die ukrainische Regierung bekannt. Präsidentenberater Mykhaylo Podolyak sagte, die Ukraine werde erst einen Waffenstillstand akzeptieren wenn sich die russischen Streitkräfte aus die Ukraine zurückzögen. Zugeständnisse würden nur dazu führen, dass Moskau längerfristig eine noch grössere und blutigere Offensive starten würde.
US-Hilfe, «nötiger denn je»
Präsident Joe Biden unterzeichnete am Samstag einen Gesetzesentwurf, der ein Hilfspaket für die Ukraine im Wert von fast 40 Milliarden Dollar vorsieht. Es handelt sich um das umfangreichste amerikanische Hilfsprogramm seit Beginn des Krieges. Unter anderem werden die USA für 6 Milliarden Dollar gepanzerte Fahrzeuge und Luftabwehrsysteme liefern. Präsident Selenskyj bedankte sich in einem Tweet und erklärte, die Militärhilfe sei «nötiger denn je».
Vorsichtiger Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj gab sich am Samstagabend in seiner täglichen Ansprache zurückhaltend. Sein Land «könne» zwar auf dem Schlachtfeld siegen, aber der Krieg könne endgültig «nur am Verhandlungstisch» beendet werden. Selenskyj sagte weitere blutige Kämpfe voraus. Eine diplomatische Lösung des Konflikts werde nicht einfach sein, da keine Seite etwas aufgeben wolle.
Keine ukrainisch-russischen Gespräche
Die russisch-ukrainischen Friedensgespräche sind aufs Eis gelegt worden, sagte der ukrainische Verhandlungsführer Mykhaylo Podolyak. Das letzten Treffen hatte vor genau einem Monat, am 22. April stattgefunden. Beide Seiten beschuldigen die andere, immer wieder neue Forderungen zu stellen.
Bürgermeister verletzt?
Der pro-russische Bürgermeister der südukrainischen Stadt Enerhodar, Andriy Shevchyk, ist bei einem Attentat verletzt worden. Shevchyk war von Russland als Nachfolger des ukrainischen Bürgermeisters Dmytro Orlow eingesetzt worden. Orlow, der sich gegen die russische Okkupation gewehrt hatte, war in die Nahe Stadt Saporischschja geflüchtet. Er ist es, der die Nachricht von der Verletzung seines Nachfolgers verbreitet. Danach wurde Shevchyk von seinen Leibwächtern in ein Spital gebracht. Orlow sagte, es habe sich möglicherweise um einen «präzisen und gezielten Angriff» gehandelt.
Asowstal-Kämpfer gegen Viktor Medvedchuk?
Russland ist möglicherweise bereit, einige der Asowstal-Kämpfer gegen den pro-russischen Politiker und Geschäftsmann Viktor Medvedchuk auszutauschen. Dies deutete der russische Unterhändler Leonid Slutsky an. Medvedchuk, ein Verbündeter von Putin, war im April von ukrainischen Sicherheitskräften verhaftet worden. Später allerdings sagte Slutsky, ein Gericht müsse über das Schicksal der über 2000 Asowstal-Kämpfer entscheiden.
Aufräumen
Während sich die Kämpfe auf die Ostukraine konzentrieren, herrscht zur Zeit rund um die Hauptstadt Kiew eine trügerische Ruhe. Viele Bewohnerinnen und Bewohner kehren in ihre bombardierten Häuser zurück.
60 Prozent zerstört
Nach Angaben von Denis Puschilin, dem Chef der selbsternannten «Volksrepublik» Donezk, sind 60 Prozent der Häuser in Mariupol zerstört. 20 Prozent von ihnen könnten nicht mehr aufgebaut werden.
Symbolischer Einreisestopp
Russland hat 900 amerikanische Bürger auf eine Liste gesetzt, die nicht nach Russland einreisen dürfen. Zu ihnen gehört Präsident Biden, Aussenminister Blinken, CIA-Chef Burns und Hunderte Kongressmitglieder. Ein amerikanischer Kongressabgeordneter kommentierte zynisch: «Ich glaube, die Russen wissen, dass wir zur Zeit andere Ferienpläne haben, als nach Russland zu reisen.»