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ZOLLSTREIT MIT DEN USA

Schweiz: 39 Prozent, EU: 15 Prozent

11. August 2025
Martin Gollmer
Martin Gollmer
USA/Schweiz
(Keystone/Christian Beutler)

Die Schweiz mag ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Land sein. Sie ist aber zu klein, um in einer Welt, in der eine regelbasierte Ordnung zunehmend von einer willkürlichen Machtpolitik abgelöst wird, ihre Interessen allein wirkungsvoll vertreten zu können. Das zeigt der Zollstreit mit den USA mit aller Deutlichkeit. Die Schweiz wäre als Mitglied der EU besser gefahren.

39 Prozent: So viel Zoll erheben die USA seit dem 7. August 2025 mit Ausnahme von Pharmazeutika auf fast allen Waren, die aus der Schweiz kommen. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin versuchten zwar mit einer Reise nach Washington den Zollhammer, den US-Präsident Donald Trump am 1. August – dem schweizerischen Nationalfeiertag – auf die Eidgenossenschaft niedersausen liess, in letzter Minute noch abzuwenden. Doch es nützte nichts: Der Satz von 39 Prozent blieb.

Die 39 Prozent sind acht Prozentpunkte mehr als der Zollsatz von 31 Prozent, den Trump im Frühling ursprünglich angedroht hatte. Die Schweiz schreckte damals unsanft aus der besten aller Welten auf. Der Bundesrat nahm eiligst Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung auf, um den prohibitiven Zoll ungeschehen zu machen. Keller-Sutter telefonierte mit Trump und meldete nachher, sie hätte einen guten Draht zu ihm gefunden. Unterhändler der Schweiz und der USA einigten sich bald auf einen Zollsatz von 10 Prozent, der für fast alle Importe aus der Eidgenossenschaft gelten sollte. Bern versprach Washington im Gegenzug Milliardeninvestitionen der Schweizer Wirtschaft in den USA, Unterstützung bei der Etablierung einer Berufsbildung in den Vereinigten Staaten und Zollerleichterungen für amerikanische Zitrusfrüchte.

Alles schien in Minne zu verlaufen. Der Bundesrat segnete den Deal der Unterhändler Anfang Juli ab. Jetzt brauchte es nur noch die Zustimmung Trumps. Doch der liess die Schweiz zappeln. Reihum erhielten zahlreiche Länder einen definitiven Bescheid der USA. Nervös geworden griff Keller-Sutter am Tag vor dem 1. August nochmals zum Telefon. Doch das Gespräch mit Trump geriet zum Fiasko. Dieser sagte später einem amerikanischen Fernsehsender, er habe die «Premierministerin» der Schweiz «nicht gekannt», sie sei «nett gewesen», hätte ihm aber «nicht zugehört» und habe obendrein erst noch einen Zollsatz von nur einem Prozent gefordert. Keller-Sutter gab nach dem Gespräch mit Trump kleinlaut bekannt, es gebe keine Einigung mit den USA.

In der Nacht auf den 1. August kam dann der lang erwartete Bescheid aus Washington. Er war niederschmetternd: 39 Prozent Zoll für die Schweiz. Dieser Satz ist weltweit einer der höchsten, in Europa gar der höchste, den die USA verhängten. Wichtige Handelspartner der Schweiz erhielten deutlich tiefere Zollsätze zugestanden: Die EU 15 Prozent, Grossbritannien zehn Prozent. Im Wettbewerb mit diesen um Exporte in die USA hat die Schweiz damit einen klaren Nachteil.

USA: wichtiger Markt

Die USA sind für die Schweiz nach Ländern gesehen mit einem Anteil von 17 Prozent an den gesamten Warenausfuhren – inklusive Gold, Edelsteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten – der wichtigste Absatzmarkt. Deutschland, der nächstgrössere Exportmarkt, kommt auf einen Anteil von 12 Prozent. Die Schweiz exportierte 2024 Güter im Wert von 65 Milliarden Franken in die USA – vor allem Pharmazeutika, Gold, Präzisionsinstrumente, Uhren und Apparate, aber auch Lebensmittel wie Käse und Schokolade. Die Schweiz ist mit einem Bestand an Direktinvestitionen von knapp 360 Milliarden Dollar sechstgrösster Investor in den USA, helvetische Unternehmen beschäftigen dort gut 400’000 Mitarbeiter und zahlen diesen für die Vereinigten Staaten überdurchschnittlich hohe Löhne.

Doch Trump liess sich durch solche Fakten nicht beeindrucken; ihn interessiert im Zollstreit nur eines: Das Handelsbilanzdefizit der USA mit der Schweiz. Dieses beträgt nach seiner Lesart über 40 Milliarden Dollar. Für Trump sind deshalb Schweizer Unternehmen Abzocker, die sich auf Kosten der amerikanischen Konsumenten und der Wirtschaft bereichern.

Diese obsessive Fokussierung Trumps auf das Handelsbilanzdefizit hatte der Bundesrat unterschätzt. Dieses Defizit will der amerikanische Präsident auf Teufel komm raus reduzieren. Dazu setzt er hohe Zölle ein. Diese sollen schweizerische Unternehmen dazu bewegen, in den USA selbst zu produzieren, statt dorthin zu exportieren. Die so gedachte Zollpolitik wendet Trump auch gegenüber anderen Ländern an. Ziel ist es, die USA zu reindustrialisieren. Dass diese Politik den Vereinigten Staaten auch schadet, ist ihm egal. So verteuern Zölle etwa ausländische Produkte in den USA und heizen die dortige Inflation an.

Schweiz: schlechte Karten

Die Trumpsche Zollpolitik trifft die einen Länder mehr, andere weniger. Warum das so ist, ist nicht genau nachvollziehbar. Die Zollsätze scheinen allein von der Willkür des allmächtigen US-Präsidenten abzuhängen. Und da hat die Schweiz schlechte Karten. Sie ist schlicht zu klein, um für die USA wichtig zu sein. Die Eidgenossenschaft mag wirtschaftlich ein potentes Land sein, (welt-)politisch ist sie aufgrund ihrer Neutralität kein Faktor, der für die Vereinigten Staaten von Gewicht wäre. Die Schweiz hält sich lieber aus Konflikten heraus, als dass sie sich engagieren würde. Zwar trägt sie die Sanktionen der EU gegen Russland mit. Trotzdem ist die Unterstützung für die Ukraine – das Opfer der russischen Aggression – nur lauwarm. Aufgrund des sehr restriktiven Kriegsmaterialgesetzes dürfen etwa Länder, die in der Schweiz Munition oder Waffen erwerben, diese nicht an die Ukraine weiterverkaufen.

Zudem besteht das angeblich gute Verhältnis der Schweiz und der USA, das vor allem nationalkonservative und rechtsliberale Kräfte gerne beschwören, mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde die Schweiz immer wieder mal von den USA gepiesackt. Erinnert sei etwa an die Sperrung sämtlicher Schweizer Vermögen auf amerikanischen Konten 1941, weil die Eidgenossenschaft gegenüber Nazi-Deutschland zu wenig neutral war. 1951 zwangen die USA die neutrale Schweiz, ihren Handel mit der Sowjetunion und deren Satellitenstaaten massiv zu reduzieren. Die Eidgenossenschaft gliederte sich daraufhin wirtschaftlich und rüstungspolitisch ins westliche, antisowjetische Lager ein.

Mitte der 1990er-Jahre kam die Schweiz wegen der Affäre um die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen auf helvetischen Banken erneut unter Beschuss der USA. CS und UBS sahen sich gezwungen, sich mit Milliardenzahlungen von Gerichtsprozessen freizukaufen. Die Schweiz musste zudem ihre Rolle zur Nazizeit umfassend aufarbeiten. Ab 2008 geriet sie wegen der Steuerflucht reicher Amerikaner wieder ins Visier der Vereinigten Staaten. Die Privatbank Wegelin überlebte den Steuerstreit nicht. Und das bis dahin sakrosankte Bankgeheimnis musste deutlich gelockert werden.

EU: grosser Wert

Wäre die Schweiz heute Mitglied der EU, wäre sie im Zollstreit mit den USA deutlich besser gefahren. Die Europäische Union erhielt von den USA nur einen Zollsatz von 15 Prozent aufgebrummt. Um sich diesen Deal zu sichern, reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen extra nach Schottland, wo sich Trump für einige Tage Golfferien aufhielt. Im Gepäck hatte sie ein Versprechen für hunderte Milliarden Euro Investitionen und Energiekäufe in den USA. Hier zeigt sich: Die EU ist mindestens wirtschaftlich eine Weltmacht, die Trump nicht ausser Acht lassen kann. Die Europäische Union hatte deshalb Hebel in der Hand, um den vom amerikanischen Präsidenten ursprünglich angedrohten Zoll von 30 Prozent wesentlich senken zu können. Zudem drohte die EU mit Gegenzöllen, falls Trump an diesem hohen Zollsatz festhalten würde. Die Schweiz schloss Gegenmassnahmen gegen die USA dagegen von Anfang an aus.

Auch gegenüber der Schweiz hat die EU ihre Macht schon spielen lassen. Erinnert sei etwa an die Verweigerung der Börsenäquivalenz, die Nicht-Aufdatierung der Vorschriften für Medizintechnikprodukte und den Ausschluss schweizerischer Forscher aus dem milliardenschweren Förderprogramm «Horizon Europe», nach dem der Bundesrat die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen zu den bilateralen Verträgen einseitig abgebrochen hatte. Immerhin willigte die Europäische Union danach in neue Verhandlungen über ein drittes bilaterales Vertragspaket ein, mit dem die Schweiz ihren Teilzugang zum EU-Binnenmarkt und zu EU-Programmen stabilisieren und ausbauen kann. Dieses Paket befindet sich zurzeit in der Vernehmlassung. 2026 soll das Parlament darüber beraten. Eine Volksabstimmung findet dann frühestens 2027, eventuell sogar erst 2028 statt.

Der Binnenmarkt ist das weltgrösste grenzüberschreitende Wirtschaftsgebiet mit einheitlichen Regeln. In diesen Markt exportiert die Schweiz rund 50 Prozent ihrer Waren – so viel wie in keinen anderen Wirtschaftsraum. Jetzt da der Zugang zum US-Markt mit einem exorbitant hohen Zoll behindert wird, ist die Möglichkeit, hindernis- und zollfrei in den EU-Binnenmarkt exportieren zu können von unschätzbarem Wert für die Schweiz. An den Bilateralen III als Minimalarrangement mit der EU führt deshalb kein Weg vorbei. 

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