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Oper

Mahagonny – eine Stadt geht unter

30. August 2025
Laura Weidacher
Magagonny
«Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny» von Bertolt Brecht und Kurt Weill im Theater Basel (Foto: Ingo Höhn)

Vor fast genau fünfzig Jahren, am 18. Oktober 1975, wurde nach der Sprengung des alten Basler Stadttheaters der Neubau eingeweiht. Was läge näher, als sich dieses Jubiläums mittels eines fast hundertjährigen Bühnenstücks zu erinnern, welches das Thema Stadt warnend aufnimmt. Basel wagt eine wirbelnde Neuorientierung eines schockierenden Stoffes.

Das Stück «Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny» von Bertolt Brecht und Kurt Weill löste 1930 bei seiner Uraufführung in Leipzig einen Skandal aus. Könnte es das auch heute noch? Wohl kaum. Allzu viel haben wir Heutigen schon mehr oder weniger schweigend dazulernen, ertragen, verdrängen müssen. Die täglich neuen Schreckensnachrichten übertreffen alles, was der kritische Geist Brechts sich je ausgedacht hat. So haben zum Beispiel am Tag vor der Basler Premiere die Vereinten Nationen für Gaza-Stadt öffentlich die Hungersnot ausgerufen. 

Wer nicht zahlen kann, muss sterben

Im Stück aber werden dem Holzfäller Jim Mahoney (Rolf Romei) lediglich die paar Dollars für drei Flaschen Whisky fehlen. Er wird zum Tode verurteilt. 

Ich habe gewusst, dass Städte gebaut wurden
Ich bin nicht hingefahren.
Das gehört in die Statistik, dachte ich
Nicht in die Geschichte.
Was sind schon Städte, gebaut
ohne die Weisheit des Volkes?

(Bert Brecht in Buckower Elegien)

«Denn wie man sich bettet, so liegt man.» Als der Dichter Bertolt Brecht und der Komponist Kurt Weill sich vor 95 Jahren entschlossen, gemeinsam eine Oper über eine Stadt zu schreiben, welche durch die eigene Gier untergeht, dachten sie nicht direkt an Babylon oder ähnliche Metaphern für Unmässigkeit, sondern erfanden eine neue Form von städtischem Zusammenleben, welche zum Untergang führt. Kennwort der neuen Stadt Mahagonny: «Du darfst.» Du darfst alles: Huren, betrügen, saufen, stehlen oder Gewalt anwenden. Nur etwas unterliegt in Mahagonny einem Gebot: Du musst Geld haben! Kein Geld zu haben, bedeutet unweigerlich den Tod. 

Goldgräber-Mentalität

Mahagonny, eine Kleinstadt auf der Goldroute, ohne viel Federlesens in Beschlag genommen, geleitet und in den Untergang geführt von der gewissenlosen Witwe Leokadja Begbick (Jasmin Jorias), einigen Goldsuchern und ihren Lohn versaufenden Holzfällern, ist eine Männerstadt. Die alles beherrschende Goldgräber-Mentalität lockt aber selbstverständlich auch Prostituierte an, welche zum allgemein ausgerufenen Slogan «Du darfst» die Stimmung anheizen. 

Die Moral sinkt auf den Tiefpunkt: «Und wenn einer tritt, dann bin ich es. Und wird einer getreten, dann bist’s du.» Schlussendlich eine Selbstauslöschung. Denn keiner kann helfen, weder Jim noch sonst jemandem kann geholfen werden. Ein Ausverkauf von vorher allgemein anerkannten Werten setzt ein.

Regie ohne Zeigefinger

Der Regisseur und Theaterdirektor Benedikt von Peter vermerkt im Programmheft, dass Brecht und Weill unsere metaphysische Haltlosigkeit, das Fehlen einer Utopie anprangerten. Er und das gesamte riesige Theaterkollektiv dieser bemerkenswerten Basler Inszenierung wollen «dieser kollektiven Therapie, die Brecht/Weill mit dem Stück vollziehen, eine Dringlichkeit geben, die alles vermeintlich Zeigefingerhafte hinter sich lässt.»

Generell ist das durchaus gelungen. Der inszenatorische Wille, die gesamte Szenerie zu einem ausufernden Ganzen zu vereinen, überdeckt allerdings oft intimere Ansätze der Partitur durch einen unaufhörlichen, Schwindel erregenden Wirbel von Bildern und Klängen.

Text und Musik aus einem Guss

Wobei von der musikalischen Umsetzung gesprochen werden muss. Unter der erfahrenen Stabführung des Operndirektors Thomas Wise wird die riesige Szenerie mit durchwegs bemerkenswerten Solistinnen und Solisten, mit Theater- und Extrachor sowie dem Sinfonieorchester Basel überlegen beherrscht. 

Es handelte sich seinerzeit bei dieser Zusammenarbeit von Brecht und Weill ja um ein bewusst opernhaftes Werk mit zwar zwanzig Musiknummern (eine der bekanntesten davon «O moon of Alabama») und deren zahlreichen Wiederholungen, welche aber alle – trotz ihrer publikumswirksamen  Eingängigkeit – musikalisch sehr anspruchsvoll sind. Kurt Weill musste leider immer wieder betonen, dass der musikalische Teil von «Mahagonny» oder vorher auch der «Dreigroschenoper» ihm allein zuzuschreiben sei. 

Doch kann man es dem Publikum nicht übelnehmen, wenn es oft nur an Brecht denkt. Das Produkt dieser beiden Genies wirkt auch heute noch wie aus einem Guss. Wir sind dankbar dafür. Auch allen Beteiligten an der Basler Aufführung, welche an der Premiere mit einem Riesen-Applaus belohnt wurden. 

Nächste Aufführungen: 
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
Basel, Grosses Haus, 31. August / 7., 8., 10.,12. September

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