In Erwartung eines russischen Grossangriffs ist die Hälfte der Bewohner der ukrainischen Hauptstadt geflohen. Nach Angaben von Witali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew, haben knapp zwei Millionen Menschen die Stadt verlassen. Kiew zählte vor dem Krieg dreieinhalb Millionen Einwohner. Die Stadt habe sich zu einer «Festung» verwandelt. In der Zwischenzeit haben russische Truppen ihre Angriffe auf Vororte von Kiew intensiviert. Nahe der Stadtgrenze war am Freitagmorgen Artilleriefeuer zu hören. Da und dort zeichnet sich eine humanitäre Katastrophe ab.
Humanitäre Katastrophe
Hunderttausende Menschen leben immer mehr unter katastrophalen Bedingungen. Da und dort gehen die Nahrungsmittelreserven aus, oft fehlen Medikamente und sauberes Wasser. Die hygienischen Bedingungen in den Kellern und Unterständen werden zunehmend ein Problem. «Wir tun alles, um unsere Bevölkerung in den Städten zu retten, die der Feind einfach nur zerstören will», sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj in der Nacht zum Freitag in einer Ansprache.
Heftige Kämpfe vor Kiew
Die Russen nähern sich immer mehr der Hauptstadt und haben sich neu formiert. Mehrere Berichte sprechen von heftigen Kämpfen in den Vororten der Hauptstadt. Am Tag zuvor war es den Ukrainern gelungen, einen russischen Panzervorstoss abzuwehren.
Neue schwere Luftangriffe
Russische Kräfte haben am Freitagmorgen erneut mehrere bereits schwer beschädigte Städte bombardiert. Neu ist, dass auch zivile Ziele und Orte weit hinter den Frontlinien angegriffen werden.
Angegriffen wurde unter anderem die zentralukrainische Stadt Dnipro. Nach Angaben des staatlichen Rettungsdienstes schlugen Geschosse in der Nähe eines Kindergartens und eines Wohngebäudes ein. Mindestens ein Mensch starb.
Tritt Belarus in den Krieg ein?
Russische Kampfflugzeuge haben nach ukarinischen Angaben Ziele im südlichen Belarus beschossen. Sie sollen dem belarussischen Autokraten Alexander Lukaschenko offenbar einen Vorwand liefern, um an der Seite von Russland gegen die ukrainische Armee zu kämpfen.
Über zweieinhalb Millionen Flüchtlinge
Wie das UNHCR, das Uno-Hochkommissariat für das Flüchtlingswesen am Freitagmittag mitteilt, sind 2’504’893 Flüchtlinge registriert worden (Stand: Freitag 12.00 Uhr). Allein Polen hat bisher 1’524’903 Flüchtlinge aufgenommen. Die meisten Flüchtlinge sind Frauen, Kinder und ältere Menschen, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen dürfen.
Zehn Prozent auf der Flucht
Zu den 2,5 Millionen Menschen, die ins Ausland geflüchtet sind, kommen noch die «Binnenflüchtlinge» (Internally Displaced Persons IDP) dazu. Das sind Menschen, die ihre Häuser und Wohnungen verlassen haben und irgendwo in der Ukraine selbst, bei Verwandten, Freunden oder anderswo, Zuflucht suchen. Die Uno schätzt, dass es zurzeit zwischen 1,5 und 2 Millionen Binnenflüchtlinge gibt.
Zusammengezahlt also haben über vier Millionen der 44 Millionen Einwohner Ukraine die Flucht ergriffen: etwa zehn Prozent.
16’000 Syrer auf russischer Seite
Laut russischen Angaben sollen etwa 16’000 Menschen aus dem Nahen Osten, vorwiegend Syrer, bereit sein, auf russischer Seite gegen die ukrainische Armee zu kämpfen. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte, es sei geplant, dass die Söldner sich der «Befreiungsbewegung» der selbsternannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk anschliessen würden. Milizen dieser «Volksrepubliken» belagern zur Zeit die südukrainische Stadt Mariupol.
Präsident Putin sagte, wenn sich Menschen für den russischen Kampf entschieden, müsse man ihnen «auf halbem Weg entgegenkommen und sie ins Kampfgebiet führen». Im Syrien-Krieg unterstützt Russland den syrischen Präsidenten Asad.
Besorgt über russische Propaganda
Russland behauptet, die Ukraine besitze chemische und biologische Waffen. Präsident Selenskyj zeigte sich in der Nacht zum Freitag ernsthaft besorgt über diese Propaganda. Sie könnte, so Selenskyj, ein Vorspiel und eine russische Rechtfertigung sein, um selbst chemische und biologische Waffen einzusetzen.
Auf Antrag Russlands tritt der Uno-Sicherheitsrat am Freitag zusammen. Russland behauptet, in der Ukraine würden mit Unterstützung Washingtons chemische Waffen entwickelt. Die US-Vertretung bei der Uno erklärte, dies sei ein Versuch Russlands, den Sicherheitsrat «als Ort der Desinformation» zu nutzen.
Russischer Angriff auf Charwiker Institut für Physik und Technologie
Zum zweiten Mal innerhalb von weniger als einer Woche hat Russland das Charkiwer Institut für Physik und Technologie angegriffen. Die ukrainische Regierung teilt auf Telegram mit, dass das Institut eine Nuklearanlage für die wissenschaftliche Forschung und die Herstellung von medizinischen Isotopen beherbergt. Das Ausmass des Schadens war nicht sofort klar. Nachdem das Gebäude in der vergangenen Woche durch einen Raketeneinschlag beschädigt worden war, sagten Experten, das Risiko der Freisetzung radioaktiver Partikel scheine gering zu sein, obwohl es schwierig sei, die Gefahr vollständig einzuschätzen.
EU verdoppelt Militärhilfe
Die EU will der Ukraine weitere Militärhilfe im Wert von 500 Millionen Euro zukommen lassen. Dies erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel. Bereits vor zwei Wochen wurden Mittel von 500 Millionen gesprochen. Die EU-Militärhilfe erreicht nun also den Betrag von einer Milliarde.
«Even more economic pain»
Präsident Putin hatte angedroht, ausländische Unternehmen, die sich aus Russland zurückziehen oder Sanktionen gegen das Land verhängt haben, zu verstaatlichen. Damit würde Russland nur «noch mehr wirtschaftlichen Schmerz» erleiden, erklärte Jen Psaki, die Pressesprecherin des Weissen Hauses.
Eine Milliarde Dollar pro Tag
Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel zitiert den britischen Militärhistoriker Lawrence Freedman, der sagt, der Krieg in der Ukraine koste Putin täglich mehr als eine Milliarde Dollar.
Ukrainische Angriffe
Nach eigenen Angaben hat die ukrainische Armee mehrere Angriffe der Russen gestoppt. Ukrainischen Soldaten sei es gelungen, russische Truppen bei der Eroberung der Stadt Tschernikiw zurückzudrängen. Russland versuche weiterhin, bisher allerdings erfolglos, Charkiw, die zweitgrösste ukrainische Stadt, einzunehmen.
«Schwere russische Verluste»?
Im Süden versuchten die Russen nach ukrainischen Angaben, die Stadt Mykolayiw zu erobern. Geplant sei offenbar eine Offensive in Richtung Saporischschja und Krywyj Rih. Dabei hätten die russischen Verbände schwere Verluste erlitten. Überprüfen lassen sich solche Meldungen nicht.
Der 60-km-Konvoi hat sich aufgelöst
Zu Beginn des Krieges gingen Satellitenbilder um die Welt, die einen 60 Kilometer langen russischen Konvoi zeigten, der sich Kiew näherte. Neue Satellitenbilder zeigen nun, dass sich der Konvoi aufgelöst hat. Panzer und andere Militärfahrzeuge seien nun im Norden der Hauptstadt positioniert worden.
«Provoziert»
Der Angriff auf eine Gebärklinik in Mariupol sei von den Ukrainern bewusst provoziert worden, um die Russen anzuschwärzen. Dies erklärte ein russischer Militärsprecher. Die Gebärstation habe seit langem nicht mehr also solche gedient, sondern sei zu einem «militärischen Angriffsposten» ausgebaut worden. Bei dem Raketeneinschlag am Mittwoch starben neben zwei Erwachsenen ein Kind. Die Attacke der Russen hat weltweit eine riesige Bestürzung ausgelöst. Russlands Präsident Selenskyj sprach von «Genozid».
Neuer Versuch in Mariupol
Am Freitag soll in der südukrainischen Stadt Mariupol wieder versucht werden, «humanitäre Korridore» einzurichten. So soll Tausenden der eingeschlossenen 200’000 Menschen erlaubt werden, die schwer umkämpfte Stadt zu verlassen. Frühere Versuche sind immer gescheitert, weil pro-russische Kräfte auf die Fliehenden geschossen haben. Am Donnerstag wurde ein Hilfskonvoi, der Medikamente in die Stadt bringen wollte, beschossen und musste umkehren.
Belagert wird Mariupol nicht nur von russischen Truppen, sondern auch von Milizen der separatistischen ukrainischen «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk.
«Russland wird diese Schwierigkeiten überwinden»
Präsident Wladimir Putin versucht, die westlichen Sanktionen gegen Russland herunterzuspielen. Seinen Regierungsmitgliedern erklärte er in einer Video-Schalte, die russische Wirtschaft werde sich anpassen. «Letztendlich wird dies unsere Unabhängigkeit, Autarkie und Souveränität stärken.» Und: «Russland wird diese Schwierigkeiten überwinden.»
Neue europäische Sanktionen gegen Russland
ARD und ZDF wieder in Moskau
Die ARD und das ZDF wollen ihre letzte Woche ausgesetzte Berichterstattung aus Russland wieder aufnehmen. Nachdem Russland ein drakonisches Mediengesetz in Kraft gesetzt hatte, zogen sich mehrere westliche Medien aus dem Land zurück. Da jetzt die russische Seite «Signale» ausgesandt habe, dass ihre Präsenz erwünscht ist, kehren die beiden Fernsehanstalten zurück. Die SRF-Russlandkorrespondentin berichtet jetzt aus Polen über Russland.
Schröder in Moskau?
Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder soll laut deutschen Medienberichten in Moskau Präsident Putin getroffen haben. Schröder, ein langjähriger Freund des Kreml-Herrschers, wolle nach eigenen Angaben vermitteln. Bundeskanzler Scholz sagte, er wisse nichts davon. Das Nachrichtenportal Politico schreibt, das Treffen sei bereits beendet.
(Wird laufend aktualisiert)
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