Die Blitzreisen der amerikanischen Nahost-Vermittler Steve Witkoff und Jared Kushner nach Israel, gefolgt von jener des Vize-Präsidenten J.D.Vance, wirken wie eine koordinierte Feuerwehraktion – und das sind sie auch. Präsident Trump hat erkannt, dass der von seinem Namen geprägte Nahost-Friedensplan an einem seidenen Faden hängt und dass dieser Faden jederzeit reissen kann.
Israel und Hamas werfen sich gegenseitig Verstösse gegen das Abkommen vor. Es gab wieder bewaffnete Attacken auf israelische Soldaten im Gaza-Streifen und Bombardemente durch die israelische Luftwaffe auf das Trümmer-Küstengebiet. Und Israel behindert die erwartete humanitäre Hilfe für die hungernde 2,2 Millionen-Bevölkerung durch Schikanen für die Lastwagen an den Grenzübergängen. Mit dem Resultat, dass viele Gaza-Palästinenser erklären, für sie habe sich, seit dem Inkrafttreten der angeblichen Waffenruhe, nichts wirklich geändert.
Donald Trump gelangte zur Erkenntnis, dass dringend Handlungsbedarf besteht, hat er doch bereits erklärt, der Krieg sei vorbei, er habe einen «dauerhaften Frieden in Nahost» geschaffen. Die Vorgehensweise bei der Ausarbeitung seines Friedensplans widerspiegelt eine für Trump kennzeichnende Taktik (die er auch für den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine anwenden wollte): Gegnerische Parteien sollen einfach einmal prinzipiell Ja sagen zum grossen Ziel und ihre Unterschrift unter ein entsprechendes Dokument setzen, Details können dann, so die Trump-Doktrin, zu einem noch unbestimmten späteren Zeitpunkt beredet werden. Nur: Der Teufel liegt bekanntlich oft in den Details.
Wieder: 20'000 Hamas-Kämpfer?
In den Tagen seit der Publikation des Gaza-Abkommens wurde von Tag zu Tag klarer: Weder Hamas noch die israelische Regierung wollen von gewissen Prinzipien abweichen – von Zielen, die nicht vereinbar sind mit einer grossen Anzahl von Punkten im Abkommen.
Dazu zählen: Hamas sagt zwar vage Ja zum Verzicht auf eine künftige Regierungsverantwortung im Gaza-Streifen, aber immer noch Nein zur Entwaffnung. Und Vieles deutet darauf hin, dass Hamas dabei ist, sich neu zu organisieren. Eine israelische Geheimdienstquelle geht davon aus, dass die Terror-Organisation noch immer (oder wieder) zwischen 10'000 und 20'000 Kämpfer zur Verfügung habe. Auf der Gegenseite sendet Israel zwiespältige Signale hinsichtlich eines Rückzugs aus dem Gaza-Streifen aus - 57 Prozent des Gebiets sind, östlich von einer «gelben Linie», weiterhin von den israelischen Truppen besetzt. Und einen Zeitplan für den in der Vereinbarung festgeschriebenen völligen Rückzug gibt es nicht.
Netanjahu zwischen Hammer und Amboss
Ein weiteres Alarmzeichen musste US-Präsident Trump in den fast täglich von Benjamin Netanjahu wiederholten Äusserungen erkennen, Israel beharre auf dem Ziel der völligen Vernichtung von Hamas – im Klartext: wer zu Hamas gehört, soll umgebracht werden. Diesem Ziel hatte der US-Präsident zwar bis vor einigen Wochen noch selbst zugestimmt – aber in der seit der Proklamation des Friedensplans verflossenen Zeit modifizierten Donald Trump und seine Berater offenkundig ihre Meinung. Als bekannt wurde, dass Hamas-Terroristen ihre Gegner innerhalb der palästinensischen Bevölkerung öffentlich exekutierten, fand er dafür einige den Gräuel verharmlosende Worte. Dann überlegte er es sich offenbar nochmals, und seither schwankt er hin und her zwischen Drohungen an die Adresse der Hamas-Führung und Äusserungen des Inhalts, Israel solle sich, als Reaktion etwa auf die nur verzögerte Übergabe von toten Geiseln, in Geduld üben.
Der Gesinnungs- oder Stimmungswandel im Umfeld von Donald Trump wurde auch deutlich durch ein Interview mit Jared Kushner und Steve Witkoff auf einem der grossen US-Fernsehkanäle am Sonntag: Da wurde klar, dass die US-Führung jetzt den Trump-Friedensplan eher durch Netanjahu als durch Hamas gefährdet sieht. Und beide, Kushner wie Witkoff, ermahnten den Premier Israels, er müsse seinen Kurs überdenken und sich darüber klar werden, dass Israel keine Alternative habe – eines Tages müsse es sich in die politische Kultur des Nahen Ostens integrieren.
Der israelische Premier ist in eine Situation zwischen Hammer und Amboss geraten. Die rechts-orientierten Minister in seiner Regierung, vor allem Ben-Gvir und Smotrich, fordern eine Wiederaufnahme der Bombardierung des Gaza-Streifens. Aber wenn Netanjahu sich dazu entschliessen würde, wäre das ein Affront gegen Donald Trump und dessen Anspruch, dass er der nahöstlichen Region den Frieden beschert habe. Und das kann Netanjahu sich ja (glücklicherweise) nicht leisten.