
Die Aktivistin Greta Thunberg versuchte zum Protest gegen Israels Kriegsführung nach Gaza zu segeln. Ihr Versuch, die Netanjahu-Regierung umzustimmen, ist genauso gescheitert wie alle diplomatischen Bemühungen. Immerhin hat sie ein klares Zeichen gesetzt.
An der Entschlossenheit Israels, die Anlandung der Yacht «Madleen» mit Greta Thunberg als Galionsfigur in Gaza zu verhindern, konnte von Anfang an niemand ernsthaft zweifeln. Auch nicht die zwölf jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich vor zehn Tagen an Bord begeben hatten.
Wie vorhersehbar, enterte in den frühen Morgenstunden des 9. Juni, noch in internationalen Gewässern, ein israelisches Kommando das Boot, zwang die Insassen, ihre Mobiltelefone über Bord zu werfen und Kurs nicht auf Gaza, sondern den israelischen Hafen von Ashdod zu nehmen. Dort sollten alle genötigt werden, einen Video-Clip der mörderischen Hamas-Attacke auf Israel vom 7. Oktober 2023 anzuschauen – als Lehrstück und Belehrung für die angeblich von Antisemitismus erfassten und, was die Abfolge der Ereignisse betrifft, ahnungslosen Leute. Danach, so erklärte der israelische Aussenminister Israel Katz, könnten sie in ihre Heimatländer zurückkehren. «Die Show ist vorbei», ergänzte er, die ganze Aktion habe ja nur einen Zweck gehabt, nämlich öffentliches Aufsehen zu erregen.
Das stimmt. Die Crew der Yacht wollte, unter Lebensgefahr, öffentliches Aufsehen erregen, aber was ist daran falsch? Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist und bleibt katastrophal: Täglich und nächtlich bombardiert die israelische Armee die bereits zu 90 Prozent zerstörten Häuser, alle paar Tage erlässt sie neue Evakuierungsbefehle und ordert das Zusammenpferchen in Zelten in einer immer engeren Zone der Region an.
Die Versorgung mit Lebensmitteln wurde zwar sporadisch (durch eine israelisch-amerikanische Organisation ohne erfahrene Mitarbeiter) wieder aufgenommen, aber wer immer sich zu einem der wenigen Verteilzentren durchschlagen kann, riskiert sein Leben. Israelische Soldaten, welche die Ausgabe von Lebensmitteln überwachen sollen, werden von einer Menge von Hungernden, Verzweifelnden bedrängt, schiessen zunächst als Drohung in die Luft, dann, beabsichtigt oder nicht, auch in die Menge. So endeten bereits mehrere Verteilungen tödlich.
Folgenlose diplomatische Proteste und Drohungen
Einen Gaza-Plan für eine Zeit nach dem Krieg hat die Regierung Israels nicht, es sei denn, man nähme die Idee einer zwangsweisen Umsiedlung der 2,2 Millionen Palästinenser des Küstenstreifens in ein anderes Land – propagiert von den beiden rechtsradikalen Ministern Ben Gvir und Smotrich – als ernstzunehmendes Projekt und würde das klare Nein aller arabischen Regierungen betreffend Aufnahme von Gaza-Flüchtlingen ignorieren.
Die von der Regierung Netanjahu verursachte Not veranlasste in den letzten Wochen mehrere europäische Regierungen, Protest einzulegen und Drohungen auszusprechen. Frankreichs Präsident Macron drohte, in abgeschwächter Form sekundiert durch den britischen Premier Starmer, mit der Anerkennung eines Palästinenserstaats. Aber kaum, dass die israelische Regierung als Gegenmassnahme damit drohte, das Westjordanland zu annektieren und dort ohne Hemmungen weitere Siedlungen zu bauen, nahmen Frankreich und Grossbritannien ihre Aussagen wieder zurück.
Deutschlands neue Regierung drohte ebenfalls, aber auf sehr abstrakter Ebene: Kanzler Merz bezog sich auf die Formel, gemäss der Israels Sicherheit zur «Staatsräson» Deutschlands gehört und die somit volle Solidarität mit Israel bedeutet. Merz schränkte jedoch ein, dies schliesse nicht grenzenlose Unterstützung für jede Art des militärischen Vorgehens der Regierung von Premier Netanjahu ein.
Aber kaum war die Äusserung des Kanzlers veröffentlicht, wurde sie schon wieder relativiert. Die Lieferung von Waffen und Munition an Israel würde «selbstverständlich» nicht in Frage gestellt. Im Klartext: Kritik (in engem Rahmen) an der Strategie Israels ist zwar erlaubt, aber den Worten dürfen, bitte, keinesfalls irgendwelche schmerzhaften Taten folgen.
Nur Stopp der Waffenlieferungen hätte Wirkung
Die Erfahrung hat gezeigt, dass kritische Worte an der Kriegsentschlossenheit Netanjahus förmlich abprallen. Er und seine Regierung wären allenfalls dann zu einer Kursänderung bereit, wenn die USA und Deutschland (die USA liefern 60 Prozent der Waffen und Munition, Deutschland 30 Prozent) ihre Lieferungen stoppen würden, vorher nicht.
Das wird, man kann es ohne Risiko voraussagen, nicht passieren. Und das heisst: Es bleibt, was die internationale Ebene betrifft, bei Worten, denen keine Taten folgen. Genau dagegen wollten die Aktivistinnen und Aktivisten um Greta Thunberg ein Zeichen setzen.
Ermahnungen an die Adresse Netajanhus gab es übrigens in den letzten Tagen und Wochen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Israel selbst. In der (keineswegs immer regierungskritischen) «Jerusalem Post» vom 6. Juni forderte der Autor Yaakov Katz den Premier auf, eine historische Chance zu ergreifen, konkret: den Gazakrieg jetzt, und zwar dauerhaft, zu beenden.