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Palästina und Israel

Die Wahrheit in ihren Brechungen

22. Dezember 2012
Arnold Hottinger
Journal21: Im ersten Teil untersuchte Arnold Hottinger den "Diskurs" Israels. Im 2. Teil ging es um den palästinensischen Blickwinkel. In diesem 3. Teil versucht er eine Bewertung beider Sichtweisen.

Die Wahrheit liegt ohne Zweifel irgendwo zwischen diesen beiden gegensätzlichen Darstellungen. Doch sie ist nicht gleich entfernt von beiden. Es lässt sich nachweisen, dass der israelische Diskurs viel systematisch verbreitete Unwahrheiten enthält, die dazu dienten und in vielen Fällen noch dienen, das Vorgehen Israels zur Inbesitznahme des palästinensischen Landes zu beschönigen, beginnend mit dem Slogan vom "Land ohne Volk für das Volk ohne Land" und - vorläufig - endend  mit der Behauptung, die Ausdehnung der staatlich geförderten und beschützten Siedlungen in das besetze Westjordanland sei notwendig, um die " Sicherheit" Israels zu gewährleisten. 

Der palästinesische Diskurs weist natürlich ebenfalls propagandistische Elemente auf. Doch es handelt sich dabei fast immer um rhetorische Übertreibungen und emotionale Verbalkompensationen für erlittene Niederlagen und offensichtliche Schwächen, vielmehr als um beabsichtigte Irreführung. Diese Entgleisungen sind sehr oft der Ausdruck von Überkompensation der Verzweiflung über Ketten von stets wiederholten Verlusten, Rückschlägen und  Enttäuschungen.

Erfolgreiche Tarnmanöver, schädliches Aufbegehren

Die israelische Regierungspropaganda entstellt die Tatsachen, um ihre wirklichen Ziele zu verbergen und sie auch vor den liberaleren Teilen der eigenen Bevölkerung verborgen zu halten. Die Palästinenser und mit ihnen viele andere Araber  neigen dazu, ihrer Verzweiflung durch heftige Worte unter  Übertreibung oder Entstellung von Sachverhalten vorübergehende Erleichterung zu verschaffen.

Ihre propagandistischen Entstellungen haben den Israeli gewaltig genützt; sie haben grosse Teile der Welt von der Gerechtigkeit der israelischen Sache überzeugt. Die emotionalen Entladungen, die zu bedeutenden Teilen den arabischen und palästinensischen Diskurs bestimmen und oft von unrealisierbaren Drohungen begleitet sind, haben den Palästinensern und allen Arabern sehr geschadet, weil sie die Behauptungen der Israeli zu bestätigen scheinen, dass diese nur handelten, um "sich selbst zu verteidigen", nicht etwa um anderer Leute Land in Besitz zu nehmen.

Die einzige Gemeinsamkeit

Die Meinungen, die sich beide Seiten von einander bilden und die sie in der Welt zu verbreiten suchen, haben nur eines gemeinsam. Die Israeli und die Palästinenser zeigen sich nicht in der Lage, die Leiden zu erkennen, die sie der Gegenseite angetan haben und - gegenwärtig besonders im Falle der Israeli - immer weiter antun. Dies ist zweifellos eine Folge der  gegeneinander gerichteten Kriegsmentalität, die auf beiden Seiten besteht und stets weiter modert. Sie bewirkt, dass der Gegner nur als ein solcher gesehen wird und nicht als ein Mitmensch ins Auge gefasst werden kann, dem Unrecht geschieht. 

Diese Kriegsmentalität müsste sich ändern, bevor ein echter Frieden entstehen kann. Sie kann sich erst ändern, wenn beiden Seiten eine längere Periode friedlichen, nicht durch Gewaltmassnahmen bestimmten, Zusammenlebens ermöglicht wird.  Die heute bestehende, seit der Balfour Erklärung andauernde und immer nur zunehmende Kriegsmentalität ist im Falle der Palästinenser in erster Linie eine Sache der in Restpalästina und im Exil lebenden Bevölkerung, die ihres Landes und ihrer Nationalität beraubt wurde und diesen Umstand seit 60 Jahren täglich zu spüren bekommt.

Ohne Sinn, ohne Alternative

Die Kriegsmentalität ist im Falle der Israeli weitgehend verursacht durch eine Politik der israelischen Regierung, die darauf ausgeht, alles Land Palästinas bis an den Jordan für den Staat Israel zu annektieren, mit der Ausnahme der am dichtesten von Palästinensern besiedelten Enklaven, den vorgesehenen "Bantustans".  Die seit 1997 herrschenden israelischen Rechtsregierungen möchten die grosse Masse der palästinensischen Bevölkerung der Westjordangebiete und Gazas nicht in den von ihnen begehrten "grossisraelischen" Staat aufnehmen, weil sie vermeiden wollen, dass am Ende die Palästinenser die  Mehrheit der Bevölkerung  Israels bilden. Deshalb versuchen sie die palästinensische Bevölkerung der Westjordangebiete und Gazas in beschränkt autonome Enklaven einzuschliessen, die als nicht zu Israel gehörig klassifiziert und behandelt werden.

Alles übrige Land gedenken sie einem Grossisrael einzuverleiben, das vom Mittelmeer bis zum Jordan reichen soll. Ihr expansives nationalistisches Ziel kann  die israelische Regierung nur verfolgen, wenn sie unter den Israeli und den Palästinensern die erwähnte  Kriegsmentalität aufrecht erhält und beständig nährt. Sie versetzt sich dadurch in die Lage, der eigenen Bevölkerung und weitgehend auch der Aussenwelt ihre expansive und gewaltorientierte nationalistische Zielsetzung als eine unvermeidliche politische Notwendigkeit zu schildern, für die es keinerlei Alternativen gebe.

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