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Medien

Der grosse Zampano will die Medien zähmen

20. Juli 2025
Ignaz Staub
Ignaz Staub
Stephen Colbert
Stephen Colbert 2024 im Dolby Theatre in Los Angeles (Keystone/Richard Shotwell/Invision via AP)

Der amerikanische Fernsehsender CBS stellt seine «Late Show» mit dem Komiker Stephen Colbert per Ende Mai 2026 ein. Der Entscheid, heisst es, basiere auf «rein finanziellen Überlegungen». Andere Stimmen halten die Absetzung der populären Sendung für einen Akt vorauseilenden Gehorsams gegenüber Präsident Donald Trump, der unliebsame Medien zum Schweigen bringen will.

Es war eine schreckliche Woche für Amerikas Medien. Der Trump-hörige Kongress beschloss, auf Druck aus dem Weissen Haus gesprochene Bundesmittel in der Höhe von 1,1 Milliarden Dollar rückgängig zu machen, aus denen das öffentliche Public Broadcasting System (PBS) und das öffentliche Radio (NPR) bisher zu einem Grossteil finanziert worden sind. Derweil hat Donald Trump Verleger Rupert Murdoch und zwei Reporter des «Wall Street Journal» wegen Ehrverletzung und übler Nachrede auf Schadenersatz in der Höhe von 10 Milliarden Dollar verklagt. 

Die New Yorker Tageszeitung hatte berichtet, der US-Präsident habe seinerzeit dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein zum 50. Geburtstag mit einem Brief gratuliert, auf dem auch eine nackte Frau gezeichnet war. Trump dementierte umgehend, je öffentlich gezeichnet zu haben, und erklärte den Brief für Fake News. Inzwischen hat die «Washington Post» einen bebilderten Artikel publiziert, wonach in mindestens vier Fällen Zeichnungen des Präsidenten an Auktionen verkauft worden sind. 

Schamlos unterwürfig

«Diese Klage ist nicht nur im Namen eures Lieblingspräsidenten, ICH, eingereicht worden», schrieb Donald Trump auf seiner Plattform «Truth Social», «sondern um sich für ALLE Amerikanerinnen und Amerikaner zu wehren, welche die missbräuchlichen Verfehlungen der Fake-News-Medien nicht mehr dulden.» Sein Vorgehen kommt insofern überraschend, als er und Rupert Murdoch als Freunde gelten, die ähnliche ideologische Überzeugungen teilen. Auch sind Murdochs Medien, allen voran der Fernsehsender Fox News oder die Boulevardzeitung «New York Post», dem Präsidenten gegenüber stets wohlgesinnt gewesen, im Fall von Fox News geradezu schamlos unterwürfig.

Zwar räumen Juristen der Klage gegen das «Wall Street Journal» wenig Aussicht auf Erfolg ein, aber die leidvolle Erfahrung im Fall von Klagen gegen die Fernsehgesellschaft ABC und in einem früheren Fall gegen CBS News zeigt, dass amerikanische Unternehmen mitunter dem Weissen Haus gegenüber aus vorauseilendem Gehorsam einknicken, um allfällige wirtschaftliche Schäden aufgrund von Racheaktionen des Präsidenten abzuwenden.

Weniger Einnahmen und Publikum

Solche Überlegungen könnten zumindest im Fall des Entscheids von CBS, nächstes Jahr die «Late Show» einzustellen, eine Rolle gespielt haben. Ihr Moderator Stephen Colbert, seit zehn Jahren auf Sendung, gehört jedenfalls neben anderen Fernsehkomikern wie Jimmy Kimmel von ABC oder Jon Stewart von «Comedy Central» zu den schärfsten Kritikern Donald Trumps und er hat ihn spätabends wiederholt persifliert. So nannte er die 16 Millionen Dollar, die CBS wegen eines angeblich manipulierten Interviews mit Kamala Harris freiwillig an Trumps Präsidentenbibliothek zahlte, «eine Bestechung». Die Klage hätte Juristen zufolge vor Gericht kaum eine Chance gehabt. 

Zwar trifft zu, dass spätabends ausgestrahlte Talkshows wie die «Late Show» jüngst spürbar an Publikum und Werbeeinnahmen eingebüsst haben. Hatten die grossen Fernsehgesellschaften 2018 mit ihren Abendprogrammen noch 439 Millionen Dollar eingenommen, so waren es im vergangenen Jahr nur noch 220 Millionen. Auch wenden sich junge Männer, die für die Werbeindustrie als begehrteste und am schwierigsten zu erreichende Alterskategorie gelten, neuerdings vermehrt Streaming-Diensten wie Netflix oder YouTube zu.

 Schwache Wirtschaftlichkeit

Erstmals haben laut der Firma Nielsen, die in den USA Einschaltquoten misst, junge Männer in den vergangenen zwei Monaten häufiger Angebote von Streaming-Services gesehen als Sendungen von CBS, NBC oder ABC. Brian Wieser, CEO einer Werbeberatungs- und Datenfirma, sagt, er wisse nicht, ob die «Late Show» mit Stephen Colbert für CBS und deren Muttergesellschaft Paramount noch rentiere: «Die Wirtschaftlichkeit des Fernsehens ist heute schwach.»

Trotzdem ist nicht auszuschliessen, dass politische Überlegungen wie im Fall von «60 Minutes» für CBS eine Rolle gespielt haben. Denn Paramount, die Muttergesellschaft des Senders, soll mit David Ellisons Unternehmen Skydance Media fusionieren, was Paramounts Chefin Shari Redstone einen saftigen Gewinn von rund zwei Milliarden Dollar bescheren würde. Doch die Federal Trade Commission (FTC), die als Bundesbehörde unter anderem für Firmenfusionen zuständig ist, könnte dieses für Paramount äusserst lukrative Geschäft noch vermiesen. Es sei denn, Donald Trump sei dem Deal gegenüber wohlgesonnen.

«Ein alter Film»

Das Ganze könne, ganz ehrlich, eine alte Geschichte sein, schreibt CNN-Medienexperte Brian Stelter: «Wir alle haben diesen Fusionsfilm schon gesehen. Der neue Besitzer will einen grossen Wechsel anstossen, aber er will nicht schuld daran sein, also macht der alte Besitzer die dreckige Arbeit.» Was die Zuständigen dementieren. Auf jeden Fall gilt Larry Ellison, der Vater von Skydance-Besitzer David Ellison, als guter Freund Donald Trumps und der Tech-Pionier hat den Präsidenten im Wahlkampf kräftig unterstützt. Ein Schurke, wer hier Böses denkt …

Donald Trump, wie könnte er auch anders, liess es sich indes nicht nehmen, das Ende von Stephen Colberts Sendung zu feiern. «Ich liebe es uneingeschränkt, dass Colbert gefeuert wird», hat er auf «Truth Social» gepostet: «Sein Talent war noch geringer, als es seine Einschaltquoten sind.» 

Kritik der Demokraten

«Ich höre, Jimmy Kimmel ist der nächste. Er hat noch weniger Talent als Colbert», schrieb Donald Trump zudem über einen anderen seiner erbitterten und witzigen Fernsehkritiker, den Moderator der Sendung «Jimmy Kimmel live» auf ABC. Kimmels Vertrag läuft nächstes Jahr aus. Auch ABC hat an Trumps Präsidentenbibliothek wegen angeblicher Ehrverletzung durch einen Moderator 16 Millionen Dollar gezahlt. Die drei TV-Komiker Stephen Colbert, Jimmy Kimmel und Jon Stewart sind diese Woche alle drei für Emmys, Amerikas höchste Fernsehpreise, nominiert worden.

Colberts Kündigung rief derweil auch demokratische Politiker auf den Plan. «Falls Paramount und CBS ‘The Late Show’ aus politischen Gründen abgesetzt haben, verdient die Öffentlichkeit, das zu erfahren», sagte Senator Adam B. Schiff (Kalifornien) in den sozialen Medien. «CBS hat Colberts Show abgesetzt, nachdem er nur drei Tage zuvor die Besitzerin Paramount für ihre 16 Millionen Dollar-Einigung mit Trump kritisiert hatte – ein Deal, der nach Bestechung riecht», liess Senatorin Elizabeth Warren (Massachusetts) verlauten: «Amerika verdient es, zu erfahren, ob seine Show aus politischen Gründen abgesetzt wird.» 

«Ein korrupter Dauerpromi»

Unter Umständen, diagnostiziert der New Yorker Autor Jesse Hassenger, widerspiegelten die Herausforderungen der Fernsehsatire den Umstand, dass Donald Trump selbst eine ständige Quelle von Realsatire sei: «Trump hat nicht nur persönlich die Bilanzen verschmutzt, sondern auch dazu beigetragen, den Niedergang der Late-Night-Comedy zu beschleunigen, indem er einfach er selbst war und damit das perfekte Ziel zu bieten schien: ein korrupter, geistloser Dauerpromi mit einer Armee von ergebenen Speichelleckern. Aber nachdem zwei nicht aufeinanderfolgende Regierungen die Szene mit Grotesken überschwemmt haben, scheint es unwahrscheinlich, dass ein leicht bissiger Monolog oder Sketches als Aufwärmübung für gutmütige Interviews entweder diejenigen ansprechen, die sich nach einer Anti-Trump-Katharsis sehnen, oder diejenigen, die verzweifelt an seine Macht als starker Mann glauben wollen.»

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