Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Festival-Sommer

And the winner is: Aix-en-Provence

24. Juli 2025
Annette Freitag
Orlinski (rechts) in Aix-en-Provence
Jakub Jozef Orlinski (rechts) in Aix-en-Provence – strahlend über den Jubel im Publikum Foto © izQm-AYA.jpeg

Wenn Theater, Opernhäuser und Konzertsäle in die Sommerpause gehen, übernehmen die internationalen Festivals und wetteifern um Publikum und Renommee.

Besonders gut im Rennen liegt dieses Jahr Aix-en-Provence. Nur schon die Lage in Südfrankreich ist verführerisch, aber das jährliche Musik-Festival hat zusätzlich noch einen Grund zum Feiern. Es bekommt dieses Jahr den Birgit-Nilsson-Preis, den mit einer Million Dollar weltweit höchstdotierten Klassikpreis, «für seine herausragenden künstlerischen Leistungen und sein Engagement bei der Entwicklung neuer Opern» – wie es in der Begründung heisst. Stifterin des Preises ist die namensgebende Sopranistin selbst und er wird alle drei Jahren vergeben. Man könnte sagen: der Nobelpreis in Musik.

Aix-en-Provence, Jubel
Unter freiem Himmel: das Publikum im Erzbischofspalast Foto © Festival Aix-en-Provence

Es muss ein Riesenschock gewesen sein, als Pierre Audi nach der Bekanntgabe des Preises, aber noch vor Beginn des «Festivals Aix-en-Provence» völlig unerwartet verstorben ist. Audi, dieser charismatische Theatermann, der nicht nur in Südfrankreich Theaterwunder bewirkte, sondern international zu den spannendsten Machern in Sachen Oper und Theater gehört. Als Intendant und Regisseur hat er während der vergangenen sieben Jahre das Festival in Aix-en-Provence in einer Zeit politischer Krisen und ständiger finanzieller Nöte im Glauben an die Kunst geprägt. «Wenn alles instabil und vergänglich erscheint, bleibt die Kunst wie ein zuverlässiger Kompass.»«»»»»«« So Audi im Vorwort des Programms.

Aix, Erzbischofpalast
Hier geht’s in den Erzbischofspalast. Foto © Festival Aix-en-Provence

Aber: The Show must go on … auch in Aix-en-Provence. Wenigstens die Planung des 79. Festivals hatte Pierre Audi – zum Glück – bereits unter Dach und Fach.

Herausgekommen ist eine Fülle von musikalischen Veranstaltungen: neben der spannenden und eigenwilligen Interpretation von Mozarts «Don Giovanni» vor allem die Oper «La Calisto» des Venezianers Francesco Cavalli, unter freiem Himmel im Hof des Erzbischof-Palastes. Es ist – nach Monteverdi – eine der frühesten Opern überhaupt. Oder «Louise» von Gustave Charpentier, eine Opernrarität aus dem Jahre 1900, mit Elsa Dreisig in der Titelrolle. Dazu weitere Opern, Konzerte und verschiedene kleinere und überaus unterschiedliche Veranstaltungen. Dies alles mit bemerkenswert günstigen Preisen speziell für ein junges Publikum.

Jakub Jozef Orlinski – umjubelt von Jung und Alt

Gerade das junge Publikum scharte sich mit grösstem Vergnügen um Jakub Jozef Orlinski, der nicht zuletzt wegen seiner akrobatischen Breakdance-Einlagen auch die jüngere Generation verführen und für Barockmusik begeistern kann. Dank eines kleinen Missverständnisses hat das Festival Orlinski 2017 einen unerwarteten Karriere-Kick beschert: Orlinski sollte damals an einem Nachmittag im Freien ein Vivaldi-Konzert geben. Was er denn dabei anziehen solle, fragte er die Veranstalter. Ach, kommen sie einfach so, wie sie gerade sind, sagte man ihm. Also kam er etwas verwuschelt mit kurzen Hosen, luftigem Hemd und Turnschuhen. Es sollte von «France musique» aufgezeichnet werden, hiess es. Fürs Radio, dachte Orlinski. Fürs Fernsehen war es stattdessen … und es wurde von Anfang an ein echter Hingucker, wie kaum ein anderes Konzert. Verstrubbelt steht er da und singt unter anderem die Vivaldi-Arie «vedro con mio diletto» … und er verzaubert nicht nur das Publikum in Aix-en-Provence an diesem Nachmittag. Auf YouTube wurde der Clip inzwischen mehr als zwölf Millionen mal angeklickt! 

Dieses Mal stand Orlinski ganz comme il faut auf der Bühne des Grand Théâtre de Provence. Selbstverständlich vor ausverkauftem Haus, mit Fans aus sämtlichen Generationen. Zu hören waren Barock-Arien und polnische Lieder, also durchaus ein anspruchsvolles Programm. Nach der Pause ein kurzer Breakdance-Move als Konzession für seine jungen Fans – und am Schluss tosender Applaus von Alt und Jung. Wer noch nicht 30 war, durfte anschliessend zum «meet and greet» mit Orlinski auf die Dachterrasse. Es wurde so eng, dass man nur noch die Flucht ergreifen konnte … auch Orlinski selbst.

Bastide du Jas de Bouffan
Bastide du Jas de Bouffan – hier ist Paul Cézanne aufgewachsen. Foto © L.Perrey
Cézanne, Bäume
So malte Cézanne die Bäume. Foto © FWN215.jpg

Neben der Musik auch Kunst

Ausverkauftes Haus gab es neben den Opern und Konzerten auch im Kunstbereich. Im Musée Granet konnte, wer wollte, seine Zeit zwischen den Musik-Events mit Cézanne verbringen. Aber zuerst hiess es: Schlange stehen, um Bilder zu sehen. Paul Cézanne, der hier in Aix-en-Provence geboren wurde und auch hier lebte, ist ein Publikumsmagnet. Die Ausstellung präsentiert Bilder, die im Zusammenhang mit der Bastide du Jas de Bouffan stehen, einem Haus am Rande der Stadt, inmitten eines grossen Parks. Hier ist Cézanne aufgewachsen und viele Bilder beziehen sich auf diese Umgebung. Hier stehen sie noch, die prächtigen Bäume, die Cézanne bereits verewigt hat. Die Bastide du Jas de Bouffan ist neuerdings im Besitz der Stadt, kann besichtigt werden und wird jetzt restauriert. Beim Bummel durch den Park sieht man Cézannes Bilder leibhaftig vor sich: das Haus, die Bäume, intensiv grün mit dem blauen Himmel drüber. Heute noch genauso, wie Cézanne sie gemalt hat. Faszinierend.

Und anschliessend geht’s wieder ins Konzert. In die Oper. Zum Liederabend. Zum Jugendorchester. Oder einfach nur zu einem Glas Rosé, bei dem man über Audis Worte sinnieren kann, die er seinem Festivalprogramm vorangestellt hat : «Wenn alles instabil und vergänglich erscheint, bleibt die Kunst ein zuverlässiger Kompass.» Ein Kompass, den wir derzeit ganz besonders brauchen, «in dieser nebligen Zone, in der die Menschheit ihre grundlegendste Orientierung verlieren kann», so Audi.

Inzwischen ist das Festival von Aix-en-Provence zu Ende gegangen. Mit 64‘000 Besuchern wurde ein neuer Zuschauerrekord erreicht.

«Cézanne»
Musée Granet
Aix-en-Provence bis 12. Oktober 2025

Letzte Artikel

Der Papst und der Patriarch von Istanbul in Nizäa – Nur der Kaiser fehlte

Erwin Koller 4. Dezember 2025

EU berechenbarer als USA

Martin Gollmer 4. Dezember 2025

Dröhnendes Schweigen um Venezuela

Erich Gysling 1. Dezember 2025

Spiegel der Gesellschaft im Wandel

Werner Seitz 1. Dezember 2025

Bücher zu Weihnachten

1. Dezember 2025

Nichts Dringlicheres als die Rente?

Stephan Wehowsky 1. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.