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USA

Amerikas Armee rüstet auf – fitter, schlanker, 
mit kürzeren Haaren und abrasierten Bärten

6. Oktober 2025
Ignaz Staub
Ignaz Staub
Militärs
Keystone/AP Photo/Evan Vucci

Statt eine neue Verteidigungsstrategie näher zu erläutern, haben Präsident Donald Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth die versammelte Generalität der US-Armee auf den «Krieg im Innern» eingeschworen. Und die kämpfende Truppe, so der Pentagon-Chef, soll sich künftig aggressiver und weniger fettleibig zeigen. Das Publikum quittierte das Polit-Theater mit Schweigen.

«Wir bringen das fundamentale Prinzip zurück, dass die Verteidigung des Heimatlandes die erste und wichtigste Priorität des Militärs ist», sagte Donald Trump in seiner mehr als einstündigen, mäandernden Rede vor rund 800 hochrangigen amerikanischen Generälen und Admirälen. Der Chef des Pentagon, das fortan Kriegsministerium heissen soll, hatte die Generalität kurzfristig aus allen Teilen der Erde nach Quantico (Virginia) beordert – ein Unternehmen, dessen Spesen Amerikas Steuerzahlende etliche Millionen Dollar gekostet haben dürften. 

Was die sonst so auf Sparen und Entlassungen eingeschworene US-Regierung (DOGE, irgendwer?) aber offenbar nicht störte. Auch nicht der Umstand, dass der aufwändige Event Teilnehmenden zufolge von der Substanz her ebenso gut auf eine Zoom-Konferenz oder ein Rundmail hätte reduziert werden können.

Ein müder Trump

Vor seiner Ankunft auf dem Stützpunkt der Marineinfanterie hatte der US-Präsident eingeräumt, dass das Treffen zwar Geld koste, es aber wegen des «great spiritizing» (was immer das heisst) wert war. Während seiner 73-minütigen Rede wirkte Donald Trump dann aber müde und improvisierte, statt vom Teleprompter abzulesen. Und wie häufig sprach er verschiedenste Themen an, auch solche, die mit dem Militär nichts zu tun hatten. 

Unter anderem erwähnte er, dass das Wort «Zölle» inzwischen nur noch sein fünftliebstes Wort war, nachdem er kritisiert worden sei, dass etwa Worte wie «Gott» oder «Ehefrau» wichtiger seien. Und wie stets lokalisierte er die Wurzel allen Übels in seinem Vorgänger Joe Biden, dessen Mitarbeiter Direktiven ohne seine Erlaubnis mit einem Unterschriftenautomaten verabschiedet hätten, und in «radikalen linken Verrückten» – ein Bruch mit der Tradition, im Militär nicht über Parteipolitik zu reden. 

Keine politische Korrektheit mehr

Die US-Armee, stellte der Commander-in-Chief fest, sei künftig kein Ort für «politische Korrektheit» mehr und, übrigens, Kanada könne immer noch Teil der Vereinigten Staaten werden. Amerikas Rückzug aus Afghanistan nannte er «den wohl peinlichsten Tag in der Geschichte unseres Landes». Aber jetzt sei die Nation wieder präsent: «Solcher Scheiss wird uns nicht mehr passieren. Das sage ich Ihnen. Das war schrecklich, so schrecklich.»

Donald Trump verteidigte seine Politik, das amerikanische Militär auch gegen den «inneren Feind» einzusetzen, in «unsicheren» und «gefährlichen» Städten wie Washington DC, Los Angeles oder Portland, die von «radikalen linken Demokraten» regiert würden: «Wir werden sie (die Städte) eine nach der anderen auf Vordermann bringen», prophezeite er: «Und dabei werden einige Leute in diesem Raum eine wichtige Rolle spielen. Das ist auch ein Krieg.» 

Städte als Manöverraum

Amerikas Cities, sagte der Präsident, sollten als «Übungsgelände» für die Truppe dienen. Er sei gewarnt worden, dass die Generalität nicht eben eine Ansammlung cooler Typen sei. Deshalb gelte es, sie etwas aufzulockern. Auf jeden Fall wurde er bei seinem Auftritt vom Publikum nicht wie gewohnt mit donnerndem Applaus, sondern bleiernem Schweigen begrüsst: «Ich habe noch nie zuvor einen Raum betreten, der so still war.». Doch wem nicht passe, was er sage, der könne den Saal jederzeit verlassen, scherzte der Präsident, «aber dann ist euer Rang, dann ist eure Karriere im Eimer». 

Was allerdings keine leere Drohung war: Das Pentagon hat bereits mehrere hochrangige Offizierinnen und Offiziere teils ohne stichhaltige Begründung entlassen, unter anderen General Charles Q. Brown, den schwarzen Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs, und Admiralin Lisa Franchetti, die Operationschefin der Marine. Weitere Kader, vor allem Frauen und Angehörige von Minderheiten, dürften folgen. Im Pentagon ist die Rede davon, die Generalität um einen Fünftel zu reduzieren. 

Wie George S. Patton

Währenddessen sprach Verteidigungsminister Pete Hegseth, ein früherer konservativer Fernsehmoderator, in Quantico vor einer riesigen amerikanischen Flagge, die einer Szene aus dem Hollywood-Film über General George S. Patton aus den 1970er-Jahren nachempfunden war. Hegseth liess zu Beginn seiner Rede Szenen aus dem Film laufen, die Ausschnitte aus den berühmten Reden des Generals an die Truppe vor der Invasion in der Normandie zeigten: «Jeder Mann ist ein wichtiges Glied in der grossen Kette. Jeder Mann macht seinen Job. Jeder Mann dient dem Ganzen.»  

Doch Pete Hegseth, so ein Kommentator, habe in seiner fast einstündigen Rede offenbar vergessen, dass er nicht mehr als Leutnant vor Rekruten, vor einem Zug Fallschirmspringer der 101. Luftlandedivision oder als Major der Nationalgarde sprach, sondern vor Offizieren mit zusammengezählt Jahrhunderten Diensterfahrung. Entsprechend dürften seine teils in saloppem Kasernenton vorgetragenen Ermahnungen schlecht angekommen sein: «Keine Bärte, keine langen Haare, keine überflüssigen persönlichen Merkmale mehr», sagte der Minister, der selbst tätowiert ist: «Wir werden unsere Haare schneiden, uns rasieren, unsere Bärte abschneiden und uns an Standards halten.» 

Keine «woken» Führer mehr

Vorbei die Zeiten frivoler Klagen wegen sexueller Belästigung, «toxischen» Vorgesetzten oder ungleicher Behandlung aufgrund von Rasse, Geschlecht oder Religion: «Kein Trapsen auf Eierschalen mehr.» Vorbei auch die Zeiten überkorrekter Regeln für das Verhalten der kämpfenden Truppe. «Ihr seid hiermit dazu befreit, apolitische, hart vorwärts stürmende, dem Unsinn abholde, verfassungsmässige Führer zu sein, die zu werden ihr euch der Armee angeschlossen habt», sagte der Verteidigungsminister ans Publikum gewandt. Es gebe zwei Arten militärischer Führer: «die Woken» und die «Kriegskämpfer». Die meisten Anwesenden würden der zweiten Kategorie angehören.

Wichtig in diesem Kontext, so Hegseth, sei auch die physische Fitness, die zweimal im Jahr geprüft werden soll: «Ehrlich gesagt, ich bin es müde, mir Kampfformationen oder irgendeine Formation anzuschauen und dicke Truppen zu sehen. Ebenso ist es völlig unzulässig, in den Hallen des Pentagon dicken Generälen und Admirälen zu begegnen.» 

Solche Probleme zu lösen, sei ein erster Schritt, um eine Armee zu reparieren, die seit dem 2. Weltkrieg ihre Fähigkeit verloren habe, Kriege zu gewinnen. Das Militär sei durch «Jahrzehnte des Zerfalls» geschwächt, wofür «woke» politische und militärische Führer verantwortlich seien. Politische Korrektheit und «woker Müll» in den Rängen der Armee, forderte der Verteidigungsminister, müssten eliminiert werden. 

«Höchste männliche Standards» 

Anders als in seinem 2024 erschienenen Buch «The War on Warriors», in dem er zum Schluss gekommen war, Frauen seien für Kampfaufgaben mental ungeeignet, sprach sich Pete Hegseth nicht mehr direkt gegen Frauen in der Armee aus, solange sie «höchsten männlichen Standards» genügten: «Dem Krieg ist es egal, ob du ein Mann oder eine Frau bist. Auch dem Feind.» 

Die Anforderungen seien im vergangenen Jahrzehnt gesenkt worden, um willkürliche rassen- und genderbezogene Quoten zu erfüllen: «Dummerweise haben wir Führer gehabt, die sich entweder weigerten, solchen Schwachsinn zu kritisieren und Vorgaben durchzusetzen, oder Führer, die meinten, sie dürften keine Standards durchsetzen. Beides ist inakzeptabel.» 

Eine MAGA-Armee

Fazit des über zweistündigen Polit-Theaters in Quantico: Auch die US-Armee soll, koste es, was es wolle, neben der Justiz, den Universitäten, der Unterhaltungsindustrie und den Medien, fester Bestandteil der MAGA-Bewegung werden. Dass eine solche Entwicklung, monieren Kritiker, angesichts globaler Herausforderungen wie dem Konflikt im Nahen Osten, dem Krieg Russlands in der Ukraine oder Chinas Drohgebärden gegenüber Taiwan Amerikas Armee eher schwäche, kümmert Donald Trump und Pete Hegseth anscheinend wenig. Für sie ist Show wichtiger als Nüchternheit, Bauchgefühl besser als Expertise, Provokation produktiver als Kompromiss und Heuchelei überzeugender als Ehrlichkeit. 

Ungewöhnlich am Ende, dass sich selbst Leo XIV. im Vatikan bemüssigt fühlte, sich zu Trumps und Hegseths Auftritten in Virginia zu äussern. Der Papst nannte ihre Rhetorik «Besorgnis erregend», weil sie, jederzeit, Spannungen erhöhe: «Formulierungen wie jene vom Kriegsminister statt vom Verteidigungsminister. Hoffen wir, dass das nur eine Redewendung bleibt. Natürlich ist es ein Regierungsstil, der Stärke zeigt, um Druck aufbauen. Hoffen wir, dass das funktioniert und es keinen Krieg gibt. Wir müssen uns immer für Frieden einsetzen.»

 Kriegsschauplatz Chicago

Leo XIV. stammt aus dem Staat Illinois und war Bischof in Chicago, dem nächsten Schauplatz für Donald Trumps «Krieg im Innern». Vergangene Woche sind Agenten der Nationalen Sicherheit (DHS) und der Einwanderungsbehörde (ICE) mit Drohnen, Helikoptern und Lastwagen auf den Strassen der demokratisch regierten Millionenstadt aufgetaucht und es hat erste Proteste, Zusammenstösse und Festnahmen gegeben. Demnächst sollen den Agenten des Bundes bewaffnete Nationalgardisten folgen. Am vergangenen Samstag schossen Agenten angeblich aus Selbstverteidigung während einer Festnahmeoperation eine Frau an, die danach vom FBI verhaftet wurde: «Only in America.»

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