Der 47-jährige Putin-Kritiker Alexej Nawalny starb laut Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass nach einem Spaziergang im Freien. Er habe plötzlich ein Unwohlsein verspürt und das Bewusstsein verloren, teilte die Gefängnisverwaltung der nördlichen Region Jamalo-Nenez mit. Trotz des Einsatzes von medizinischem Personal habe Nawalny nicht wiederbelebt werden können. Die genaue Todesursache werde derzeit ermittelt, so die Nachrichtenagentur Tass. In internationalen Reaktionen wird mehrheitlich Putins Regime für den Tod des Oppositionspolitikers verantwortlich gemacht.
Nawalny, auf den 2020 ein Giftanschlag verübt worden war, gehörte zu den schärfsten Kritikern des Putin-Regimes. Er verbüsste eine jahrelange Haft in verschiedenen Strafkolonien. Verurteilt wurde er unter anderem wegen Extremismus. Er hatte in der Vergangenheit Fälle von Korruption in Russland öffentlich gemacht und Demonstrationen gegen Putin organisiert. Seine politische Bewegung wurde verboten. Seine engsten Mitarbeiter wurden inhaftiert oder verliessen Russland.
Bisher hat die russische Regierung den Tod von Nawalny weder bestätigt noch gemeldet. Präsident Wladimir Putin sei über den Vorfall informiert worden, schreibt Tass. Laut den Telegram-Kanälen 112 und RT soll ein Blutgerinnsel die Ursache für Nawalnys Tod gewesen sein.
Angehörige warnten seit Monaten, Nawalnys Gesundheitszustand verschlimmere sich zunehmend durch die harten Haftbedingungen. Bilder von Gerichtsverhandlungen, an denen er per Video aus dem Gefängnis teilnahm, zeigten ihn in den vergangenen Monaten stark abgemagert. Nawalny klagte immer wieder über extreme Bauch- und Rückenschmerzen. Eine sinnvolle Behandlung sei ihm aber verwehrt worden.
Freiwillig nach Russland zurückgekehrt
Auf Nawalny war am 20. August 2020 ein Giftanschlag verübt worden. Auf einem russischen Inlandflug war er akut erkrankt und brach zusammen. Anschliessend wurde er nach Berlin geflogen und in der Charité behandelt. Dort wurde eine schwere Vergiftung mit einem Cholinesterase-Hemmstoff diagnostiziert. Am 2. September 2020 teilte die Bundesregierung mit, dass eine durch die Charité veranlasste Untersuchung in einem Labor der Bundeswehr den Nachweis des Nervengiftes Nowitschok erbracht hatte. Dieser Befund wurde von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bestätigt.
Im September 2023 hatte die russische Justiz eine Berufung Nawalnys gegen eine 19-jährige Haftstrafe abgelehnt. Das Berufungsgericht habe entschieden, «das Urteil in erster Instanz unverändert zu lassen». Nawalny hatte per Videoschalte an der Urteilsverkündung teilgenommen. Die Staatsanwaltschaft hatte Nawalny unter anderem die Anstiftung und Finanzierung extremistischer Aktivitäten sowie die Gründung einer extremistischen Organisation vorgeworfen. Er hatte die Vorwürfe als frei erfunden zurückgewiesen und erklärt, er solle zum Schweigen gebracht werden.
In eine Strafkolonie nach Sibirien verlegt
Ende 2023 war man wochenlang ohne Nachricht von Nawalny. Dann teilte seine Sprecherin mit, dass er in eine Strafkolonie in den arktischen Norden Sibiriens verlegt worden sei.
Die Strafkolonie Nummer drei liegt demnach im Ort Charp im autonomen Kreis der Jamal-Nenzen – rund 2’000 Kilometer von Moskau entfernt. Bei den Nenzen handelt es sich um ein indigenes Volk, das vor allem auf der Halbinsel Jamal lebt.
Die berüchtigte Strafkolonie IK-3 liegt weit weg vom russischen Machtzentrum. Hier werden die schwersten Verbrecher eingesperrt.
Schockiert
Rund um die Welt zeigten sich Regierungen, hohe Politiker und Kommentatoren schockiert über den Tod Nawalnys. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte die Regierung in Moskau eindringlich auf, den Tod aufzuklären. Die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris sagte auf der Sicherheitskonferenz in München: «Welche Geschichte sie auch immer erzählen werden, lassen Sie uns klar sagen: Russland ist verantwortlich.»
Der ehemalige Schachweltmeister Garry Kasparov gibt Putin die Schuld für Nawalnys Tod. «Putin hat vergeblich versucht, Nawalny schnell und im Verborgenen zu töten, jetzt hat er ihn langsam und in aller Öffentlichkeit im Gefängnis umgebracht.»
Auch das EDA hat sich bestürzt geäussert. Nawalny sei ein Verfechter der Demokratie und der Grundrechte gewesen, schrieb das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf dem Nachrichtenportal X. Das EDA erwarte, dass eine Untersuchung über die Todesursache eingeleitet werde. Das Departement sprach Nawalnys Familie sein Beileid aus.