
Er zählt neben dem Zeitgenossen Gabriel García Márquez und dem eine Generation älteren Jorge Luis Borges zu den berühmtesten Schriftstellern Lateinamerikas. Mit dem Kolumbianer Garcia Márquez war er in jüngeren Jahren eng befreundet. Beide sind später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Beide engagierten sich damals für die kubanische Revolution und waren fasziniert von deren Anführer Fidel Castro.
Doch im Laufe der 1960er Jahre schlug der Peruaner Mario Vargas Llosa andere politische Wege ein. Er distanzierte sich vom Castro-Regime, kritisierte dessen repressive Politik und bekannte sich immer dezidierter als kämpferischer Liberaler, zeigte auch Sympathien für konservative Führungsfiguren wie Margaret Thatcher oder Ronald Reagan. Er entzweite sich mit seinem früheren Weggenossen García Márquez. Bei einem gemeinsamen Kinobesuch in Mexiko soll es 1976 zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Schriftstellern gekommen sein, deren Hintergründe nie geklärt worden sind.
Mario Vargas Llosa, der am Sonntag im Alter von 89 Jahren in Lima gestorben ist, war trotz seiner künstlerischen und streckenweise intensiven politischen Verbindung mit seiner Heimat Peru auch ein Weltbürger von geradezu klassischem Format. Seine Jugend verbrachte er mit seiner Mutter längere Zeit in Bolivien, nachdem der autoritäre Vater die Familie verlassen hatte. Er studierte in Paris und arbeitete dort als Journalist. Er war an mehreren amerikanischen Universitäten als Dozent tätig, lebte in älteren Jahren länger in London und dann vor allem in Madrid, wo ihm 1993 die spanische Staatsbürgerschaft verliehen wurde.
Ende der 1980er Jahre stürzte sich Vargas Llosa in die Politik seiner peruanischen Heimat und lies sich zum Präsidentschaftskandidaten einer liberalkonservativen Partei küren. Er gewann zwar die erste Wahlrunde, wurde aber in der Stichwahl vom populistischen Aussenseiter Alberto Fujimori, der sich dann als Autokrat entpuppte und im Gefängnis landete, geschlagen.
Seine ersten grossen Erfolge gelangen ihm als junger Schriftsteller mit den sozialkritischen Romanen «Die Stadt der Hunde» (La ciudad de los perros) und «Das grüne Haus» (La casa verde). Seine erstaunlich breit gefächerte literarische Produktion umfasst zwanzig Romane sowie zahlreiche Essays und Erzählungen. Viele Jahre lang schrieb er regelmässig Kolumnen für die spanische Tageszeitung El País. Sein Weltbürgertum wird auch durch die unzähligen Auszeichnungen und Preise unterstrichen, die ihm rund um die Welt verliehen worden sind, darunter Ehrendoktortitel von 79 Universitäten, unter ihnen die Universität Fribourg.
Für mich ist das spannendste und eindrücklichste Buch, das ich von Vargas Llosa gelesen habe, sein historischer Roman «Der Krieg am Ende der Welt». Es handelt sich um die Geschichte der grausamen Konfrontation zwischen dem brasilianischen Staat und einer religiösen Sekte, die im unwegsamen Hinterland des Nordostens, dem Sertão, eine separatistische Gemeinschaft aufgebaut hatte. Dieser epische, brutale Krieg am Ende des 19. Jahrhunderts ist historisch dokumentiert. Zwischen der monumentalen Darstellung dieses Geschehens durch Vargas Llosa und dem Roman «Hundert Jahre Einsamkeit», dem berühmtesten Werk seines früheren Freundes Garcia Márquez, lassen sich mancherlei Parallelen erkennen. In beiden Romanen spielen fiktive oder fiktiv überhöhte Orte, die exemplarisch für ganz Lateinamerika stehen, eine zentrale Rolle. Bei Vargas Llosa ist es das Gemeinwesen Canudos, bei Márquez heisst die Stadt Macondo. Wer «Hundert Jahre Einsamkeit» gelesen hat und davon fasziniert war, wird auch durch die Lektüre über den «Krieg am Ende der Welt» nachhaltig beeindruckt sein. (Reinhard Meier)