«Konservativ sein heisst: An der Spitze des Fortschritts marschieren.» Sprachlich etwas wackelig formuliert, war dies das Credo von Franz-Josef Strauss und seiner CSU. Aber jenseits aller feinsinnigen Diskussionen über die Werte des Konservatismus neigte auch Strauss zu einem handfestem Pragmatismus, den sich Liberale oder gar Linke nicht so ohne weiteres hätten leisten können. Und so löste er vor 40 Jahren einen lautlosen Knall aus.
Die Rede ist von einem Kredit über eine Milliarde D-Mark, die er dem ostdeutschen Regime zur Verfügung stellte. Mehrere Banken mussten dazu ihren Beitrag leisten, und es gab selbstverständlich bindende Rückzahlungsverpflichtungen. Die Vergabe erfolgte vor 40 Jahren am 29. Juni 1983. Dieser Kredit war in den Augen von Strauss und seiner Partei kein Beitrag zum «Wandel durch Annäherung», wie ihn Egon Bahr in seiner berühmten Rede vor dem politischen Club der Evangelischen Akademie in Tutzing 1963 ins Gespräch gebracht hatte. Solche Töne waren Strauss und seiner Partei fremd und sogar verhasst.
Denn Franz-Josef Strauss verabscheute die Kommunisten, fürchtete deren militärische Macht und war deshalb einer der eifrigsten Befürworter atomarer Abschreckung. Aber er bemerkte auch die Stabilität unterhalb des finalen Showdowns und er hatte zukünftige Wirtschaftsbeziehungen im Blick. Wenn sich das Regime in Ostberlin als überraschend zäh und langlebig erwiesen hatte, so müssten sich mit ihm doch auch Geschäfte machen lassen. So ungefähr dachte Strauss. Das war für ihn vielleicht nicht gerade die «Spitze des Fortschritts», aber zumindest ein gangbarer Weg. Und wenn man ihn begeht, ist das schon ein Fortschritt.
Der Kredit half weder dem Regime, noch verbesserte es den wirtschaftlichen Austausch. Die weitere Geschichte ist bekannt.
Das Bild entstand während eines Parteitags der CSU am 29. September 1979. Der junge Mann neben Strauss ist der damalige Generalsekretär der CSU Edmund Stoiber, der später Ministerpräsident von Bayern werden sollte und im weiteren Verlauf seiner Karriere eine Ostdeutsche, eine gewisse Angela Merkel, in seinem Wohnort Wolfratshausen zu einem Frühstück empfing, um ihr die Kanzlerkandidatur abzuluchsen. Die strategische Weitsicht von Strauss reichte an jenem 29. September ganz sicher nicht so weit. Alles andere wäre auch unheimlich.
(J21)