Vor vierzig Jahren sah es kurzzeitig so aus, als müsse die Geschichte des Nationalsozialismus neu geschrieben werden. Die Zeitschrift «Stern» präsentierte einen sensationellen Fund: bislang verschollene Hitler-Tagebücher.
Das war der Aufmacher des «Stern» vom 25. April 1983. Der Antiquitätenhändler Konrad Kujau aus Stuttgart hatte angeblich 62 Tagebücher des Diktators gefunden und an die Stern-Redaktion unter Vermittlung des Reporters Gerd Heidemann für insgesamt 9,34 Millionen D-Mark verkauft. Das Ganze war mit einem Riesentamtam verbunden. Der Stern-Journalist Gerd Heidemann warf sich vor seinen staunenden Kollegen während einer eilig anberaumten Pressekonferenz in die Brust. Sofort runzelten fachkundige Kollegen und Historiker die Stirn. Es gab einige Ungereimtheiten, die die Stern-Chefredaktion in ihrer Begeisterung nicht gesehen hatte oder nicht sehen wollte.
Schon am 6. Mai gab das Bundesarchiv nach einer ersten Prüfung bekannt, dass «diesen Unterlagen keine Authentizität zugesprochen» werden kann. Schon in den Tagen zuvor hatten die Bundesanstalt für Materialprüfung, das Bundeskriminalamt und das Bundesarchiv übereinstimmend die vermeintlichen Originale als Fälschung entlarvt.
Zwei der drei Stern-Chefredakteure, Peter Koch und Felix Schmidt, traten von ihren Posten zurück. Es gab verschiedene Interimslösungen auf der Chefetage, aber der Stern hat sich von diesem selbst verursachten Schlag lange Zeit nicht erholt.
Der Antiquitätenhändler Kujau und der Stern-Journalist Heidemann wurden je wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Bild entstand am 25. April 1983. Es zeigt Gerd Heidemann vor dem Fall.
(J21)