Er hasste das Hässliche. Und hässlich war die Tapete im Pariser Hotelzimmer, in dem er im Sterben lag. Seine letzten Worte waren: «Entweder geht diese scheussliche Tapete oder ich gehe.» Kurz darauf, vor 125 Jahren, ging er.
Der irische Schriftsteller, Dramatiker und Romanautor gehörte zu den gefeiertsten Autoren im prüden viktorianischen Grossbritannien. Er liebte die Provokation, war sprachgewandt, witzig, humorvoll, kleidete sich anders als die anderen. Nur das Schönste war ihm schön genug. Man nannte ihn den «Ästheten der Ästheten». Einmal sagte er: «Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.»
Vortragsreisen über Kunst, die ihn durch Dutzende amerikanische und kanadische Städte führte, waren ein voller Erfolg. Oscar Wilde schrieb Gedichte, Märchen, Gesellschaftskomödien, Theaterstücke und war Herausgeber einer Frauenzeitschrift. Er galt als scharfzüngiger Gesellschaftskritiker. Immer wieder geriet er mit der Zensur in Konflikt. Sein Roman «Das Bildnis des Dorian Gray» gehört zur Weltliteratur. Er war ein Freund von Victor Hugo, Paul Verlaine, der Schauspielerin Sarah Bernhardt, den Malern Edgar Degas und Camille Pissarro. Nach seinen Begegnungen mit George Bernard Shaw vertrat er einige sozialistische Ideen.
1884 heiratete er die wohlhabende 26-jährige Constance Mary Lloyd, eine Kinderbuchautorin. Mit ihr hatte er zwei Söhne.
Schon bald wurde klar, dass er homosexuelle oder bisexuelle Neigungen hatte. Seine Beziehungen zu Männern führten schliesslich zum Skandal. Wegen «Unzucht» wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Unter entwürdigenden Bedingungen wurde er im berüchtigten Zuchthaus in Reading malträtiert. Die zwei Gefängnisjahre brachen ihn; er wurde zu einem «totalen Wrack», wie seine Frau nach einem Besuch konstatierte.
Nach seiner Entlassung war er ein anderer Mann, energielos, fast apathisch. Er verliess England und wollte nie mehr englischen Boden betreten. Jetzt starb auch noch seine Frau. Bis zum Schluss hatte sie zu ihm gehalten.
Das Hotel d’Alsace in der Rue des Beaux-Arts 13 im Pariser Viertel Saint-Germain im 6. Arrondissement war seine letzte Adresse. Da lag er nun Ende November 1900 im Anblick der «scheusslichen Tapete». Er konnte kaum mehr sprechen. Am 30. November 1900 – vor 150 Jahren – starb er im Alter von 46 Jahren, vermutlich an Syphilis.
Seine letzte Ruhe fand er schliesslich, nach einer Umbettung, auf dem Pariser Prominentenfriedhof Père Lachaise. Das Grabmahl war mit Tausenden Lippenstift-Küssen seiner Verehrerinnen verziert. Daraufhin wurde die Grabstätte mit einer Glasplatte geschützt: Küssen verboten!
(Journal 21)