Vor 60 Jahren, am 8. August 1963, gelang in England ein Coup, der weltweit seinesgleichen sucht. Beim Überfall auf einen Postzug wurden 2’631’684 Pfund Sterling erbeutet, nach heutigem Wert entspricht diese Summe 56 Millionen Pfund beziehungsweise 65 Millionen Euro.
Ein Jahr lang hatten die Posträuber an ihrem Plan gearbeitet und gefeilt, und er lief auch mit erstaunlicher Präzision ab. Sie stoppten den Postzug von Glasgow nach London Euston mit Hilfe von zwei manipulierten Signalen. Dem Lokführer Jack Mills schlugen sie mit einer Eisenstange auf den Kopf. Sie hatten ihren eigenen Lokführer dabei, der die Lok mit dem Packwagen, in dem sich die Geldsäcke befanden, zu einer Eisenbahnbrücke fahren sollte. Die übrigen Wagen koppelten sie ab.
Dummerweise aber kannte sich ihr Lokführer mit der Technik der verwendeten Lok nicht aus, so dass sie den von ihnen niedergeschlagenen Lokführer dazu zwangen, die Lok zur Brücke zu fahren. Von dem Schlag auf den Kopf und dem brutalen Zwang hat sich Jack Mills zeit seines Lebens nicht mehr erholt.
Das Umladen der Geldsäcke in das unter der Eisenbahnbrücke befindliche Fluchtfahrzeug gelang problemlos. Die Räuber konnten damit unbehelligt zu ihrem Versteck, einem vom Tatort gut 40 Kilometer entfernten Bauernhof, fahren.
Vier Tage lang tappte die Polizei völlig im Dunkeln, aber Hinweise aus der Bevölkerung ermöglichten schliesslich die Verhaftung von 12 Mitgliedern der Bande. Es folgte der bis dahin längste Strafprozess der britischen Justizgeschichte. Es wurden drakonische Haftstrafen verhängt.
Was folgte, sind zum Teil dramatische Fluchtgeschichten. Ronald Biggs und Charlie Wilson entkamen und versteckten sich an mehreren Orten innerhalb und ausserhalb Europas. Aber sie wurden wiederholt aufgespürt. Am Ende seines Lebens war Ronald Biggs völlig verarmt. Gleichwohl sind von den gestohlenen 2’632684 Pfund nur etwa 330’000 Pfund wiedergefunden worden. Der Rest des Geldes ging zum Teil für die Aufwendungen der Fluchtabenteuer und des Lebens im Untergrund drauf.
Der Postraub war auch Stoff für die Filmindustrie. So wurde der Postzugraub 1965 in Deutschland unter dem Titel «Die Gentlemen bitten zur Kasse» mit Horst Tappert, Hans Cossy und Günther Neutze in einem Dreiteiler verfilmt.
Das Foto entstand am 28. Januar 1968 am Flughafen Heathrow. Charles Wilson, der sich nach seiner Flucht aus dem Gefängnis Winson Green in Birmingham in Rigaud Mountain, einem Vorort von Quebec, unter dem Namen «Allaway» untergetaucht war, wurde aufgespürt, weil seine Ehefrau so unvorsichtig war, ihre Eltern in England anzurufen. Nun wurde er zur Verbüssung des Restes seiner Strafe von 30 Jahren wieder zurückgebracht.
(J21)